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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal.

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Die Juden in "Österreich,

in Acht nehmen. Was auch die türkischen Kommissäre mit Erfolg vornehmen
mögen, Ägypten darf nicht wieder eine Provinz des Osmancnreichs werden, es
muß im großen und ganzen die halbe Unabhängigkeit behalten, die ihm durch
verschiedene Fermcmc verbürgt ist, dem Volke müssen die Wohlthaten verbleiben,
die ihm unter der internationalen Kontrole zu Teil wurden, und die europäischen
Gläubiger dürfen in keine ungünstigere Stellung gebracht werden als die gegen¬
wärtige. Fragt man, weshalb sich denn der Sultan so viel Mühe geben solle,
da sie nur deu Engländer", den Franzosen und den Ägyptern zu Gute kommen
würde, so antworten wir: Erstens muß es seinem Stolze schmeicheln, wenn er
sieht, daß er Erfolg hat, wo die Westmächte nichts erreichten; sodann ist er
unzweifelhaft bestrebt, seinen Einfluß auf die Welt des Islam auszudehnen, und
er wird darin so weit gehen, als er ohne große Gefahr gehen kann; endlich aber
wünscht er ohne alle Frage einer neuen Konferenz vorzubeugen. Er wird in¬
folge dessen sein Äußerstes thun, um den Wirren am Nil so schleunig als möglich
ein Ende zu machen, und wir können ihm dazu "ur Erfolg wünschen.




Die Zudem in Österreich.

er Ausgleich des Herrn von Beust und der dadurch geschaffene
unglückselige politische Dualismus hat in dem vielgestaltigen öster-
reichischen Kaiserstaate wohl den ersten Grund gelegt zu dem
Kampfe der Rassen und Nationalitäten, dessen Zeugen wir jetzt
sind. Dabei überrascht den außerhalb der Verhältnisse stehenden
die Thatsache, daß dieser Nationalitätenkampf wie in Ungarn, so von selten der
Czechen sich konzentrirt in einem allgemeinen Haß gegen das deutsche Element,
gegen jenen Stamm, den wir nicht allein als das Fundament der Intelligenz
und Bildung, sondern auch als das eigentliche Mark, den zusammenhaltenden
Kitt der Monarchie zu betrachten gewohnt sind. Indeß wollen wir uns hier
nicht in Betrachtungen ergehen über die innere Berechtigung dieser Gegensätze,
oder gar die Waffen für oder wider erheben, sondern wir begnügen uns damit,
die Aufmerksamkeit unsrer Leser auf das jüdische Element innerhalb der großen
Zahl von Völkerstcimmeu zu richten, die unter dem Habsburgischen Zepter ver¬
einigt sind. Wir glauben eine gewisse Berechtigung zu unsrer Darstellung aus
dem Umstände schöpfen zu dürfen, daß man bisher die Stellung und die In¬
teressen des Deutschtums in sämmtlichen österreichischen Landen mit denen der
jüdischen Bevölkerung in eigentümlicher Weise verschmolzen und verquickt faud.
In neuester Zeit hat sich das wesentlich und nach unsrer Auffassung zum Besseren


Die Juden in «Österreich,

in Acht nehmen. Was auch die türkischen Kommissäre mit Erfolg vornehmen
mögen, Ägypten darf nicht wieder eine Provinz des Osmancnreichs werden, es
muß im großen und ganzen die halbe Unabhängigkeit behalten, die ihm durch
verschiedene Fermcmc verbürgt ist, dem Volke müssen die Wohlthaten verbleiben,
die ihm unter der internationalen Kontrole zu Teil wurden, und die europäischen
Gläubiger dürfen in keine ungünstigere Stellung gebracht werden als die gegen¬
wärtige. Fragt man, weshalb sich denn der Sultan so viel Mühe geben solle,
da sie nur deu Engländer», den Franzosen und den Ägyptern zu Gute kommen
würde, so antworten wir: Erstens muß es seinem Stolze schmeicheln, wenn er
sieht, daß er Erfolg hat, wo die Westmächte nichts erreichten; sodann ist er
unzweifelhaft bestrebt, seinen Einfluß auf die Welt des Islam auszudehnen, und
er wird darin so weit gehen, als er ohne große Gefahr gehen kann; endlich aber
wünscht er ohne alle Frage einer neuen Konferenz vorzubeugen. Er wird in¬
folge dessen sein Äußerstes thun, um den Wirren am Nil so schleunig als möglich
ein Ende zu machen, und wir können ihm dazu »ur Erfolg wünschen.




