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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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politische Briefe.
^. Lin vergangenes Lustrum.

n den letzten Dezcmbertagen des Jahres 1877 weilte Herr
von Bennigsen als Gast des Fürsten Bismarck in Varzin, Im
Herbst desselben Jahres hatte der Minister des Innern, der in¬
zwischen verstorbene Graf Friedrich Eulenburg, seine Entlassung
erbeten, statt deren aber vorläufig einen Urlaub auf sechs Mouate
erhalten. Der Minister fiir Landwirtschaft, Dr. Fricdenthal, verwaltete bis zur
Entscheidung über das Entlassnngsgesuch des Grafen Eulenburg dessen Mi¬
nisterium. Ende Dezember nun bot Fürst Bismarck Herrn von Bennigsen dieses
Ministerium an, das heißt, er erbot sich, dem Könige die Berufung des Herrn
von Bennigsen vorzuschlagen. Herr von Bennigsen, wie man weiß, machte die
Entscheidung von einer Rücksprache mit seinen Parteigenossen abhängig. Diese
legten ihm eine dreifache Bedingung auf, die er dem Kanzler zu stellen habe:
1. bei dem Plane, die Reichseinnahmen zu erhöhen, dürfe nicht vom Tabccks-
mvnopol die Rede sein; 2. neben Herrn von Bennigsen müßten noch einige
andre angesehene Nationalliberale in die Regierung treten; 3. bei der Ver¬
mehrung der Reichseinnahmen müßten konstitutionelle Garantien gegeben werden:
d. h. der Reichstag sowohl wie der preußische Landtag müßten ein erweitertes
Recht zur Streichung von Einnahmen erhalten. Wenn die Zeitungen damals
recht berichtet haben, so hat Fürst Bismarck auf diese Forderungen erwiedert,
auf dem Tabaksmonopol bestehe er nicht, wenn man andre zum Ziele führende
Vorschläge zu machen wisse; die beiden andern Punkte hat er zunächst aus¬
weichend behandelt.

Wir haben diese Vorgänge, die wohl, nachdem sie bei verschiednen Gelegen¬
heiten erörtert worden, so, wie wir sie angeführt, als festgestellt gelten dürfen,
noch einmal vergegenwärtigt, weil vom Dezember 1877 ein wichtiger Abschnitt
der innern deutschen Politik zu datiren ist. Im April desselben Jahres hatte
Fürst Bismarck dringend und ernstlich seinen Rücktritt von dem Kaiser erbeten.
Dieses Gesuch ist nicht das erste und nicht das letzte um die Gewährung des
Abschiedes gewesen. Allein in den andern Fällen hat es sich, wie man an¬
nehmen darf, um Meinungsverschiedenheiten über einzelne Fragen gehandelt.
Im April 1877 legte der Kanzler sich die Frage vor, ob er nicht an dem
Punkte seiner Thätigkeit angelangt sei, wo er dieselbe schließen müsse. Es
handelte sich für ihn um ein bedeutungsschweres Entweder -- Oder. Das


politische Briefe.
^. Lin vergangenes Lustrum.

n den letzten Dezcmbertagen des Jahres 1877 weilte Herr
von Bennigsen als Gast des Fürsten Bismarck in Varzin, Im
Herbst desselben Jahres hatte der Minister des Innern, der in¬
zwischen verstorbene Graf Friedrich Eulenburg, seine Entlassung
erbeten, statt deren aber vorläufig einen Urlaub auf sechs Mouate
erhalten. Der Minister fiir Landwirtschaft, Dr. Fricdenthal, verwaltete bis zur
Entscheidung über das Entlassnngsgesuch des Grafen Eulenburg dessen Mi¬
nisterium. Ende Dezember nun bot Fürst Bismarck Herrn von Bennigsen dieses
Ministerium an, das heißt, er erbot sich, dem Könige die Berufung des Herrn
von Bennigsen vorzuschlagen. Herr von Bennigsen, wie man weiß, machte die
Entscheidung von einer Rücksprache mit seinen Parteigenossen abhängig. Diese
legten ihm eine dreifache Bedingung auf, die er dem Kanzler zu stellen habe:
1. bei dem Plane, die Reichseinnahmen zu erhöhen, dürfe nicht vom Tabccks-
mvnopol die Rede sein; 2. neben Herrn von Bennigsen müßten noch einige
andre angesehene Nationalliberale in die Regierung treten; 3. bei der Ver¬
mehrung der Reichseinnahmen müßten konstitutionelle Garantien gegeben werden:
d. h. der Reichstag sowohl wie der preußische Landtag müßten ein erweitertes
Recht zur Streichung von Einnahmen erhalten. Wenn die Zeitungen damals
recht berichtet haben, so hat Fürst Bismarck auf diese Forderungen erwiedert,
auf dem Tabaksmonopol bestehe er nicht, wenn man andre zum Ziele führende
Vorschläge zu machen wisse; die beiden andern Punkte hat er zunächst aus¬
weichend behandelt.

