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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Bevölkerung Ungarns.

Genugthuung und den ersehnten Erfolg, daß Leute durch seineu "Parsifal" ver¬
rückt gemacht würden, ward ihm nicht zu erleben vergönnt. Im Gegenteile,
gar manche mit den hochgespanntesten Erwartungen gekommenen dürften sehr
ernüchtert wieder heimgekehrt sein. Zu deu letztern zahlen wir glücklicher¬
weise selbst.




Die Bevölkerung Ungarns.

n dem Kriege, welchen das in Ungarn am Ruder stehende Ma-
gyarentum gegen die übrigen Nationalitäten des Landes und vor
allem gegen die deutsche begönne!? hat, wird mit großer Ausdauer
das Taschenspielerkuuststück wiederholt, die Begriffe "ungarisch"
und "magyarisch" als gleichbedeutend hinzustellen, wodurch man
zu dem erwünschten Schlüsse gelangt, daß jeder Akt der Selbstverteidigung gegen
die Magyarisirung eine Auflehnung gegen die Interessen des ungarischen Staates
sei. Wird aber diese plumpe Täuschung enthüllt, so klagt man über Verleum¬
dung, Irreführung oder doch mangelhafte Kenntnis der Verhältnisse.

Da auch wir mehrmals auf jenen Kampf die Aufmerksamkeit deutscher Leser
zu lenken versucht haben, welche er unsers Bedünkens in so hohem Grade ver¬
dient, ergreifen wir mit Vergnügen die Gelegenheit, amtlich veröffentlichten sta¬
tistischen Daten, welche für die besagte Frage Wert haben, eine größere Ver¬
breitung zu geben. Unsre Quelle ist die "National-ökonomisch-statistische Skizze
auf Grundlage der amtlichen Publikationen," welche Dr. Carl Herich, Sck-
tivnsrat im ungarischen Handelsministerium, als Einleitung zu dem Verzeich¬
nisse der ungarischen Erzeugnisse in der gegenwärtig in Trieft abgehaltenen
Industrie- und Landwirtschaftsansstellung geliefert hat. Die Arbeit macht den
Eindruck strenger Objektivität; auf jeden Fall ist ein Rat im ungarischen Mi¬
nisterium vor dem Verdacht sicher, die Thatsachen zum Ncichteil der herrschenden
Nationalität entstellt zu haben. Vermeidet doch auch er sorgfältig das Wort
"Nmgyarisch" und gebraucht statt dessen "ungarisch," und führt zwar vou deu
Ländern der ungarischen Krone die Freistadt Fiume nebst Gebiet, das König¬
lich Kroatien-Slavonien und die ehemalige Militärgrenze gesondert an, be¬
handelt hingegen das Großfürstentnm Siebenbürgen als völlig in dem König¬
lich Ungarn aufgegangen.

Ans seiner Darstellung ersehen wir nun, daß am 31. Dezember 1880
Ungarn und Siebenbürgen auf 5692,7 Qu.-Meilen 13 773 268 Bewohner hatte
(2419 mif die Qu.-M.), Finne anf 0,36 Qn.-M. 21 962, Kroatien-Slavonien
nuf 422,49 Qu.-M. 1 198 408 (2336 auf die Qn.-M.), das Grenzgebiet ans


Grenzboten IV. 1882. 31
Die Bevölkerung Ungarns.

Genugthuung und den ersehnten Erfolg, daß Leute durch seineu „Parsifal" ver¬
rückt gemacht würden, ward ihm nicht zu erleben vergönnt. Im Gegenteile,
gar manche mit den hochgespanntesten Erwartungen gekommenen dürften sehr
ernüchtert wieder heimgekehrt sein. Zu deu letztern zahlen wir glücklicher¬
weise selbst.




Die Bevölkerung Ungarns.

n dem Kriege, welchen das in Ungarn am Ruder stehende Ma-
gyarentum gegen die übrigen Nationalitäten des Landes und vor
allem gegen die deutsche begönne!? hat, wird mit großer Ausdauer
das Taschenspielerkuuststück wiederholt, die Begriffe „ungarisch"
und „magyarisch" als gleichbedeutend hinzustellen, wodurch man
zu dem erwünschten Schlüsse gelangt, daß jeder Akt der Selbstverteidigung gegen
die Magyarisirung eine Auflehnung gegen die Interessen des ungarischen Staates
sei. Wird aber diese plumpe Täuschung enthüllt, so klagt man über Verleum¬
dung, Irreführung oder doch mangelhafte Kenntnis der Verhältnisse.

Da auch wir mehrmals auf jenen Kampf die Aufmerksamkeit deutscher Leser
zu lenken versucht haben, welche er unsers Bedünkens in so hohem Grade ver¬
dient, ergreifen wir mit Vergnügen die Gelegenheit, amtlich veröffentlichten sta¬
tistischen Daten, welche für die besagte Frage Wert haben, eine größere Ver¬
breitung zu geben. Unsre Quelle ist die „National-ökonomisch-statistische Skizze
auf Grundlage der amtlichen Publikationen," welche Dr. Carl Herich, Sck-
tivnsrat im ungarischen Handelsministerium, als Einleitung zu dem Verzeich¬
nisse der ungarischen Erzeugnisse in der gegenwärtig in Trieft abgehaltenen
Industrie- und Landwirtschaftsansstellung geliefert hat. Die Arbeit macht den
Eindruck strenger Objektivität; auf jeden Fall ist ein Rat im ungarischen Mi¬
nisterium vor dem Verdacht sicher, die Thatsachen zum Ncichteil der herrschenden
Nationalität entstellt zu haben. Vermeidet doch auch er sorgfältig das Wort
"Nmgyarisch" und gebraucht statt dessen „ungarisch," und führt zwar vou deu
Ländern der ungarischen Krone die Freistadt Fiume nebst Gebiet, das König¬
lich Kroatien-Slavonien und die ehemalige Militärgrenze gesondert an, be¬
handelt hingegen das Großfürstentnm Siebenbürgen als völlig in dem König¬
lich Ungarn aufgegangen.

Ans seiner Darstellung ersehen wir nun, daß am 31. Dezember 1880
Ungarn und Siebenbürgen auf 5692,7 Qu.-Meilen 13 773 268 Bewohner hatte
(2419 mif die Qu.-M.), Finne anf 0,36 Qn.-M. 21 962, Kroatien-Slavonien
nuf 422,49 Qu.-M. 1 198 408 (2336 auf die Qn.-M.), das Grenzgebiet ans


Grenzboten IV. 1882. 31
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/245>, abgerufen am 06.05.2024.