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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Freiligrath in seinen Briefen.
(Schluß.)

er große Erfolg, den seine erste Gedichtsammlung hatte, ermutigte
Freiligratl,, und die alljährlich sich folgenden neuen Auflagen er-'
möglichem es eben, "och einmal, und zwar für längere Zeit, die
verhaßte Knechtschaft des CvmPtoirdieusteS abzuschütteln. Sieben
Jahre, von l839 bis 1846, war es ihm auf diese Weise vergönnt,
mit wechselndem Aufenthalt, meist an seinem vielgepriesenen Rhein, ganz sich
selbst, seinen Studie" und feiner Muße zu leben. Sie überzeugten ihn aber
auch aufs neue, daß er zum schriftstellerische Beruf nicht lange; es fehlte ihm
dazu, bei allem Fleiße, die literarische Betriebsamkeit, wie so manche begonnene
und nicht zu Ende geführte Unternehmung beweist. Mit männlichem Entschlüsse
und richtiger Einsicht kehrte er daher auch später, als äußere Verhältnisse es
ihm nahe legten, zu dein verlassenen Broterwerb zurück.

In diese Periode fällt seine Umwandlung zum politischen Dichter. Höchst
überraschend wirkte es, als er l8 14 von Aßmannshausen aus sein "Glaubens¬
bekenntnis" kühn in die Welt schleuderte und sich darin mit einemmale von einer
so ganz neuen Seite zeigte, Und doch war diese Umwandlung schon seit langem
vorbereitet und ganz allmählich vor sich gegangen.

Schon das Geschick der Göttinger Sieben und das Auftreten der frei¬
sinnigen österreichischen Poeten Anastasius Grün und >Karl Beck hatte Freiligratl,
seinerzeit mächtig ergriffen. Im Mai 1838 schreibt er- "Ob Hölty auch wohl
Mailicder gemacht hätte, wen" Anno 1773 sieben Professoren Mr urclrs alö
MM exilirt worden wären? -- 's ist eine schwüle Zeit; der Poet steht ver¬
einsamt in ihr, ein überflüssiges Gerät! -- Wohl ihm, wenn er die Interessen
der Zeit so zu erfassen versteht, wie in neuester Zeit Grün und Beck. -- Des
letzteren Nächte, Gepanzerte Lieder kann ich dir nicht genug empfehlen! Der
edelste Liberalismus und dabei eine Phantasie, wie Feuer und Flammen. Bild
aus Bild, Blitz auf Blitz, Streich auf Streich." Und ein paar Monate später,
bei Gelegenheit des auf der Grotenburg zu errichtenden Hermaunsdeukmales,
in ähnlicher Weise- "Ich dächte, in einer Zeit, wo die Göttinger Sieben, und
unter ihnen ein Jakob Grimm, Landes verwiesen werden, könnte sich der deutsche
Putriotismus mich noch wohl anders und schöner, als dnrch Errichtung eines
Mals für Hermann, bethätigen. Was liegt nicht alles in unserer Zeit! Wer
das Zeug dazu hat, sie recht zu packen, der macht wohl noch anderes als Denk¬
mäler!"

Schon von dieser Zeit an hat Freiligratl) im wesentlichen mit der Periode
der Wüsten-, Urwald- und Mecresdichtung abgeschlossen und wendet sich in


cArcuzdvwi 1. l882, 82
Freiligrath in seinen Briefen.
(Schluß.)

er große Erfolg, den seine erste Gedichtsammlung hatte, ermutigte
Freiligratl,, und die alljährlich sich folgenden neuen Auflagen er-'
möglichem es eben, »och einmal, und zwar für längere Zeit, die
verhaßte Knechtschaft des CvmPtoirdieusteS abzuschütteln. Sieben
Jahre, von l839 bis 1846, war es ihm auf diese Weise vergönnt,
mit wechselndem Aufenthalt, meist an seinem vielgepriesenen Rhein, ganz sich
selbst, seinen Studie» und feiner Muße zu leben. Sie überzeugten ihn aber
auch aufs neue, daß er zum schriftstellerische Beruf nicht lange; es fehlte ihm
dazu, bei allem Fleiße, die literarische Betriebsamkeit, wie so manche begonnene
und nicht zu Ende geführte Unternehmung beweist. Mit männlichem Entschlüsse
und richtiger Einsicht kehrte er daher auch später, als äußere Verhältnisse es
ihm nahe legten, zu dein verlassenen Broterwerb zurück.

In diese Periode fällt seine Umwandlung zum politischen Dichter. Höchst
überraschend wirkte es, als er l8 14 von Aßmannshausen aus sein „Glaubens¬
bekenntnis" kühn in die Welt schleuderte und sich darin mit einemmale von einer
so ganz neuen Seite zeigte, Und doch war diese Umwandlung schon seit langem
vorbereitet und ganz allmählich vor sich gegangen.

