Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Vakchen und Thyrsosträger.
August Niemcinn ( Roman vonGotha).



Erstes Aapitel.
Sokrates und Fanthixpe.

Hippias. Dein Freund scheint mir ein ungebildeter
Mann zu sein.
Sokrcites, Das ist er auch, mein lieber Hippias. Ein
ganz ungebildeter Mann und um nichts sich
kiumuerud als das Wahre.

oktor Stahlhardt saß in seinem Arbeitszimmer und lachte laut. Er
fuhr über seinen kahlen Schädel mit einer Geberde des Behagens
hin, als wollte er alle Thorheit der Welt abwischen von der
Stätte der Gedanken, strich durch seineu langen, grauen Bart,
blickte mit den kleinen Augen, aus denen eine wahre Flut von
Humor hervorleuchtete, zum offenen Fenster hinaus nach den ziehenden Wolken
und lachte herzlich und anhaltend.

Da öffnete sich die Thür, und eine Dame trat herein, welche einen ver¬
wunderten Blick auf den Landenden heftete. Sie war ebenso schön, wie der Ge¬
lehrte häßlich, und sein eselfarbener Nock, sein ganzer Anzug war ebenso alt¬
modisch, nachlässig und fadenscheinig, wie ihre Toilette modern, sorgfältig gewählt
und von Neuheit glänzend.

Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hatte, ohne daß er sonderlich Notiz
von ihr genommen hätte, wich der Ausdruck der Verwunderung bei ihr einer
eigentümlichen Miene, die der geduldigen Nachsicht mit den bekannten Sonder¬
barkeiten eines amberartigen Wesens zu entstammen schien, sie ging auf ihn zu,
drückte einen Kuß auf die gewaltige, vorspringende Stirn und sagte:

Nun, mein altes Männchen, was lachst du denn so für dich allein?




Vakchen und Thyrsosträger.
August Niemcinn ( Roman vonGotha).



Erstes Aapitel.
Sokrates und Fanthixpe.

Hippias. Dein Freund scheint mir ein ungebildeter
Mann zu sein.
Sokrcites, Das ist er auch, mein lieber Hippias. Ein
ganz ungebildeter Mann und um nichts sich
kiumuerud als das Wahre.

oktor Stahlhardt saß in seinem Arbeitszimmer und lachte laut. Er
fuhr über seinen kahlen Schädel mit einer Geberde des Behagens
hin, als wollte er alle Thorheit der Welt abwischen von der
Stätte der Gedanken, strich durch seineu langen, grauen Bart,
blickte mit den kleinen Augen, aus denen eine wahre Flut von
Humor hervorleuchtete, zum offenen Fenster hinaus nach den ziehenden Wolken
und lachte herzlich und anhaltend.

Da öffnete sich die Thür, und eine Dame trat herein, welche einen ver¬
wunderten Blick auf den Landenden heftete. Sie war ebenso schön, wie der Ge¬
lehrte häßlich, und sein eselfarbener Nock, sein ganzer Anzug war ebenso alt¬
modisch, nachlässig und fadenscheinig, wie ihre Toilette modern, sorgfältig gewählt
und von Neuheit glänzend.

Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hatte, ohne daß er sonderlich Notiz
von ihr genommen hätte, wich der Ausdruck der Verwunderung bei ihr einer
eigentümlichen Miene, die der geduldigen Nachsicht mit den bekannten Sonder¬
barkeiten eines amberartigen Wesens zu entstammen schien, sie ging auf ihn zu,
drückte einen Kuß auf die gewaltige, vorspringende Stirn und sagte:

