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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.
R August Niemcnin (Gotha). oman von
Das Recht der ÜbcrsetMng vorbc-
^leer. Nachdruc- Verbote", (FortsetzUNg.)

in Licht, welches durch die Gebüsche des Parks seinen Schein in
die Ferne entsandte, ließ Alfons bald wahrnehmen, daß die Villa
nicht leer stehe und daß er Hoffnung habe, Chepa zu Hause zu
finden. Er ging bis an das Gitter heran, wo er am Abend
vorher gelehnt und ihre Stimme wahrgenommen hatte. Heute
war es still, aber die Loggia war erleuchtet. Zwei Kuppeln von mattrotem
Glase auf vergoldeten Armen strahlten ein warmes Licht aus, und er erblickte
in der einen Ecke, an eine der schlanken Säulen gelehnt, das blauschwarze Haar
der Geliebten.

Sie war allein. Er überlegte einen kurzen Augenblick, schwang sich über
das Gitter, eilte die Stufen hinan, die zur Loggia führten und stand vor ihr.

Sie stieß einen leisen Schrei aus und fuhr empor.

Ich bin es, Chepa, sagte er.

Was wollen Sie? stieß sie hervor.

Er sah erstaunt und mit einer Art von Befriedigung die Veränderung,
welche mit ihr vorgegangen war. In den wenigen Monaten, welche verflossen
waren, seitdem er sie zuletzt gesehen hatte, mußte eine traurige Umwandlung
in ihrer Seelenstimmung stattgefunden haben. Davon gab der Ausdruck ihrer
Züge ein deutliches Zeugnis.

Meine Freundin, sagte er mit weicher Stimme, sind Sie denn erschreckt
durch meinen Anblick? Habe ich mir durch lange, treue, uneigennützige Freund¬
schaft denn nicht den Vorzug erworben, mit Freude begrüßt zu werden, wenn
ich nach so langer, schmerzlicher Trennung wieder vor der Freundin Augen trete?

Es ist wahr, entgegnete sie, sich wieder auf ihren Sitz niederlassend. Sie
waren immer ehrlich und gut. Seien Sie willkommen! Aber warum in der
Nacht und so heimlich?




Bakchen und Thyrsosträger.
R August Niemcnin (Gotha). oman von
Das Recht der ÜbcrsetMng vorbc-
^leer. Nachdruc- Verbote», (FortsetzUNg.)

in Licht, welches durch die Gebüsche des Parks seinen Schein in
die Ferne entsandte, ließ Alfons bald wahrnehmen, daß die Villa
nicht leer stehe und daß er Hoffnung habe, Chepa zu Hause zu
finden. Er ging bis an das Gitter heran, wo er am Abend
vorher gelehnt und ihre Stimme wahrgenommen hatte. Heute
war es still, aber die Loggia war erleuchtet. Zwei Kuppeln von mattrotem
Glase auf vergoldeten Armen strahlten ein warmes Licht aus, und er erblickte
in der einen Ecke, an eine der schlanken Säulen gelehnt, das blauschwarze Haar
der Geliebten.

Sie war allein. Er überlegte einen kurzen Augenblick, schwang sich über
das Gitter, eilte die Stufen hinan, die zur Loggia führten und stand vor ihr.

Sie stieß einen leisen Schrei aus und fuhr empor.

Ich bin es, Chepa, sagte er.

Was wollen Sie? stieß sie hervor.

Er sah erstaunt und mit einer Art von Befriedigung die Veränderung,
welche mit ihr vorgegangen war. In den wenigen Monaten, welche verflossen
waren, seitdem er sie zuletzt gesehen hatte, mußte eine traurige Umwandlung
in ihrer Seelenstimmung stattgefunden haben. Davon gab der Ausdruck ihrer
Züge ein deutliches Zeugnis.

Meine Freundin, sagte er mit weicher Stimme, sind Sie denn erschreckt
durch meinen Anblick? Habe ich mir durch lange, treue, uneigennützige Freund¬
schaft denn nicht den Vorzug erworben, mit Freude begrüßt zu werden, wenn
ich nach so langer, schmerzlicher Trennung wieder vor der Freundin Augen trete?

Es ist wahr, entgegnete sie, sich wieder auf ihren Sitz niederlassend. Sie
waren immer ehrlich und gut. Seien Sie willkommen! Aber warum in der
Nacht und so heimlich?


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[0653] [Abbildung] Bakchen und Thyrsosträger. R August Niemcnin (Gotha). oman von Das Recht der ÜbcrsetMng vorbc- ^leer. Nachdruc- Verbote», (FortsetzUNg.) in Licht, welches durch die Gebüsche des Parks seinen Schein in die Ferne entsandte, ließ Alfons bald wahrnehmen, daß die Villa nicht leer stehe und daß er Hoffnung habe, Chepa zu Hause zu finden. Er ging bis an das Gitter heran, wo er am Abend vorher gelehnt und ihre Stimme wahrgenommen hatte. Heute war es still, aber die Loggia war erleuchtet. Zwei Kuppeln von mattrotem Glase auf vergoldeten Armen strahlten ein warmes Licht aus, und er erblickte in der einen Ecke, an eine der schlanken Säulen gelehnt, das blauschwarze Haar der Geliebten. Sie war allein. Er überlegte einen kurzen Augenblick, schwang sich über das Gitter, eilte die Stufen hinan, die zur Loggia führten und stand vor ihr. Sie stieß einen leisen Schrei aus und fuhr empor. Ich bin es, Chepa, sagte er. Was wollen Sie? stieß sie hervor. Er sah erstaunt und mit einer Art von Befriedigung die Veränderung, welche mit ihr vorgegangen war. In den wenigen Monaten, welche verflossen waren, seitdem er sie zuletzt gesehen hatte, mußte eine traurige Umwandlung in ihrer Seelenstimmung stattgefunden haben. Davon gab der Ausdruck ihrer Züge ein deutliches Zeugnis. Meine Freundin, sagte er mit weicher Stimme, sind Sie denn erschreckt durch meinen Anblick? Habe ich mir durch lange, treue, uneigennützige Freund¬ schaft denn nicht den Vorzug erworben, mit Freude begrüßt zu werden, wenn ich nach so langer, schmerzlicher Trennung wieder vor der Freundin Augen trete? Es ist wahr, entgegnete sie, sich wieder auf ihren Sitz niederlassend. Sie waren immer ehrlich und gut. Seien Sie willkommen! Aber warum in der Nacht und so heimlich?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89806/653>, abgerufen am 02.05.2024.