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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Zur Verwaltungsreform in Preußen,
(Schluß.)

enden wir unsre Betrachtungen nun der Selbstverwaltung in der
andern Bedeutung des Wortes -- Delegation von Staatshoheits¬
rechte" an Nichtbcrufsbeamte -- zu. Von der Durchführung
dieser Maßregel verspricht sich hauptsächlich der Liberalismus gol¬
dene Berge. Die Quintessenz der bezüglichen Anschauungsweise
spiegeln die folgenden Gneistschen Ausführungen wieder: In einem Staat, in
welchem jede obrigkeitliche Gewalt nur durch Berufsbeamte gehandhabt wird,
kann der Beamtenstand nur Herr oder Diener der Gesellschaft sein. Hört mit
dem Absolutismus die Herrschaft des Bcamtenstandes ans, so muß er notwendig
ein Diener der wechselnden Parteirichtungeu werden. Jede konstitutionelle Mi-
nisterverwaltnng wird aber mehr oder weniger eine Parteiverwaltung. Diese
konstitutionelle Parteiverwaltung bedarf und erzeugt eine Kette von einander
streng subvrdiuirten Beamten, von denen nicht weniger verlangt wird, als das;
sie, der Partei zur Disposition gestellt, doch zugleich den Charakter der unpar¬
teiischen Magistratur wahren sollen. Dieser Widerspruch führt zu dem über-
zeugungs- und charakterlosen System der Präfektur. Es ist nicht möglich, in
unserm Verwaltungsrecht die gewohnten Funktionen des Berufsbeamtcn zu be¬
seitigen, aber es ist möglich, an den entscheidenden Stellen die geschlossene Kette
des Berufsbeamtentums zu ergänzen durch diejenigen Klassen der Gesellschaft,
welche imstande sind, jene Funktionen selbst zu übernehmen. In Konkurrenz
und Verbindung mit dem besoldeten Berufsbeamtentum erhält es die Selbständig¬
keit und Ehrenhaftigkeit des besoldeten Beamten.

Um unsern Standpunkt zu diesen Auslassungen zu präzisiren, brauchen wir
nur auf das bereits Gesagte zurückzuverweisen. Wir bestreikn die Prämisse,
von welcher Gneist ausgeht. Es ist nicht wahr, daß jede konstitutionelle Re¬
gierung ein Parteircgiment sein muß. Übrigens ist schwer abzusehen, was es
z. B. dem jederzeit zur Disposition zu stellenden Berufsbeamten für einen Trost
gewähren soll, wenn er etwa sehen muß, daß ein der gleichen Beamtenkategoric
und derselben Parteirichtung angehöriger Ehrenbcamter im Amte gelassen wird,
wohl gar gelassen werden muß, weil er der Möglichkeit, zur Disposition gestellt
zu werden, nicht unterliegt. Zudem liegt sachlich kein Grund vor, Ehren- und
Berufsbeamte verschieden zu behandeln oder gar rechtlich verschieden zu stellen.
Ein bestimmtes Amt verlangt entweder aus Gründen der Staatsraison, daß der
Inhaber jederzeit zur Disposition gestellt werden könne, und dann muß jeder,
gleichviel ob Ehren- oder Bernfsbeamter, diese Konsequenz über sich ergehen


Zur Verwaltungsreform in Preußen,
(Schluß.)

enden wir unsre Betrachtungen nun der Selbstverwaltung in der
andern Bedeutung des Wortes — Delegation von Staatshoheits¬
rechte» an Nichtbcrufsbeamte — zu. Von der Durchführung
dieser Maßregel verspricht sich hauptsächlich der Liberalismus gol¬
dene Berge. Die Quintessenz der bezüglichen Anschauungsweise
spiegeln die folgenden Gneistschen Ausführungen wieder: In einem Staat, in
welchem jede obrigkeitliche Gewalt nur durch Berufsbeamte gehandhabt wird,
kann der Beamtenstand nur Herr oder Diener der Gesellschaft sein. Hört mit
dem Absolutismus die Herrschaft des Bcamtenstandes ans, so muß er notwendig
ein Diener der wechselnden Parteirichtungeu werden. Jede konstitutionelle Mi-
nisterverwaltnng wird aber mehr oder weniger eine Parteiverwaltung. Diese
konstitutionelle Parteiverwaltung bedarf und erzeugt eine Kette von einander
streng subvrdiuirten Beamten, von denen nicht weniger verlangt wird, als das;
sie, der Partei zur Disposition gestellt, doch zugleich den Charakter der unpar¬
teiischen Magistratur wahren sollen. Dieser Widerspruch führt zu dem über-
zeugungs- und charakterlosen System der Präfektur. Es ist nicht möglich, in
unserm Verwaltungsrecht die gewohnten Funktionen des Berufsbeamtcn zu be¬
seitigen, aber es ist möglich, an den entscheidenden Stellen die geschlossene Kette
des Berufsbeamtentums zu ergänzen durch diejenigen Klassen der Gesellschaft,
welche imstande sind, jene Funktionen selbst zu übernehmen. In Konkurrenz
und Verbindung mit dem besoldeten Berufsbeamtentum erhält es die Selbständig¬
keit und Ehrenhaftigkeit des besoldeten Beamten.

Um unsern Standpunkt zu diesen Auslassungen zu präzisiren, brauchen wir
nur auf das bereits Gesagte zurückzuverweisen. Wir bestreikn die Prämisse,
von welcher Gneist ausgeht. Es ist nicht wahr, daß jede konstitutionelle Re¬
gierung ein Parteircgiment sein muß. Übrigens ist schwer abzusehen, was es
z. B. dem jederzeit zur Disposition zu stellenden Berufsbeamten für einen Trost
gewähren soll, wenn er etwa sehen muß, daß ein der gleichen Beamtenkategoric
und derselben Parteirichtung angehöriger Ehrenbcamter im Amte gelassen wird,
wohl gar gelassen werden muß, weil er der Möglichkeit, zur Disposition gestellt
zu werden, nicht unterliegt. Zudem liegt sachlich kein Grund vor, Ehren- und
Berufsbeamte verschieden zu behandeln oder gar rechtlich verschieden zu stellen.
Ein bestimmtes Amt verlangt entweder aus Gründen der Staatsraison, daß der
Inhaber jederzeit zur Disposition gestellt werden könne, und dann muß jeder,
gleichviel ob Ehren- oder Bernfsbeamter, diese Konsequenz über sich ergehen


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[0589] Zur Verwaltungsreform in Preußen, (Schluß.) enden wir unsre Betrachtungen nun der Selbstverwaltung in der andern Bedeutung des Wortes — Delegation von Staatshoheits¬ rechte» an Nichtbcrufsbeamte — zu. Von der Durchführung dieser Maßregel verspricht sich hauptsächlich der Liberalismus gol¬ dene Berge. Die Quintessenz der bezüglichen Anschauungsweise spiegeln die folgenden Gneistschen Ausführungen wieder: In einem Staat, in welchem jede obrigkeitliche Gewalt nur durch Berufsbeamte gehandhabt wird, kann der Beamtenstand nur Herr oder Diener der Gesellschaft sein. Hört mit dem Absolutismus die Herrschaft des Bcamtenstandes ans, so muß er notwendig ein Diener der wechselnden Parteirichtungeu werden. Jede konstitutionelle Mi- nisterverwaltnng wird aber mehr oder weniger eine Parteiverwaltung. Diese konstitutionelle Parteiverwaltung bedarf und erzeugt eine Kette von einander streng subvrdiuirten Beamten, von denen nicht weniger verlangt wird, als das; sie, der Partei zur Disposition gestellt, doch zugleich den Charakter der unpar¬ teiischen Magistratur wahren sollen. Dieser Widerspruch führt zu dem über- zeugungs- und charakterlosen System der Präfektur. Es ist nicht möglich, in unserm Verwaltungsrecht die gewohnten Funktionen des Berufsbeamtcn zu be¬ seitigen, aber es ist möglich, an den entscheidenden Stellen die geschlossene Kette des Berufsbeamtentums zu ergänzen durch diejenigen Klassen der Gesellschaft, welche imstande sind, jene Funktionen selbst zu übernehmen. In Konkurrenz und Verbindung mit dem besoldeten Berufsbeamtentum erhält es die Selbständig¬ keit und Ehrenhaftigkeit des besoldeten Beamten. Um unsern Standpunkt zu diesen Auslassungen zu präzisiren, brauchen wir nur auf das bereits Gesagte zurückzuverweisen. Wir bestreikn die Prämisse, von welcher Gneist ausgeht. Es ist nicht wahr, daß jede konstitutionelle Re¬ gierung ein Parteircgiment sein muß. Übrigens ist schwer abzusehen, was es z. B. dem jederzeit zur Disposition zu stellenden Berufsbeamten für einen Trost gewähren soll, wenn er etwa sehen muß, daß ein der gleichen Beamtenkategoric und derselben Parteirichtung angehöriger Ehrenbcamter im Amte gelassen wird, wohl gar gelassen werden muß, weil er der Möglichkeit, zur Disposition gestellt zu werden, nicht unterliegt. Zudem liegt sachlich kein Grund vor, Ehren- und Berufsbeamte verschieden zu behandeln oder gar rechtlich verschieden zu stellen. Ein bestimmtes Amt verlangt entweder aus Gründen der Staatsraison, daß der Inhaber jederzeit zur Disposition gestellt werden könne, und dann muß jeder, gleichviel ob Ehren- oder Bernfsbeamter, diese Konsequenz über sich ergehen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/589>, abgerufen am 06.05.2024.