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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.
August Niemann ( Roman vonGotha).

Das Recht der Übersetzung vorbe-
ri°keen. Nachdruck Verbote", lFortsctzu.I^)

ähreud sich heute Vormittag so zahlreiche Besucher zur Gratulation
einfanden, erwartete der junge Freiherr von Minute zu Minute
seine Braut und deren Familie eintreten zu sehen, aber gerade dieser
Besuch kam nicht. Er fing an sich zu beunruhigen. Denn er hatte sich
einen kleinen Scherz ausgedacht, um seiner Braut einen Rubinen¬
schmuck von seltener Schönheit in besonders delikater Weise zu überreichen, und
nun kam sie nicht.

Zuletzt hatte er, halb besorgt und halb ärgerlich, sein Kupee anspannen
lassen, die Rubinen in das tiefste Fach seines Schreibtisches geworfen und war
fortgefahren, um zu sehen, wo die Comtesse Hyazinth bliebe. Seine Pferde waren
ausgezeichnet, und der Kutscher ließ ihnen auf einen ungeduldigen Ruf seines
Herrn die Zügel. So brausten sie denn mit einer Geschwindigkeit von fünf Meilen
in der Stunde dahin und hatten den Weg bis zur Wohnung des Grafen von
Hüningen in zehn Minuten zurückgelegt.

Der junge Freiherr sprang aus dem Wagen, eilte die beiden Treppen hinan,
stieß den Diener, welcher ihn anmelden wollte, zurück und stürmte in die Wohnung.
Er fand seine Braut mit geröteten Augen im Salon am Fenster stehend und in
ihrer Gesellschaft den Rittmeister Grafen Viktor von Falkenfels.

Der Graf von Falkenfels war ein alter Bekannter der Comtesse Hyazinth,
das wußte der junge Freiherr, der ihn schon mehrere Male im Hause Hüningen
getroffen hatte, aber es berührte den Bräutigam doch sehr peinlich, ihn jetzt hier
zu sehen, während die Comtesse offenbar geweint hatte. Überhaupt war keine
besonders große Sympathie zwischen den beiden Herren. Der Rittmeister hatte,
wenn er mit den: Bankierssohn zusammentraf, immer etwas Ehernes in seiner
Haltung. Seine stolze Figur, sein markirtes, kriegerisches Gesicht schienen in
ihrer unbeugsamen männlichen Schönheit einem Standbild anzugehören, das soeben




Bakchen und Thyrsosträger.
August Niemann ( Roman vonGotha).

Das Recht der Übersetzung vorbe-
ri°keen. Nachdruck Verbote», lFortsctzu.I^)

ähreud sich heute Vormittag so zahlreiche Besucher zur Gratulation
einfanden, erwartete der junge Freiherr von Minute zu Minute
seine Braut und deren Familie eintreten zu sehen, aber gerade dieser
Besuch kam nicht. Er fing an sich zu beunruhigen. Denn er hatte sich
einen kleinen Scherz ausgedacht, um seiner Braut einen Rubinen¬
schmuck von seltener Schönheit in besonders delikater Weise zu überreichen, und
nun kam sie nicht.

Zuletzt hatte er, halb besorgt und halb ärgerlich, sein Kupee anspannen
lassen, die Rubinen in das tiefste Fach seines Schreibtisches geworfen und war
fortgefahren, um zu sehen, wo die Comtesse Hyazinth bliebe. Seine Pferde waren
ausgezeichnet, und der Kutscher ließ ihnen auf einen ungeduldigen Ruf seines
Herrn die Zügel. So brausten sie denn mit einer Geschwindigkeit von fünf Meilen
in der Stunde dahin und hatten den Weg bis zur Wohnung des Grafen von
Hüningen in zehn Minuten zurückgelegt.

Der junge Freiherr sprang aus dem Wagen, eilte die beiden Treppen hinan,
stieß den Diener, welcher ihn anmelden wollte, zurück und stürmte in die Wohnung.
Er fand seine Braut mit geröteten Augen im Salon am Fenster stehend und in
ihrer Gesellschaft den Rittmeister Grafen Viktor von Falkenfels.

Der Graf von Falkenfels war ein alter Bekannter der Comtesse Hyazinth,
das wußte der junge Freiherr, der ihn schon mehrere Male im Hause Hüningen
getroffen hatte, aber es berührte den Bräutigam doch sehr peinlich, ihn jetzt hier
zu sehen, während die Comtesse offenbar geweint hatte. Überhaupt war keine
besonders große Sympathie zwischen den beiden Herren. Der Rittmeister hatte,
wenn er mit den: Bankierssohn zusammentraf, immer etwas Ehernes in seiner
Haltung. Seine stolze Figur, sein markirtes, kriegerisches Gesicht schienen in
ihrer unbeugsamen männlichen Schönheit einem Standbild anzugehören, das soeben


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[0576] [Abbildung] Bakchen und Thyrsosträger. August Niemann ( Roman vonGotha). Das Recht der Übersetzung vorbe- ri°keen. Nachdruck Verbote», lFortsctzu.I^) ähreud sich heute Vormittag so zahlreiche Besucher zur Gratulation einfanden, erwartete der junge Freiherr von Minute zu Minute seine Braut und deren Familie eintreten zu sehen, aber gerade dieser Besuch kam nicht. Er fing an sich zu beunruhigen. Denn er hatte sich einen kleinen Scherz ausgedacht, um seiner Braut einen Rubinen¬ schmuck von seltener Schönheit in besonders delikater Weise zu überreichen, und nun kam sie nicht. Zuletzt hatte er, halb besorgt und halb ärgerlich, sein Kupee anspannen lassen, die Rubinen in das tiefste Fach seines Schreibtisches geworfen und war fortgefahren, um zu sehen, wo die Comtesse Hyazinth bliebe. Seine Pferde waren ausgezeichnet, und der Kutscher ließ ihnen auf einen ungeduldigen Ruf seines Herrn die Zügel. So brausten sie denn mit einer Geschwindigkeit von fünf Meilen in der Stunde dahin und hatten den Weg bis zur Wohnung des Grafen von Hüningen in zehn Minuten zurückgelegt. Der junge Freiherr sprang aus dem Wagen, eilte die beiden Treppen hinan, stieß den Diener, welcher ihn anmelden wollte, zurück und stürmte in die Wohnung. Er fand seine Braut mit geröteten Augen im Salon am Fenster stehend und in ihrer Gesellschaft den Rittmeister Grafen Viktor von Falkenfels. Der Graf von Falkenfels war ein alter Bekannter der Comtesse Hyazinth, das wußte der junge Freiherr, der ihn schon mehrere Male im Hause Hüningen getroffen hatte, aber es berührte den Bräutigam doch sehr peinlich, ihn jetzt hier zu sehen, während die Comtesse offenbar geweint hatte. Überhaupt war keine besonders große Sympathie zwischen den beiden Herren. Der Rittmeister hatte, wenn er mit den: Bankierssohn zusammentraf, immer etwas Ehernes in seiner Haltung. Seine stolze Figur, sein markirtes, kriegerisches Gesicht schienen in ihrer unbeugsamen männlichen Schönheit einem Standbild anzugehören, das soeben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/576>, abgerufen am 06.05.2024.