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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der Entschädigungsanspruch wegen ungerechtfertigter Straf- und Untersuchungshaft.

nur durch den Gedanken an Ehre und Pflicht zu gemeinsamem Streben sich
einigen, in seiner jetzigen Stellung einen derartig zersetzenden Einfluß ausüben,
daß das scharfe, schneidige Kriegsinstrument zur stumpfen, unschädlichen Waffe
herabsinkt.




Der Entschädigungsanspruch
wegen ungerechtfertigter Straf- und Untersuchungshaft.

^! le Frage, ob derjenige, welcher wegen Verdachts eines Verbrechens
oder Vergehens in Untersuchungshaft genommen worden ist, im
Falle der Freisprechung oder der Einstellung des Verfahrens -- des¬
gleichen die verwandte Frage, ob derjenige, welcher wegen eines
I Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden ist und die Strafe
ganz oder teilweise verbüßt hat, im Falle späterer Freisprechung auf Grund
wiederaufgenommenen Verfahrens berechtigt sein soll, vom Staate Entschädigung
wegen der erlittenen Freiheitsentziehung zu verlangen, ist in den letzten zehn
Jahren vielfach, namentlich im Reichstage und vom Juristentage, erörtert worden.
Zu irgend einem praktischen Ergebnis haben diese Erörterungen bis jetzt nicht
geführt, und nach dem, was über die Stimmung im Bundesrate verlautet,
scheint auch zur Zeit wenig Aussicht vorhanden zu sein, daß Bundesrat und
Reichstag sich über die Fragen verständigen. Dennoch wird kaum jemand in
Abrede stellen, daß eine solche Verständigung in hohem Grade wünschenswert
sei, zunächst für die Fälle, wo ein Unschuldiger eine Strafe erlitten hat; diese
Fälle lassen sich aber nicht gut allein erledigen, denn die Behandlung beider
Arten in Wissenschaft und Gesetzgebung läßt sich, obwohl sie teilweise verschieden
sind, nicht trennen.

Im folgenden soll ein Versuch gemacht werden, zu dieser Verständigung
beizutragen. Wir werden uns namentlich mit den Beschlüssen des Juristentages
befassen und schicken voraus: sehr viele der von uns aufzustellenden Sätze sind
auf den Versammlungen des Juristentages teils ausgesprochen, teils angedeutet
worden; was wir geben, ist also keineswegs durchaus neu, sondern zu einem
erheblichen Teil nur die Zusammenfassung bisher geäußerter Ansichten. Wenn
wir die einzelnen Vertreter dieser Ansichten nicht namhaft machen, so möge uns
das nicht so ausgelegt werden, als ob wir deren Verdienste gering anschlugen.
Der Grund ist nur der, daß wir, wenn wir jedem Kämpfer in dieser Sache
gerecht werden wollten, die Verhandlungen des Juristentags ziemlich in sxtkuso
wiedergeben müßten.


Der Entschädigungsanspruch wegen ungerechtfertigter Straf- und Untersuchungshaft.

nur durch den Gedanken an Ehre und Pflicht zu gemeinsamem Streben sich
einigen, in seiner jetzigen Stellung einen derartig zersetzenden Einfluß ausüben,
daß das scharfe, schneidige Kriegsinstrument zur stumpfen, unschädlichen Waffe
herabsinkt.




Der Entschädigungsanspruch
wegen ungerechtfertigter Straf- und Untersuchungshaft.

