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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Anstrengung die heftigen Gefühle seiner Seele beschwichtigt, um nicht in Ver¬
zweiflung zu geraten oder sogar wahnsinnig zu werden!"

Wem das der Gipfel des Aberwitzes dünken sollte, der würde vorschnell
urteilen. Denn noch darüber erhebt sich folgender Passus: "Der Gesichtsaus¬
druck des Königs Sigismund verglichen mit dem Gesichte Albrechts bildet einen
Gegensatz, der erst nach Beseitigung vorübergehender, irdischer Regungen das
wahre Verständnis und den richtigen Maßstab der Verdienste des menschlichen
Geistes ans dein Gebiete des Schönen und der Tugend giebt." Nun kann der
mit Wehmut genossene Unverstand des Lebens wohl zur Ruhe gesetzt werden!

Übrigens läßt sich der Maler von seinem Sekretär wiederholt bescheinigen,
daß er ein Meisterwerk geschaffen habe, daß er mit Shakespeare, Miekiewicz
und Michel Angelo zu vergleichen sei, daß alle seine Gestalten "die Natur selbst
übertreffen, wobei die Gesichter der Personen in außergewöhnlichen Augenblicken
von riesenhafter Bedeutung sind."

Dieser riesenhafte Unsinn ist gewiß ungefährlich, und was alle Ver¬
schwörungen und alle Pvlenlieder nicht zuwege gebracht haben, wird auch Jan
Matejko schwerlich gelingen, wenn er noch so große Leinwand und noch so
grelle Farben nimmt. Nachdem die österreichischen Liberalen von ihrer Polen-
schwnrmerei gründlich geheilt worden sind, stimmt wohl anßer dem Professor
Kinkel in Zürich kein Deutscher mehr in das ^"We.!5<z?o1Stil mit ein, und wenn
much mit der "preußischen Huldigung" der Zweck vielleicht erreicht wird, hie
und da einen verknöcherten Preußeuhasser zu kitzeln, so kaun diese Befriedigung
beiden Teilen gegönnt werden. Aber symptomatische Bedeutung hat diese neue
Form politischer Agitation doch, und es ist zu beachten, daß Matejko ausdrücklich
dieses Bild als das erste eines Cyklus bezeichnen läßt, dessen Vorbote die Schlacht
bei Tannenberg oder Grünwald gewesen sei.




Epilog zum parsifal.
(Schluß.)

er erste Akt des Bühnenweihfestspielcs ist monoton und unerträglich
weitschweifig und gedehnt; die vielgerühmte Gralszene bis zur
Erschöpfung ausgesponnen, ihr Hokuspokus ohne tiefere Wirkung-
Die drei hier zusammengestellten Chöre -- Ritter (Bässe), Knappen
(mittlere Männerstimmen, d. h. Alt und Tenor) und Knaben
(Sopran) -- bieten keineswegs neues; man hat dergleichen in ältern Opern,
in denen geistliche Gesänge vorkommen oder verschieden charcikterisirte Chöre


Anstrengung die heftigen Gefühle seiner Seele beschwichtigt, um nicht in Ver¬
zweiflung zu geraten oder sogar wahnsinnig zu werden!"

Wem das der Gipfel des Aberwitzes dünken sollte, der würde vorschnell
urteilen. Denn noch darüber erhebt sich folgender Passus: „Der Gesichtsaus¬
druck des Königs Sigismund verglichen mit dem Gesichte Albrechts bildet einen
Gegensatz, der erst nach Beseitigung vorübergehender, irdischer Regungen das
wahre Verständnis und den richtigen Maßstab der Verdienste des menschlichen
Geistes ans dein Gebiete des Schönen und der Tugend giebt." Nun kann der
mit Wehmut genossene Unverstand des Lebens wohl zur Ruhe gesetzt werden!

Übrigens läßt sich der Maler von seinem Sekretär wiederholt bescheinigen,
daß er ein Meisterwerk geschaffen habe, daß er mit Shakespeare, Miekiewicz
und Michel Angelo zu vergleichen sei, daß alle seine Gestalten „die Natur selbst
übertreffen, wobei die Gesichter der Personen in außergewöhnlichen Augenblicken
von riesenhafter Bedeutung sind."

