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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Gambettas nnlitärisches Programm und das deutsche Heer.

Die Menge läuft diesem nach wie die Heerde dem Leithammel; sie hat von dem
Charakter, der Intelligenz und dem sonstigen Werte des ihr von jenem vorge¬
schlagenen Kandidaten in der Regel keine Vorstellung. Die Ergebnisse der Wahlen
würden dieselben sein, wenn man statt des großen Haufens nur die Bearbeiter
desselben, die Volkstribunen, die Prcßjuden und die Wühler von Metier, welche
die Herstellung der öffentlichen Meinung zu besorgen pflegen, wählen ließe. Dieser
Agitation aber ist das Wohl des Staates und seiner Bürger vollkommen gleich-
giltig. Ihre Gedanken richten sich lediglich auf den Vorteil, auf die Mehrung
und den Glanz und Einfluß ihrer Fraktion, die ihrerseits oft nichts anderes
als ein Haufe von Strebern ist.




Gambettas militärisches Programm
und das deutsche Heer.")

er neue französische Ministerpräsident hat kurz vor seinem Amts¬
antritt in öffentlicher Versammlung die Grundsätze der Verbesse¬
rungen entwickelt, welche er nährend seiner Amtsthätigkeit im fran¬
zösischen Heerwesen durchzuführen gedenkt. Dieselben bestehen in
folgenden Hauptpunkten: Einführung dreijähriger Dienstzeit für
alle dienstpflichtigen und wehrfähigen Franzosen, also nicht nnr Abschaffung
der fünfjährigen Dienstzeit der Wehrpflichtigen erster Klasse, sondern auch Auf¬
hebung der zweiten Klasse der Wehrpflichtigen, welche seither nur sechs Monate
ausgebildet wurde, endlich auch Aufhebung des einjährig-freiwilligen Dienstes.
Im Gefolge dieser tiefgreifenden organisatorischen Maßregeln wünscht Gambettn
noch eine Bestimmung in das Militärgcsctz aufgenommen zu sehen, welche an
Bedeutung alle ander" Änderungen noch weit übertrifft: Die Bestimmung, daß
in Zukunft kein Franzose ein Staatsamt bekleiden soll, der nicht
mindestens ein Jahr als Unteroffizier im Heere gedient hat.

Dieses militärische Programm des genialen französischen Staatsmannes ist
unseres Wissens bis jetzt weder in den Militürzeituugeu, noch in der politischen
Tagespresse unseres Vaterlandes genügend gewürdigt worden. Und doch richtet
sich die Spitze desselben direct gegen das deutsche Reich, und Deutschland hat vor
allen andern Ländern Europas die Aufgabe, diesen Plänen seines hervorragendsten
Widersachers die größte Aufmerksamkeit zu widmen.



Wir haben diesem von echt patriotischer Gesinnung eingegebenen und in hohem Grade
anregenden Artikel die Aufnahme nicht versagen wollen, obwohl wir nicht mit allen Einzel¬
D. Red. heiten desselben übereinstimmen.
Gambettas nnlitärisches Programm und das deutsche Heer.

Die Menge läuft diesem nach wie die Heerde dem Leithammel; sie hat von dem
Charakter, der Intelligenz und dem sonstigen Werte des ihr von jenem vorge¬
schlagenen Kandidaten in der Regel keine Vorstellung. Die Ergebnisse der Wahlen
würden dieselben sein, wenn man statt des großen Haufens nur die Bearbeiter
desselben, die Volkstribunen, die Prcßjuden und die Wühler von Metier, welche
die Herstellung der öffentlichen Meinung zu besorgen pflegen, wählen ließe. Dieser
Agitation aber ist das Wohl des Staates und seiner Bürger vollkommen gleich-
giltig. Ihre Gedanken richten sich lediglich auf den Vorteil, auf die Mehrung
und den Glanz und Einfluß ihrer Fraktion, die ihrerseits oft nichts anderes
als ein Haufe von Strebern ist.




