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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Fortschritte in der antiken Amistgeschichte während des letzten Jahrzehnts,

dcimit geendigt, daß er in seinen Gegnern und selbst in seinen Nebenbuhlern nur
Schurken erblickt, die der Hinrichtung würdig sind. Auf dieser schiefen Ebene kann
ihn nichts aufhalten; denn da er die Dinge nach dem Gegenteil von dem, was
sie siud, qualifizirt, hat er in sich die köstlichen Gedanken gefälscht, die uns an
die Wahrheit und Gerechtigkeit knüpfen. Kein Licht dringt mehr in die Augen,
die ihre Verblendung für Scharfblick halten, keine Gewissensregung bi rührt mehr
die Seele, die ihre Barbarei als Patriotismus Preise und sich ihre Missethaten als
Pflichterfüllung vorstellt."




Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte
während des letzten Jahrzehnts.
Hugo Blnmner. von1.

uf keinem Gebiete der Altertumswissenschaft hat in den letzten
Jahren ein so reges Leben geherrscht wie auf dem der Kunst¬
geschichte und auf den damit im Zusammenhange stehenden an¬
deren Gebieten, die man gewohnt ist unter dem Namen der klas¬
sischen Archäologie zusammenzufassen. Zwar die Hoffnung, welche
man bei ihrem ersten Auftauchen freudig begrüßte und eine Zeit lang ernstlich
zu hegen berechtigt war, daß uns die bewährte Kraft K. B. Starks endlich
um Stelle des vor nunmehr 34 Jahren zum letztenmale bearbeiteten und heute
natürlich längst veralteten, obgleich immer noch unentbehrlichen Handbuches der
Archäologie von Otfried Müller ein neues, dem gegenwärtigen Stande der
Wissenschaft entsprechendes Werk als Grundlage für alle künftigen Erweiterungen
geben würde, hat der Tod, welcher den emsigen Gelehrten aus seinem rüstigen
Schaffen, ans seinen mamnchfaltigen begonnenen Arbeiten Heransriß, vereitelt.
Nur ein Bruchstück war ihm noch zu gebe" vergönnt. Seine "Systematik und
Geschichte der Archäologie der Kunst" (Leipzig, Eugelmmin, 1880), das einzige,
was vollendet vorlag, bleibt aber auch so eine dankenswerte Gabe, wenngleich
auch ihr jener Fehler anhaftet, welcher Starks Arbeiten, unbeschadet ihrer son¬
stigen Vorzüge, so vielfach schwer benutzbar, manchmal selbst schwer genießbar
macht: der Mangel an deutlicher, übersichtlicher Anordnung. Aber dieser erste
Teil war nur der kleinste des auf drei umfangreiche Bände berechneten Ganzen;
und gerade das, was am schmerzlichsten vermißt wird, die systematische Behand¬
lung der Kunstgeschichte, der Denkmäler, der Kunstmythologie, der Technik u. s. w.,
wartet noch und wird wohl noch lange warten müssen ans einen Mann, welcher
wie O. Jahr umfassende Gelehrsamkeit und Scharfsinn mit Geschmack, regen
Sammeleifer mit reichster Denkmäler- und Schriftstellerkenntnis verbindet.


Die Fortschritte in der antiken Amistgeschichte während des letzten Jahrzehnts,

dcimit geendigt, daß er in seinen Gegnern und selbst in seinen Nebenbuhlern nur
Schurken erblickt, die der Hinrichtung würdig sind. Auf dieser schiefen Ebene kann
ihn nichts aufhalten; denn da er die Dinge nach dem Gegenteil von dem, was
sie siud, qualifizirt, hat er in sich die köstlichen Gedanken gefälscht, die uns an
die Wahrheit und Gerechtigkeit knüpfen. Kein Licht dringt mehr in die Augen,
die ihre Verblendung für Scharfblick halten, keine Gewissensregung bi rührt mehr
die Seele, die ihre Barbarei als Patriotismus Preise und sich ihre Missethaten als
Pflichterfüllung vorstellt."




Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte
während des letzten Jahrzehnts.
Hugo Blnmner. von1.

