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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal.

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Der Anfang vom Ende der ägyptischen Wirren.

it der Herrschaft der ägyptischen Nationalpartei scheint es zu Ende
zu gehen, seit sich die Westmächte unter sich und, wie anzunehmen,
mit deu übrigen Großmächten Europas über ein geeignetes Ein¬
schreiten geeinigt haben. Am Sonnabend sind die Panzerschiffe, mit
denen England und Frankreich vor der Haupthandelsstadt Ägyptens
zunächst zu demonstriren beabsichtigen, im Hafen von Alexnudrien
eingetroffen, und einige Tage vorher erklärte Lord Grenville im englischen Ober-
hnnse, daß die Lage sich gebessert habe, wenn sie auch immer noch Schwierig¬
keiten zeige. Der Chedive Tewfik habe sich in der letzten Zeit entschlossener
als früher verhalten, den Zumutungen Arabi Paschas kräftiger widerstanden
und die Notabeln für sich gewonnen, und nur, weil er noch von der Möglich¬
keit bedroht sei, durch physische Gewalt bezwungen zu werden, habe man die
Panzcrgeschwader nach Alexandrien beordert. "Wir haben," bemerkte er weiter,
"die Maßregeln, die wir zur Unterstützung unserer Politik für wünschenswert
hielten, allen Großmächten und der Pforte mitgeteilt, und sie haben denselben
sämmtlich zugestimmt. Wir sind anch zu einem vollständigen Einvernehmen mit
Frankreich gelangt, soweit sichs um den Weg in Betreff gewisser Möglichkeiten
handelt, aber ich hoffe zuversichtlich, daß solche Möglichkeiten sich nicht verwirk¬
lichen und daß in Ägypten Friede, Ordnung und Wohlfahrt ohne Umwendung
von Gewalt wiederherzustellen sein werden," Über jenen Weg erklärte sich der
Minister nicht näher. Ebensowenig geschah dies von selten Dilkes. der im
Unterhause ähnliche Eröffnungen machte. Indeß leidet es keinen Zweifel-mehr,
daß man in Airis seinen Einspruch gegen die Verwendung türkischer Truppen
in Ägypten, falls sie noch nötig werden sollte, aufgegeben hat.

Niemand kann behaupten, daß die schließliche Intervention Europas, dessen
Mandatare die Westmächte als die am meisten beteiligten sind, vorschnell er¬
folgt sei. Im Gegenteil, manche werden meinen, daß der entscheidende Schritt
zu lauge aufgeschoben worden sei, da Arabi und seine AnHanger durch das
Zögern mit demselben offenbar ermutigt und zu größeren Ansprüchen veranlaßt
wurden. Die Führer der Nationalpartei gingen im Vertrauen darauf, daß die
Meinungsverschiedenheit zwischen Paris und London es zu keinem energischen
Entschlüsse kommen lassen würde, zu weit: sie verletzten den Sultan, sie drängten
den Chedive zum Widerstande gegen ihre Forderungen, sie forderten die West¬
mächte dnrch Bedrohung und Untergrabung der Kontrolle, welche denselben über
die ägyptischen Finanzen zustand, zum Einschreite" heraus', sie verfuhren, mit
einem Worte, unpolitisch, und so kaun man nicht umhin, ihr Auftreten, obwohl
manche ihrer Ziele wohlberechtigt erschiene!?, zu verurteilen.

