Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal.Gambetta und die Lage in Frankreich. le lichten Gemeinderatswahlen in Frankreich waren kein Zeugnis Grmzl'von N. 1882, 8-Z
Gambetta und die Lage in Frankreich. le lichten Gemeinderatswahlen in Frankreich waren kein Zeugnis Grmzl'von N. 1882, 8-Z
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/87062"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341835_89806/figures/grenzboten_341835_89806_87062_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Gambetta und die Lage in Frankreich.</head><lb/> <p xml:id="ID_1054"> le lichten Gemeinderatswahlen in Frankreich waren kein Zeugnis<lb/> dafür, daß dort die Rechte, welche die Republik ihren Bürgern<lb/> zugestanden hat, von diese» besonders hoch gehalten und fleißig<lb/> verwertet werden. Im Gegenteil, man könnte die schwache Be¬<lb/> teiligung der Berechtigten an diesen Wahlen als Beweis für die<lb/> Gleichgiltigkeit verwenden, welche das Publikum jenen Rechten gegenüber er¬<lb/> füllt. Etwa tausend Gemeinden hatten ihre Vertretungen zu ergänzen, und<lb/> siehe da, in vielen Orten war die Teilnahmlosigkeit so groß, daß die Gewählten<lb/> nur wenige hundert Stimmen auf sich vereinigten, ja es gab Städte, wo gar<lb/> keine Wahl zustande kam. In Toulouse fehlte es sogar — ein beispielloser<lb/> Fall — um einem Kandidaten. In Arles gaben von etwa siebentausend Wäh¬<lb/> lern nicht ganz dreihundert ihre Stimme ab, in Aix von ungefähr ebensovielen<lb/> etwa tausend, in Villefranche von mehr als viertausend nur 122. Rheims zählt<lb/> 22 601 eingeschriebene Wühler, und der Kandidat, welcher an der Spitze der<lb/> Liste durchdrang, erhielt 433 Stimmen, an ihn schlössen sich drei kommunistische<lb/> Arbeiter, die sämmtlich grober Verbrechen wegen angeklagt, beziehentlich verurteilt<lb/> waren, mit je 240 Stimmen an. Am stärksten noch war die Beteiligung in<lb/> Marseille, aber auch hier gaben von 64 821 Wahlberechtigten nur 19 248 ihr<lb/> Votum ub. Diese Erscheinungen gestatten Schlüsse, welche der Republik nicht<lb/> günstig sind. Sie müssen die Freunde derselben stutzig machen und die Gegen¬<lb/> partei ermutigen. Die 1870 gegründete und später stark angefochtene und schwer<lb/> gefährdete Staatsform Frankreichs ist der großen Mehrheit des Volkes offen¬<lb/> bar noch nicht so in Fleisch und Blut übergegangen, daß man eine Abwen¬<lb/> dung der öffentlichen Meinung von ihr für ein Ding der Unmöglichkeit zu halten<lb/> genötigt wäre.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grmzl'von N. 1882, 8-Z</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
[Abbildung]
Gambetta und die Lage in Frankreich.
le lichten Gemeinderatswahlen in Frankreich waren kein Zeugnis
dafür, daß dort die Rechte, welche die Republik ihren Bürgern
zugestanden hat, von diese» besonders hoch gehalten und fleißig
verwertet werden. Im Gegenteil, man könnte die schwache Be¬
teiligung der Berechtigten an diesen Wahlen als Beweis für die
Gleichgiltigkeit verwenden, welche das Publikum jenen Rechten gegenüber er¬
füllt. Etwa tausend Gemeinden hatten ihre Vertretungen zu ergänzen, und
siehe da, in vielen Orten war die Teilnahmlosigkeit so groß, daß die Gewählten
nur wenige hundert Stimmen auf sich vereinigten, ja es gab Städte, wo gar
keine Wahl zustande kam. In Toulouse fehlte es sogar — ein beispielloser
Fall — um einem Kandidaten. In Arles gaben von etwa siebentausend Wäh¬
lern nicht ganz dreihundert ihre Stimme ab, in Aix von ungefähr ebensovielen
etwa tausend, in Villefranche von mehr als viertausend nur 122. Rheims zählt
22 601 eingeschriebene Wühler, und der Kandidat, welcher an der Spitze der
Liste durchdrang, erhielt 433 Stimmen, an ihn schlössen sich drei kommunistische
Arbeiter, die sämmtlich grober Verbrechen wegen angeklagt, beziehentlich verurteilt
waren, mit je 240 Stimmen an. Am stärksten noch war die Beteiligung in
Marseille, aber auch hier gaben von 64 821 Wahlberechtigten nur 19 248 ihr
Votum ub. Diese Erscheinungen gestatten Schlüsse, welche der Republik nicht
günstig sind. Sie müssen die Freunde derselben stutzig machen und die Gegen¬
partei ermutigen. Die 1870 gegründete und später stark angefochtene und schwer
gefährdete Staatsform Frankreichs ist der großen Mehrheit des Volkes offen¬
bar noch nicht so in Fleisch und Blut übergegangen, daß man eine Abwen¬
dung der öffentlichen Meinung von ihr für ein Ding der Unmöglichkeit zu halten
genötigt wäre.
Grmzl'von N. 1882, 8-Z
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |