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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Ein französischer Kriegsminister.

evanche heißt das Wort, welches seit zwölf Jahren von jenseits
der Vogesen in das deutsche Reich herüberschallt, bald lauter und
drohender, bald versteckter und dann desto ingrimmiger, Revanche
bildet den tiefinnerster Beweggrund für das Verhalten wohl
sämtlicher Politiker und Militärs in der benachbarten westlichen
Republik, mag er nun in Maßnahmen der Regierung oder heißspornigen
Reden zu Tage treten, oder verschämt hinter der Hülle konzilianter Form und
gemachter Anspruchslosigkeit hervorlugen.

Selbstverständlich mußte es, dem Geiste des unruhigen, großsprecherischer
Volkes entsprechend, die vornehmste Sorge der republikanischen Regierung Frank¬
reichs sein, das aus Gefangenschaft und sonstiger Jnternirung zurückkehrende
Heer neu zu organisiren. Mit Feuereifer hat man dieses Unternehmen in An¬
griff genommen und bis in die neueste Zeit unablässig daran gearbeitet. Merk¬
würdigerweise sind dabei fast sämtliche Heereseinrichtungen des verhaßten bar¬
barischen Gegners in getreuer Nachbildung zu Grunde gelegt worden, ohne daß
doch anscheinend überall mit denselben Mitteln gleiche oder auch nur ähnliche
Erfolge erzielt worden wären. Wenigstens scheint das Institut der Einjährig-
Freiwilligen gänzlich Schiffbruch gelitten zu haben, auch die Entsendung eines
schwachen Expeditionskorps nach Tunesien im verflossenen Jahre hat zahlreiche
innere Schäden aufgedeckt, und die Herbstmanöver sollen nach den Berichten
auswärtiger, namentlich englischer Zeitungskorrespondenten noch keineswegs als
Bild und Vorschule des Krieges gelten können, vielmehr manchen Einblick in
alten Schlendrian und staunenswerte Unkenntnis und Unfähigkeit gestatten.
Doch sei dem, wie ihm wolle. Thatsächlich muß selbst der wohlmeinendste Freund,
womit wir keineswegs den Verdacht erwecken wollen, als ob wir uns zu dieser


GrenzbotM I. 1383. 76


Ein französischer Kriegsminister.

evanche heißt das Wort, welches seit zwölf Jahren von jenseits
der Vogesen in das deutsche Reich herüberschallt, bald lauter und
drohender, bald versteckter und dann desto ingrimmiger, Revanche
bildet den tiefinnerster Beweggrund für das Verhalten wohl
sämtlicher Politiker und Militärs in der benachbarten westlichen
Republik, mag er nun in Maßnahmen der Regierung oder heißspornigen
Reden zu Tage treten, oder verschämt hinter der Hülle konzilianter Form und
gemachter Anspruchslosigkeit hervorlugen.

Selbstverständlich mußte es, dem Geiste des unruhigen, großsprecherischer
Volkes entsprechend, die vornehmste Sorge der republikanischen Regierung Frank¬
reichs sein, das aus Gefangenschaft und sonstiger Jnternirung zurückkehrende
Heer neu zu organisiren. Mit Feuereifer hat man dieses Unternehmen in An¬
griff genommen und bis in die neueste Zeit unablässig daran gearbeitet. Merk¬
würdigerweise sind dabei fast sämtliche Heereseinrichtungen des verhaßten bar¬
barischen Gegners in getreuer Nachbildung zu Grunde gelegt worden, ohne daß
doch anscheinend überall mit denselben Mitteln gleiche oder auch nur ähnliche
Erfolge erzielt worden wären. Wenigstens scheint das Institut der Einjährig-
Freiwilligen gänzlich Schiffbruch gelitten zu haben, auch die Entsendung eines
schwachen Expeditionskorps nach Tunesien im verflossenen Jahre hat zahlreiche
innere Schäden aufgedeckt, und die Herbstmanöver sollen nach den Berichten
auswärtiger, namentlich englischer Zeitungskorrespondenten noch keineswegs als
Bild und Vorschule des Krieges gelten können, vielmehr manchen Einblick in
alten Schlendrian und staunenswerte Unkenntnis und Unfähigkeit gestatten.
Doch sei dem, wie ihm wolle. Thatsächlich muß selbst der wohlmeinendste Freund,
womit wir keineswegs den Verdacht erwecken wollen, als ob wir uns zu dieser


GrenzbotM I. 1383. 76
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[0609] [Abbildung] Ein französischer Kriegsminister. evanche heißt das Wort, welches seit zwölf Jahren von jenseits der Vogesen in das deutsche Reich herüberschallt, bald lauter und drohender, bald versteckter und dann desto ingrimmiger, Revanche bildet den tiefinnerster Beweggrund für das Verhalten wohl sämtlicher Politiker und Militärs in der benachbarten westlichen Republik, mag er nun in Maßnahmen der Regierung oder heißspornigen Reden zu Tage treten, oder verschämt hinter der Hülle konzilianter Form und gemachter Anspruchslosigkeit hervorlugen. Selbstverständlich mußte es, dem Geiste des unruhigen, großsprecherischer Volkes entsprechend, die vornehmste Sorge der republikanischen Regierung Frank¬ reichs sein, das aus Gefangenschaft und sonstiger Jnternirung zurückkehrende Heer neu zu organisiren. Mit Feuereifer hat man dieses Unternehmen in An¬ griff genommen und bis in die neueste Zeit unablässig daran gearbeitet. Merk¬ würdigerweise sind dabei fast sämtliche Heereseinrichtungen des verhaßten bar¬ barischen Gegners in getreuer Nachbildung zu Grunde gelegt worden, ohne daß doch anscheinend überall mit denselben Mitteln gleiche oder auch nur ähnliche Erfolge erzielt worden wären. Wenigstens scheint das Institut der Einjährig- Freiwilligen gänzlich Schiffbruch gelitten zu haben, auch die Entsendung eines schwachen Expeditionskorps nach Tunesien im verflossenen Jahre hat zahlreiche innere Schäden aufgedeckt, und die Herbstmanöver sollen nach den Berichten auswärtiger, namentlich englischer Zeitungskorrespondenten noch keineswegs als Bild und Vorschule des Krieges gelten können, vielmehr manchen Einblick in alten Schlendrian und staunenswerte Unkenntnis und Unfähigkeit gestatten. Doch sei dem, wie ihm wolle. Thatsächlich muß selbst der wohlmeinendste Freund, womit wir keineswegs den Verdacht erwecken wollen, als ob wir uns zu dieser GrenzbotM I. 1383. 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/609>, abgerufen am 06.05.2024.