Wir haben diese Vorgänge, die wohl, nachdem sie bei verschiednen Gelegen¬
heiten erörtert worden, so, wie wir sie angeführt, als festgestellt gelten dürfen,
noch einmal vergegenwärtigt, weil vom Dezember 1877 ein wichtiger Abschnitt
der innern deutschen Politik zu datiren ist. Im April desselben Jahres hatte
Fürst Bismarck dringend und ernstlich seinen Rücktritt von dem Kaiser erbeten.
Dieses Gesuch ist nicht das erste und nicht das letzte um die Gewährung des
Abschiedes gewesen. Allein in den andern Fällen hat es sich, wie man an¬
nehmen darf, um Meinungsverschiedenheiten über einzelne Fragen gehandelt.
Im April 1877 legte der Kanzler sich die Frage vor, ob er nicht an dem
Punkte seiner Thätigkeit angelangt sei, wo er dieselbe schließen müsse. Es
handelte sich für ihn um ein bedeutungsschweres Entweder — Oder. Das


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[0216] politische Briefe. ^. Lin vergangenes Lustrum. n den letzten Dezcmbertagen des Jahres 1877 weilte Herr von Bennigsen als Gast des Fürsten Bismarck in Varzin, Im Herbst desselben Jahres hatte der Minister des Innern, der in¬ zwischen verstorbene Graf Friedrich Eulenburg, seine Entlassung erbeten, statt deren aber vorläufig einen Urlaub auf sechs Mouate erhalten. Der Minister fiir Landwirtschaft, Dr. Fricdenthal, verwaltete bis zur Entscheidung über das Entlassnngsgesuch des Grafen Eulenburg dessen Mi¬ nisterium. Ende Dezember nun bot Fürst Bismarck Herrn von Bennigsen dieses Ministerium an, das heißt, er erbot sich, dem Könige die Berufung des Herrn von Bennigsen vorzuschlagen. Herr von Bennigsen, wie man weiß, machte die Entscheidung von einer Rücksprache mit seinen Parteigenossen abhängig. Diese legten ihm eine dreifache Bedingung auf, die er dem Kanzler zu stellen habe: 1. bei dem Plane, die Reichseinnahmen zu erhöhen, dürfe nicht vom Tabccks- mvnopol die Rede sein; 2. neben Herrn von Bennigsen müßten noch einige andre angesehene Nationalliberale in die Regierung treten; 3. bei der Ver¬ mehrung der Reichseinnahmen müßten konstitutionelle Garantien gegeben werden: d. h. der Reichstag sowohl wie der preußische Landtag müßten ein erweitertes Recht zur Streichung von Einnahmen erhalten. Wenn die Zeitungen damals recht berichtet haben, so hat Fürst Bismarck auf diese Forderungen erwiedert, auf dem Tabaksmonopol bestehe er nicht, wenn man andre zum Ziele führende Vorschläge zu machen wisse; die beiden andern Punkte hat er zunächst aus¬ weichend behandelt. Wir haben diese Vorgänge, die wohl, nachdem sie bei verschiednen Gelegen¬ heiten erörtert worden, so, wie wir sie angeführt, als festgestellt gelten dürfen, noch einmal vergegenwärtigt, weil vom Dezember 1877 ein wichtiger Abschnitt der innern deutschen Politik zu datiren ist. Im April desselben Jahres hatte Fürst Bismarck dringend und ernstlich seinen Rücktritt von dem Kaiser erbeten. Dieses Gesuch ist nicht das erste und nicht das letzte um die Gewährung des Abschiedes gewesen. Allein in den andern Fällen hat es sich, wie man an¬ nehmen darf, um Meinungsverschiedenheiten über einzelne Fragen gehandelt. Im April 1877 legte der Kanzler sich die Frage vor, ob er nicht an dem Punkte seiner Thätigkeit angelangt sei, wo er dieselbe schließen müsse. Es handelte sich für ihn um ein bedeutungsschweres Entweder — Oder. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/216>, abgerufen am 06.05.2024.