Als im vorigen Sommer die Empörung der ägyptische" Obersten gegen
den Chedive ausbrach, ließen die Mächte dieselbe gewähren. Greenville erklärte
den Meuterern zwar in einer Depesche, England und Frankreich, die Wächter
der Kontrolle, würden nicht dulden, daß die Sache mit anarchischen Zuständen
endige. Dann aber gingen die Dinge ihren Gang, wie Arabi und seine Partei
es wünschten, d. h. sie entwickelten sich immer mehr zu Ausschluß des euro-


Der Anfang vom Ende der ägyptischen Wirren.

it der Herrschaft der ägyptischen Nationalpartei scheint es zu Ende
zu gehen, seit sich die Westmächte unter sich und, wie anzunehmen,
mit deu übrigen Großmächten Europas über ein geeignetes Ein¬
schreiten geeinigt haben. Am Sonnabend sind die Panzerschiffe, mit
denen England und Frankreich vor der Haupthandelsstadt Ägyptens
zunächst zu demonstriren beabsichtigen, im Hafen von Alexnudrien
eingetroffen, und einige Tage vorher erklärte Lord Grenville im englischen Ober-
hnnse, daß die Lage sich gebessert habe, wenn sie auch immer noch Schwierig¬
keiten zeige. Der Chedive Tewfik habe sich in der letzten Zeit entschlossener
als früher verhalten, den Zumutungen Arabi Paschas kräftiger widerstanden
und die Notabeln für sich gewonnen, und nur, weil er noch von der Möglich¬
keit bedroht sei, durch physische Gewalt bezwungen zu werden, habe man die
Panzcrgeschwader nach Alexandrien beordert. „Wir haben," bemerkte er weiter,
„die Maßregeln, die wir zur Unterstützung unserer Politik für wünschenswert
hielten, allen Großmächten und der Pforte mitgeteilt, und sie haben denselben
sämmtlich zugestimmt. Wir sind anch zu einem vollständigen Einvernehmen mit
Frankreich gelangt, soweit sichs um den Weg in Betreff gewisser Möglichkeiten
handelt, aber ich hoffe zuversichtlich, daß solche Möglichkeiten sich nicht verwirk¬
lichen und daß in Ägypten Friede, Ordnung und Wohlfahrt ohne Umwendung
von Gewalt wiederherzustellen sein werden," Über jenen Weg erklärte sich der
Minister nicht näher. Ebensowenig geschah dies von selten Dilkes. der im
Unterhause ähnliche Eröffnungen machte. Indeß leidet es keinen Zweifel-mehr,
daß man in Airis seinen Einspruch gegen die Verwendung türkischer Truppen
in Ägypten, falls sie noch nötig werden sollte, aufgegeben hat.

Niemand kann behaupten, daß die schließliche Intervention Europas, dessen
Mandatare die Westmächte als die am meisten beteiligten sind, vorschnell er¬
folgt sei. Im Gegenteil, manche werden meinen, daß der entscheidende Schritt
zu lauge aufgeschoben worden sei, da Arabi und seine AnHanger durch das
Zögern mit demselben offenbar ermutigt und zu größeren Ansprüchen veranlaßt
wurden. Die Führer der Nationalpartei gingen im Vertrauen darauf, daß die
Meinungsverschiedenheit zwischen Paris und London es zu keinem energischen
Entschlüsse kommen lassen würde, zu weit: sie verletzten den Sultan, sie drängten
den Chedive zum Widerstande gegen ihre Forderungen, sie forderten die West¬
mächte dnrch Bedrohung und Untergrabung der Kontrolle, welche denselben über
die ägyptischen Finanzen zustand, zum Einschreite» heraus', sie verfuhren, mit
einem Worte, unpolitisch, und so kaun man nicht umhin, ihr Auftreten, obwohl
manche ihrer Ziele wohlberechtigt erschiene!?, zu verurteilen.