Dieser riesenhafte Unsinn ist gewiß ungefährlich, und was alle Ver¬
schwörungen und alle Pvlenlieder nicht zuwege gebracht haben, wird auch Jan
Matejko schwerlich gelingen, wenn er noch so große Leinwand und noch so
grelle Farben nimmt. Nachdem die österreichischen Liberalen von ihrer Polen-
schwnrmerei gründlich geheilt worden sind, stimmt wohl anßer dem Professor
Kinkel in Zürich kein Deutscher mehr in das ^«We.!5<z?o1Stil mit ein, und wenn
much mit der „preußischen Huldigung" der Zweck vielleicht erreicht wird, hie
und da einen verknöcherten Preußeuhasser zu kitzeln, so kaun diese Befriedigung
beiden Teilen gegönnt werden. Aber symptomatische Bedeutung hat diese neue
Form politischer Agitation doch, und es ist zu beachten, daß Matejko ausdrücklich
dieses Bild als das erste eines Cyklus bezeichnen läßt, dessen Vorbote die Schlacht
bei Tannenberg oder Grünwald gewesen sei.




Epilog zum parsifal.
(Schluß.)

er erste Akt des Bühnenweihfestspielcs ist monoton und unerträglich
weitschweifig und gedehnt; die vielgerühmte Gralszene bis zur
Erschöpfung ausgesponnen, ihr Hokuspokus ohne tiefere Wirkung-
Die drei hier zusammengestellten Chöre — Ritter (Bässe), Knappen
(mittlere Männerstimmen, d. h. Alt und Tenor) und Knaben
(Sopran) — bieten keineswegs neues; man hat dergleichen in ältern Opern,
in denen geistliche Gesänge vorkommen oder verschieden charcikterisirte Chöre


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[0236] Anstrengung die heftigen Gefühle seiner Seele beschwichtigt, um nicht in Ver¬ zweiflung zu geraten oder sogar wahnsinnig zu werden!" Wem das der Gipfel des Aberwitzes dünken sollte, der würde vorschnell urteilen. Denn noch darüber erhebt sich folgender Passus: „Der Gesichtsaus¬ druck des Königs Sigismund verglichen mit dem Gesichte Albrechts bildet einen Gegensatz, der erst nach Beseitigung vorübergehender, irdischer Regungen das wahre Verständnis und den richtigen Maßstab der Verdienste des menschlichen Geistes ans dein Gebiete des Schönen und der Tugend giebt." Nun kann der mit Wehmut genossene Unverstand des Lebens wohl zur Ruhe gesetzt werden! Übrigens läßt sich der Maler von seinem Sekretär wiederholt bescheinigen, daß er ein Meisterwerk geschaffen habe, daß er mit Shakespeare, Miekiewicz und Michel Angelo zu vergleichen sei, daß alle seine Gestalten „die Natur selbst übertreffen, wobei die Gesichter der Personen in außergewöhnlichen Augenblicken von riesenhafter Bedeutung sind." Dieser riesenhafte Unsinn ist gewiß ungefährlich, und was alle Ver¬ schwörungen und alle Pvlenlieder nicht zuwege gebracht haben, wird auch Jan Matejko schwerlich gelingen, wenn er noch so große Leinwand und noch so grelle Farben nimmt. Nachdem die österreichischen Liberalen von ihrer Polen- schwnrmerei gründlich geheilt worden sind, stimmt wohl anßer dem Professor Kinkel in Zürich kein Deutscher mehr in das ^«We.!5<z?o1Stil mit ein, und wenn much mit der „preußischen Huldigung" der Zweck vielleicht erreicht wird, hie und da einen verknöcherten Preußeuhasser zu kitzeln, so kaun diese Befriedigung beiden Teilen gegönnt werden. Aber symptomatische Bedeutung hat diese neue Form politischer Agitation doch, und es ist zu beachten, daß Matejko ausdrücklich dieses Bild als das erste eines Cyklus bezeichnen läßt, dessen Vorbote die Schlacht bei Tannenberg oder Grünwald gewesen sei. Epilog zum parsifal. (Schluß.) er erste Akt des Bühnenweihfestspielcs ist monoton und unerträglich weitschweifig und gedehnt; die vielgerühmte Gralszene bis zur Erschöpfung ausgesponnen, ihr Hokuspokus ohne tiefere Wirkung- Die drei hier zusammengestellten Chöre — Ritter (Bässe), Knappen (mittlere Männerstimmen, d. h. Alt und Tenor) und Knaben (Sopran) — bieten keineswegs neues; man hat dergleichen in ältern Opern, in denen geistliche Gesänge vorkommen oder verschieden charcikterisirte Chöre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/236>, abgerufen am 06.05.2024.