Schon das Geschick der Göttinger Sieben und das Auftreten der frei¬
sinnigen österreichischen Poeten Anastasius Grün und >Karl Beck hatte Freiligratl,
seinerzeit mächtig ergriffen. Im Mai 1838 schreibt er- „Ob Hölty auch wohl
Mailicder gemacht hätte, wen» Anno 1773 sieben Professoren Mr urclrs alö
MM exilirt worden wären? — 's ist eine schwüle Zeit; der Poet steht ver¬
einsamt in ihr, ein überflüssiges Gerät! — Wohl ihm, wenn er die Interessen
der Zeit so zu erfassen versteht, wie in neuester Zeit Grün und Beck. — Des
letzteren Nächte, Gepanzerte Lieder kann ich dir nicht genug empfehlen! Der
edelste Liberalismus und dabei eine Phantasie, wie Feuer und Flammen. Bild
aus Bild, Blitz auf Blitz, Streich auf Streich." Und ein paar Monate später,
bei Gelegenheit des auf der Grotenburg zu errichtenden Hermaunsdeukmales,
in ähnlicher Weise- „Ich dächte, in einer Zeit, wo die Göttinger Sieben, und
unter ihnen ein Jakob Grimm, Landes verwiesen werden, könnte sich der deutsche
Putriotismus mich noch wohl anders und schöner, als dnrch Errichtung eines
Mals für Hermann, bethätigen. Was liegt nicht alles in unserer Zeit! Wer
das Zeug dazu hat, sie recht zu packen, der macht wohl noch anderes als Denk¬
mäler!"

Schon von dieser Zeit an hat Freiligratl) im wesentlichen mit der Periode
der Wüsten-, Urwald- und Mecresdichtung abgeschlossen und wendet sich in


cArcuzdvwi 1. l882, 82
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[0653] Freiligrath in seinen Briefen. (Schluß.) er große Erfolg, den seine erste Gedichtsammlung hatte, ermutigte Freiligratl,, und die alljährlich sich folgenden neuen Auflagen er-' möglichem es eben, »och einmal, und zwar für längere Zeit, die verhaßte Knechtschaft des CvmPtoirdieusteS abzuschütteln. Sieben Jahre, von l839 bis 1846, war es ihm auf diese Weise vergönnt, mit wechselndem Aufenthalt, meist an seinem vielgepriesenen Rhein, ganz sich selbst, seinen Studie» und feiner Muße zu leben. Sie überzeugten ihn aber auch aufs neue, daß er zum schriftstellerische Beruf nicht lange; es fehlte ihm dazu, bei allem Fleiße, die literarische Betriebsamkeit, wie so manche begonnene und nicht zu Ende geführte Unternehmung beweist. Mit männlichem Entschlüsse und richtiger Einsicht kehrte er daher auch später, als äußere Verhältnisse es ihm nahe legten, zu dein verlassenen Broterwerb zurück. In diese Periode fällt seine Umwandlung zum politischen Dichter. Höchst überraschend wirkte es, als er l8 14 von Aßmannshausen aus sein „Glaubens¬ bekenntnis" kühn in die Welt schleuderte und sich darin mit einemmale von einer so ganz neuen Seite zeigte, Und doch war diese Umwandlung schon seit langem vorbereitet und ganz allmählich vor sich gegangen. Schon das Geschick der Göttinger Sieben und das Auftreten der frei¬ sinnigen österreichischen Poeten Anastasius Grün und >Karl Beck hatte Freiligratl, seinerzeit mächtig ergriffen. Im Mai 1838 schreibt er- „Ob Hölty auch wohl Mailicder gemacht hätte, wen» Anno 1773 sieben Professoren Mr urclrs alö MM exilirt worden wären? — 's ist eine schwüle Zeit; der Poet steht ver¬ einsamt in ihr, ein überflüssiges Gerät! — Wohl ihm, wenn er die Interessen der Zeit so zu erfassen versteht, wie in neuester Zeit Grün und Beck. — Des letzteren Nächte, Gepanzerte Lieder kann ich dir nicht genug empfehlen! Der edelste Liberalismus und dabei eine Phantasie, wie Feuer und Flammen. Bild aus Bild, Blitz auf Blitz, Streich auf Streich." Und ein paar Monate später, bei Gelegenheit des auf der Grotenburg zu errichtenden Hermaunsdeukmales, in ähnlicher Weise- „Ich dächte, in einer Zeit, wo die Göttinger Sieben, und unter ihnen ein Jakob Grimm, Landes verwiesen werden, könnte sich der deutsche Putriotismus mich noch wohl anders und schöner, als dnrch Errichtung eines Mals für Hermann, bethätigen. Was liegt nicht alles in unserer Zeit! Wer das Zeug dazu hat, sie recht zu packen, der macht wohl noch anderes als Denk¬ mäler!" Schon von dieser Zeit an hat Freiligratl) im wesentlichen mit der Periode der Wüsten-, Urwald- und Mecresdichtung abgeschlossen und wendet sich in cArcuzdvwi 1. l882, 82

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/653>, abgerufen am 05.05.2024.