Als im vorigen Sommer die Empörung der ägyptische» Obersten gegen
den Chedive ausbrach, ließen die Mächte dieselbe gewähren. Greenville erklärte
den Meuterern zwar in einer Depesche, England und Frankreich, die Wächter
der Kontrolle, würden nicht dulden, daß die Sache mit anarchischen Zuständen
endige. Dann aber gingen die Dinge ihren Gang, wie Arabi und seine Partei
es wünschten, d. h. sie entwickelten sich immer mehr zu Ausschluß des euro-


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[0451] Der Anfang vom Ende der ägyptischen Wirren. it der Herrschaft der ägyptischen Nationalpartei scheint es zu Ende zu gehen, seit sich die Westmächte unter sich und, wie anzunehmen, mit deu übrigen Großmächten Europas über ein geeignetes Ein¬ schreiten geeinigt haben. Am Sonnabend sind die Panzerschiffe, mit denen England und Frankreich vor der Haupthandelsstadt Ägyptens zunächst zu demonstriren beabsichtigen, im Hafen von Alexnudrien eingetroffen, und einige Tage vorher erklärte Lord Grenville im englischen Ober- hnnse, daß die Lage sich gebessert habe, wenn sie auch immer noch Schwierig¬ keiten zeige. Der Chedive Tewfik habe sich in der letzten Zeit entschlossener als früher verhalten, den Zumutungen Arabi Paschas kräftiger widerstanden und die Notabeln für sich gewonnen, und nur, weil er noch von der Möglich¬ keit bedroht sei, durch physische Gewalt bezwungen zu werden, habe man die Panzcrgeschwader nach Alexandrien beordert. „Wir haben," bemerkte er weiter, „die Maßregeln, die wir zur Unterstützung unserer Politik für wünschenswert hielten, allen Großmächten und der Pforte mitgeteilt, und sie haben denselben sämmtlich zugestimmt. Wir sind anch zu einem vollständigen Einvernehmen mit Frankreich gelangt, soweit sichs um den Weg in Betreff gewisser Möglichkeiten handelt, aber ich hoffe zuversichtlich, daß solche Möglichkeiten sich nicht verwirk¬ lichen und daß in Ägypten Friede, Ordnung und Wohlfahrt ohne Umwendung von Gewalt wiederherzustellen sein werden," Über jenen Weg erklärte sich der Minister nicht näher. Ebensowenig geschah dies von selten Dilkes. der im Unterhause ähnliche Eröffnungen machte. Indeß leidet es keinen Zweifel-mehr, daß man in Airis seinen Einspruch gegen die Verwendung türkischer Truppen in Ägypten, falls sie noch nötig werden sollte, aufgegeben hat. Niemand kann behaupten, daß die schließliche Intervention Europas, dessen Mandatare die Westmächte als die am meisten beteiligten sind, vorschnell er¬ folgt sei. Im Gegenteil, manche werden meinen, daß der entscheidende Schritt zu lauge aufgeschoben worden sei, da Arabi und seine AnHanger durch das Zögern mit demselben offenbar ermutigt und zu größeren Ansprüchen veranlaßt wurden. Die Führer der Nationalpartei gingen im Vertrauen darauf, daß die Meinungsverschiedenheit zwischen Paris und London es zu keinem energischen Entschlüsse kommen lassen würde, zu weit: sie verletzten den Sultan, sie drängten den Chedive zum Widerstande gegen ihre Forderungen, sie forderten die West¬ mächte dnrch Bedrohung und Untergrabung der Kontrolle, welche denselben über die ägyptischen Finanzen zustand, zum Einschreite» heraus', sie verfuhren, mit einem Worte, unpolitisch, und so kaun man nicht umhin, ihr Auftreten, obwohl manche ihrer Ziele wohlberechtigt erschiene!?, zu verurteilen. Als im vorigen Sommer die Empörung der ägyptische» Obersten gegen den Chedive ausbrach, ließen die Mächte dieselbe gewähren. Greenville erklärte den Meuterern zwar in einer Depesche, England und Frankreich, die Wächter der Kontrolle, würden nicht dulden, daß die Sache mit anarchischen Zuständen endige. Dann aber gingen die Dinge ihren Gang, wie Arabi und seine Partei es wünschten, d. h. sie entwickelten sich immer mehr zu Ausschluß des euro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89806/451>, abgerufen am 02.05.2024.