uf keinem Gebiete der Altertumswissenschaft hat in den letzten
Jahren ein so reges Leben geherrscht wie auf dem der Kunst¬
geschichte und auf den damit im Zusammenhange stehenden an¬
deren Gebieten, die man gewohnt ist unter dem Namen der klas¬
sischen Archäologie zusammenzufassen. Zwar die Hoffnung, welche
man bei ihrem ersten Auftauchen freudig begrüßte und eine Zeit lang ernstlich
zu hegen berechtigt war, daß uns die bewährte Kraft K. B. Starks endlich
um Stelle des vor nunmehr 34 Jahren zum letztenmale bearbeiteten und heute
natürlich längst veralteten, obgleich immer noch unentbehrlichen Handbuches der
Archäologie von Otfried Müller ein neues, dem gegenwärtigen Stande der
Wissenschaft entsprechendes Werk als Grundlage für alle künftigen Erweiterungen
geben würde, hat der Tod, welcher den emsigen Gelehrten aus seinem rüstigen
Schaffen, ans seinen mamnchfaltigen begonnenen Arbeiten Heransriß, vereitelt.
Nur ein Bruchstück war ihm noch zu gebe» vergönnt. Seine „Systematik und
Geschichte der Archäologie der Kunst" (Leipzig, Eugelmmin, 1880), das einzige,
was vollendet vorlag, bleibt aber auch so eine dankenswerte Gabe, wenngleich
auch ihr jener Fehler anhaftet, welcher Starks Arbeiten, unbeschadet ihrer son¬
stigen Vorzüge, so vielfach schwer benutzbar, manchmal selbst schwer genießbar
macht: der Mangel an deutlicher, übersichtlicher Anordnung. Aber dieser erste
Teil war nur der kleinste des auf drei umfangreiche Bände berechneten Ganzen;
und gerade das, was am schmerzlichsten vermißt wird, die systematische Behand¬
lung der Kunstgeschichte, der Denkmäler, der Kunstmythologie, der Technik u. s. w.,
wartet noch und wird wohl noch lange warten müssen ans einen Mann, welcher
wie O. Jahr umfassende Gelehrsamkeit und Scharfsinn mit Geschmack, regen
Sammeleifer mit reichster Denkmäler- und Schriftstellerkenntnis verbindet.


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[0338] Die Fortschritte in der antiken Amistgeschichte während des letzten Jahrzehnts, dcimit geendigt, daß er in seinen Gegnern und selbst in seinen Nebenbuhlern nur Schurken erblickt, die der Hinrichtung würdig sind. Auf dieser schiefen Ebene kann ihn nichts aufhalten; denn da er die Dinge nach dem Gegenteil von dem, was sie siud, qualifizirt, hat er in sich die köstlichen Gedanken gefälscht, die uns an die Wahrheit und Gerechtigkeit knüpfen. Kein Licht dringt mehr in die Augen, die ihre Verblendung für Scharfblick halten, keine Gewissensregung bi rührt mehr die Seele, die ihre Barbarei als Patriotismus Preise und sich ihre Missethaten als Pflichterfüllung vorstellt." Die Fortschritte in der antiken Kunstgeschichte während des letzten Jahrzehnts. Hugo Blnmner. von1. uf keinem Gebiete der Altertumswissenschaft hat in den letzten Jahren ein so reges Leben geherrscht wie auf dem der Kunst¬ geschichte und auf den damit im Zusammenhange stehenden an¬ deren Gebieten, die man gewohnt ist unter dem Namen der klas¬ sischen Archäologie zusammenzufassen. Zwar die Hoffnung, welche man bei ihrem ersten Auftauchen freudig begrüßte und eine Zeit lang ernstlich zu hegen berechtigt war, daß uns die bewährte Kraft K. B. Starks endlich um Stelle des vor nunmehr 34 Jahren zum letztenmale bearbeiteten und heute natürlich längst veralteten, obgleich immer noch unentbehrlichen Handbuches der Archäologie von Otfried Müller ein neues, dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft entsprechendes Werk als Grundlage für alle künftigen Erweiterungen geben würde, hat der Tod, welcher den emsigen Gelehrten aus seinem rüstigen Schaffen, ans seinen mamnchfaltigen begonnenen Arbeiten Heransriß, vereitelt. Nur ein Bruchstück war ihm noch zu gebe» vergönnt. Seine „Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst" (Leipzig, Eugelmmin, 1880), das einzige, was vollendet vorlag, bleibt aber auch so eine dankenswerte Gabe, wenngleich auch ihr jener Fehler anhaftet, welcher Starks Arbeiten, unbeschadet ihrer son¬ stigen Vorzüge, so vielfach schwer benutzbar, manchmal selbst schwer genießbar macht: der Mangel an deutlicher, übersichtlicher Anordnung. Aber dieser erste Teil war nur der kleinste des auf drei umfangreiche Bände berechneten Ganzen; und gerade das, was am schmerzlichsten vermißt wird, die systematische Behand¬ lung der Kunstgeschichte, der Denkmäler, der Kunstmythologie, der Technik u. s. w., wartet noch und wird wohl noch lange warten müssen ans einen Mann, welcher wie O. Jahr umfassende Gelehrsamkeit und Scharfsinn mit Geschmack, regen Sammeleifer mit reichster Denkmäler- und Schriftstellerkenntnis verbindet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/338>, abgerufen am 06.05.2024.