Die Zudem in Österreich.

er Ausgleich des Herrn von Beust und der dadurch geschaffene
unglückselige politische Dualismus hat in dem vielgestaltigen öster-
reichischen Kaiserstaate wohl den ersten Grund gelegt zu dem
Kampfe der Rassen und Nationalitäten, dessen Zeugen wir jetzt
sind. Dabei überrascht den außerhalb der Verhältnisse stehenden
die Thatsache, daß dieser Nationalitätenkampf wie in Ungarn, so von selten der
Czechen sich konzentrirt in einem allgemeinen Haß gegen das deutsche Element,
gegen jenen Stamm, den wir nicht allein als das Fundament der Intelligenz
und Bildung, sondern auch als das eigentliche Mark, den zusammenhaltenden
Kitt der Monarchie zu betrachten gewohnt sind. Indeß wollen wir uns hier
nicht in Betrachtungen ergehen über die innere Berechtigung dieser Gegensätze,
oder gar die Waffen für oder wider erheben, sondern wir begnügen uns damit,
die Aufmerksamkeit unsrer Leser auf das jüdische Element innerhalb der großen
Zahl von Völkerstcimmeu zu richten, die unter dem Habsburgischen Zepter ver¬
einigt sind. Wir glauben eine gewisse Berechtigung zu unsrer Darstellung aus
dem Umstände schöpfen zu dürfen, daß man bisher die Stellung und die In¬
teressen des Deutschtums in sämmtlichen österreichischen Landen mit denen der
jüdischen Bevölkerung in eigentümlicher Weise verschmolzen und verquickt faud.
In neuester Zeit hat sich das wesentlich und nach unsrer Auffassung zum Besseren


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[0631] Die Juden in «Österreich, in Acht nehmen. Was auch die türkischen Kommissäre mit Erfolg vornehmen mögen, Ägypten darf nicht wieder eine Provinz des Osmancnreichs werden, es muß im großen und ganzen die halbe Unabhängigkeit behalten, die ihm durch verschiedene Fermcmc verbürgt ist, dem Volke müssen die Wohlthaten verbleiben, die ihm unter der internationalen Kontrole zu Teil wurden, und die europäischen Gläubiger dürfen in keine ungünstigere Stellung gebracht werden als die gegen¬ wärtige. Fragt man, weshalb sich denn der Sultan so viel Mühe geben solle, da sie nur deu Engländer», den Franzosen und den Ägyptern zu Gute kommen würde, so antworten wir: Erstens muß es seinem Stolze schmeicheln, wenn er sieht, daß er Erfolg hat, wo die Westmächte nichts erreichten; sodann ist er unzweifelhaft bestrebt, seinen Einfluß auf die Welt des Islam auszudehnen, und er wird darin so weit gehen, als er ohne große Gefahr gehen kann; endlich aber wünscht er ohne alle Frage einer neuen Konferenz vorzubeugen. Er wird in¬ folge dessen sein Äußerstes thun, um den Wirren am Nil so schleunig als möglich ein Ende zu machen, und wir können ihm dazu »ur Erfolg wünschen. Die Zudem in Österreich. er Ausgleich des Herrn von Beust und der dadurch geschaffene unglückselige politische Dualismus hat in dem vielgestaltigen öster- reichischen Kaiserstaate wohl den ersten Grund gelegt zu dem Kampfe der Rassen und Nationalitäten, dessen Zeugen wir jetzt sind. Dabei überrascht den außerhalb der Verhältnisse stehenden die Thatsache, daß dieser Nationalitätenkampf wie in Ungarn, so von selten der Czechen sich konzentrirt in einem allgemeinen Haß gegen das deutsche Element, gegen jenen Stamm, den wir nicht allein als das Fundament der Intelligenz und Bildung, sondern auch als das eigentliche Mark, den zusammenhaltenden Kitt der Monarchie zu betrachten gewohnt sind. Indeß wollen wir uns hier nicht in Betrachtungen ergehen über die innere Berechtigung dieser Gegensätze, oder gar die Waffen für oder wider erheben, sondern wir begnügen uns damit, die Aufmerksamkeit unsrer Leser auf das jüdische Element innerhalb der großen Zahl von Völkerstcimmeu zu richten, die unter dem Habsburgischen Zepter ver¬ einigt sind. Wir glauben eine gewisse Berechtigung zu unsrer Darstellung aus dem Umstände schöpfen zu dürfen, daß man bisher die Stellung und die In¬ teressen des Deutschtums in sämmtlichen österreichischen Landen mit denen der jüdischen Bevölkerung in eigentümlicher Weise verschmolzen und verquickt faud. In neuester Zeit hat sich das wesentlich und nach unsrer Auffassung zum Besseren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89806/631>, abgerufen am 02.05.2024.