Nun, mein altes Männchen, was lachst du denn so für dich allein?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86171"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341835_89804/figures/grenzboten_341835_89804_86171_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vakchen und Thyrsosträger.<lb/><note type="byline"> August Niemcinn (</note> Roman vonGotha).</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> Erstes Aapitel.<lb/>
Sokrates und Fanthixpe.</head><lb/>
            <quote type="epigraph"> Hippias. Dein Freund scheint mir ein ungebildeter<lb/>
Mann zu sein.<lb/>
Sokrcites, Das ist er auch, mein lieber Hippias. Ein<lb/>
ganz ungebildeter Mann und um nichts sich<lb/>
kiumuerud als das Wahre.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_109"> oktor Stahlhardt saß in seinem Arbeitszimmer und lachte laut. Er<lb/>
fuhr über seinen kahlen Schädel mit einer Geberde des Behagens<lb/>
hin, als wollte er alle Thorheit der Welt abwischen von der<lb/>
Stätte der Gedanken, strich durch seineu langen, grauen Bart,<lb/>
blickte mit den kleinen Augen, aus denen eine wahre Flut von<lb/>
Humor hervorleuchtete, zum offenen Fenster hinaus nach den ziehenden Wolken<lb/>
und lachte herzlich und anhaltend.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_110"> Da öffnete sich die Thür, und eine Dame trat herein, welche einen ver¬<lb/>
wunderten Blick auf den Landenden heftete. Sie war ebenso schön, wie der Ge¬<lb/>
lehrte häßlich, und sein eselfarbener Nock, sein ganzer Anzug war ebenso alt¬<lb/>
modisch, nachlässig und fadenscheinig, wie ihre Toilette modern, sorgfältig gewählt<lb/>
und von Neuheit glänzend.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_111"> Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hatte, ohne daß er sonderlich Notiz<lb/>
von ihr genommen hätte, wich der Ausdruck der Verwunderung bei ihr einer<lb/>
eigentümlichen Miene, die der geduldigen Nachsicht mit den bekannten Sonder¬<lb/>
barkeiten eines amberartigen Wesens zu entstammen schien, sie ging auf ihn zu,<lb/>
drückte einen Kuß auf die gewaltige, vorspringende Stirn und sagte:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_112"> Nun, mein altes Männchen, was lachst du denn so für dich allein?</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0050] [Abbildung] Vakchen und Thyrsosträger. August Niemcinn ( Roman vonGotha). Erstes Aapitel. Sokrates und Fanthixpe. Hippias. Dein Freund scheint mir ein ungebildeter Mann zu sein. Sokrcites, Das ist er auch, mein lieber Hippias. Ein ganz ungebildeter Mann und um nichts sich kiumuerud als das Wahre. oktor Stahlhardt saß in seinem Arbeitszimmer und lachte laut. Er fuhr über seinen kahlen Schädel mit einer Geberde des Behagens hin, als wollte er alle Thorheit der Welt abwischen von der Stätte der Gedanken, strich durch seineu langen, grauen Bart, blickte mit den kleinen Augen, aus denen eine wahre Flut von Humor hervorleuchtete, zum offenen Fenster hinaus nach den ziehenden Wolken und lachte herzlich und anhaltend. Da öffnete sich die Thür, und eine Dame trat herein, welche einen ver¬ wunderten Blick auf den Landenden heftete. Sie war ebenso schön, wie der Ge¬ lehrte häßlich, und sein eselfarbener Nock, sein ganzer Anzug war ebenso alt¬ modisch, nachlässig und fadenscheinig, wie ihre Toilette modern, sorgfältig gewählt und von Neuheit glänzend. Nachdem sie ihn eine Weile betrachtet hatte, ohne daß er sonderlich Notiz von ihr genommen hätte, wich der Ausdruck der Verwunderung bei ihr einer eigentümlichen Miene, die der geduldigen Nachsicht mit den bekannten Sonder¬ barkeiten eines amberartigen Wesens zu entstammen schien, sie ging auf ihn zu, drückte einen Kuß auf die gewaltige, vorspringende Stirn und sagte: Nun, mein altes Männchen, was lachst du denn so für dich allein?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/50
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/50>, abgerufen am 06.05.2024.