Gambettas militärisches Programm
und das deutsche Heer.")

er neue französische Ministerpräsident hat kurz vor seinem Amts¬
antritt in öffentlicher Versammlung die Grundsätze der Verbesse¬
rungen entwickelt, welche er nährend seiner Amtsthätigkeit im fran¬
zösischen Heerwesen durchzuführen gedenkt. Dieselben bestehen in
folgenden Hauptpunkten: Einführung dreijähriger Dienstzeit für
alle dienstpflichtigen und wehrfähigen Franzosen, also nicht nnr Abschaffung
der fünfjährigen Dienstzeit der Wehrpflichtigen erster Klasse, sondern auch Auf¬
hebung der zweiten Klasse der Wehrpflichtigen, welche seither nur sechs Monate
ausgebildet wurde, endlich auch Aufhebung des einjährig-freiwilligen Dienstes.
Im Gefolge dieser tiefgreifenden organisatorischen Maßregeln wünscht Gambettn
noch eine Bestimmung in das Militärgcsctz aufgenommen zu sehen, welche an
Bedeutung alle ander» Änderungen noch weit übertrifft: Die Bestimmung, daß
in Zukunft kein Franzose ein Staatsamt bekleiden soll, der nicht
mindestens ein Jahr als Unteroffizier im Heere gedient hat.

Dieses militärische Programm des genialen französischen Staatsmannes ist
unseres Wissens bis jetzt weder in den Militürzeituugeu, noch in der politischen
Tagespresse unseres Vaterlandes genügend gewürdigt worden. Und doch richtet
sich die Spitze desselben direct gegen das deutsche Reich, und Deutschland hat vor
allen andern Ländern Europas die Aufgabe, diesen Plänen seines hervorragendsten
Widersachers die größte Aufmerksamkeit zu widmen.



Wir haben diesem von echt patriotischer Gesinnung eingegebenen und in hohem Grade
anregenden Artikel die Aufnahme nicht versagen wollen, obwohl wir nicht mit allen Einzel¬
D. Red. heiten desselben übereinstimmen.
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[0074] Gambettas nnlitärisches Programm und das deutsche Heer. Die Menge läuft diesem nach wie die Heerde dem Leithammel; sie hat von dem Charakter, der Intelligenz und dem sonstigen Werte des ihr von jenem vorge¬ schlagenen Kandidaten in der Regel keine Vorstellung. Die Ergebnisse der Wahlen würden dieselben sein, wenn man statt des großen Haufens nur die Bearbeiter desselben, die Volkstribunen, die Prcßjuden und die Wühler von Metier, welche die Herstellung der öffentlichen Meinung zu besorgen pflegen, wählen ließe. Dieser Agitation aber ist das Wohl des Staates und seiner Bürger vollkommen gleich- giltig. Ihre Gedanken richten sich lediglich auf den Vorteil, auf die Mehrung und den Glanz und Einfluß ihrer Fraktion, die ihrerseits oft nichts anderes als ein Haufe von Strebern ist. Gambettas militärisches Programm und das deutsche Heer.") er neue französische Ministerpräsident hat kurz vor seinem Amts¬ antritt in öffentlicher Versammlung die Grundsätze der Verbesse¬ rungen entwickelt, welche er nährend seiner Amtsthätigkeit im fran¬ zösischen Heerwesen durchzuführen gedenkt. Dieselben bestehen in folgenden Hauptpunkten: Einführung dreijähriger Dienstzeit für alle dienstpflichtigen und wehrfähigen Franzosen, also nicht nnr Abschaffung der fünfjährigen Dienstzeit der Wehrpflichtigen erster Klasse, sondern auch Auf¬ hebung der zweiten Klasse der Wehrpflichtigen, welche seither nur sechs Monate ausgebildet wurde, endlich auch Aufhebung des einjährig-freiwilligen Dienstes. Im Gefolge dieser tiefgreifenden organisatorischen Maßregeln wünscht Gambettn noch eine Bestimmung in das Militärgcsctz aufgenommen zu sehen, welche an Bedeutung alle ander» Änderungen noch weit übertrifft: Die Bestimmung, daß in Zukunft kein Franzose ein Staatsamt bekleiden soll, der nicht mindestens ein Jahr als Unteroffizier im Heere gedient hat. Dieses militärische Programm des genialen französischen Staatsmannes ist unseres Wissens bis jetzt weder in den Militürzeituugeu, noch in der politischen Tagespresse unseres Vaterlandes genügend gewürdigt worden. Und doch richtet sich die Spitze desselben direct gegen das deutsche Reich, und Deutschland hat vor allen andern Ländern Europas die Aufgabe, diesen Plänen seines hervorragendsten Widersachers die größte Aufmerksamkeit zu widmen. Wir haben diesem von echt patriotischer Gesinnung eingegebenen und in hohem Grade anregenden Artikel die Aufnahme nicht versagen wollen, obwohl wir nicht mit allen Einzel¬ D. Red. heiten desselben übereinstimmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/74>, abgerufen am 06.05.2024.