^! le Frage, ob derjenige, welcher wegen Verdachts eines Verbrechens
oder Vergehens in Untersuchungshaft genommen worden ist, im
Falle der Freisprechung oder der Einstellung des Verfahrens — des¬
gleichen die verwandte Frage, ob derjenige, welcher wegen eines
I Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden ist und die Strafe
ganz oder teilweise verbüßt hat, im Falle späterer Freisprechung auf Grund
wiederaufgenommenen Verfahrens berechtigt sein soll, vom Staate Entschädigung
wegen der erlittenen Freiheitsentziehung zu verlangen, ist in den letzten zehn
Jahren vielfach, namentlich im Reichstage und vom Juristentage, erörtert worden.
Zu irgend einem praktischen Ergebnis haben diese Erörterungen bis jetzt nicht
geführt, und nach dem, was über die Stimmung im Bundesrate verlautet,
scheint auch zur Zeit wenig Aussicht vorhanden zu sein, daß Bundesrat und
Reichstag sich über die Fragen verständigen. Dennoch wird kaum jemand in
Abrede stellen, daß eine solche Verständigung in hohem Grade wünschenswert
sei, zunächst für die Fälle, wo ein Unschuldiger eine Strafe erlitten hat; diese
Fälle lassen sich aber nicht gut allein erledigen, denn die Behandlung beider
Arten in Wissenschaft und Gesetzgebung läßt sich, obwohl sie teilweise verschieden
sind, nicht trennen.

Im folgenden soll ein Versuch gemacht werden, zu dieser Verständigung
beizutragen. Wir werden uns namentlich mit den Beschlüssen des Juristentages
befassen und schicken voraus: sehr viele der von uns aufzustellenden Sätze sind
auf den Versammlungen des Juristentages teils ausgesprochen, teils angedeutet
worden; was wir geben, ist also keineswegs durchaus neu, sondern zu einem
erheblichen Teil nur die Zusammenfassung bisher geäußerter Ansichten. Wenn
wir die einzelnen Vertreter dieser Ansichten nicht namhaft machen, so möge uns
das nicht so ausgelegt werden, als ob wir deren Verdienste gering anschlugen.
Der Grund ist nur der, daß wir, wenn wir jedem Kämpfer in dieser Sache
gerecht werden wollten, die Verhandlungen des Juristentags ziemlich in sxtkuso
wiedergeben müßten.


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[0613] Der Entschädigungsanspruch wegen ungerechtfertigter Straf- und Untersuchungshaft. nur durch den Gedanken an Ehre und Pflicht zu gemeinsamem Streben sich einigen, in seiner jetzigen Stellung einen derartig zersetzenden Einfluß ausüben, daß das scharfe, schneidige Kriegsinstrument zur stumpfen, unschädlichen Waffe herabsinkt. Der Entschädigungsanspruch wegen ungerechtfertigter Straf- und Untersuchungshaft. ^! le Frage, ob derjenige, welcher wegen Verdachts eines Verbrechens oder Vergehens in Untersuchungshaft genommen worden ist, im Falle der Freisprechung oder der Einstellung des Verfahrens — des¬ gleichen die verwandte Frage, ob derjenige, welcher wegen eines I Verbrechens oder Vergehens verurteilt worden ist und die Strafe ganz oder teilweise verbüßt hat, im Falle späterer Freisprechung auf Grund wiederaufgenommenen Verfahrens berechtigt sein soll, vom Staate Entschädigung wegen der erlittenen Freiheitsentziehung zu verlangen, ist in den letzten zehn Jahren vielfach, namentlich im Reichstage und vom Juristentage, erörtert worden. Zu irgend einem praktischen Ergebnis haben diese Erörterungen bis jetzt nicht geführt, und nach dem, was über die Stimmung im Bundesrate verlautet, scheint auch zur Zeit wenig Aussicht vorhanden zu sein, daß Bundesrat und Reichstag sich über die Fragen verständigen. Dennoch wird kaum jemand in Abrede stellen, daß eine solche Verständigung in hohem Grade wünschenswert sei, zunächst für die Fälle, wo ein Unschuldiger eine Strafe erlitten hat; diese Fälle lassen sich aber nicht gut allein erledigen, denn die Behandlung beider Arten in Wissenschaft und Gesetzgebung läßt sich, obwohl sie teilweise verschieden sind, nicht trennen. Im folgenden soll ein Versuch gemacht werden, zu dieser Verständigung beizutragen. Wir werden uns namentlich mit den Beschlüssen des Juristentages befassen und schicken voraus: sehr viele der von uns aufzustellenden Sätze sind auf den Versammlungen des Juristentages teils ausgesprochen, teils angedeutet worden; was wir geben, ist also keineswegs durchaus neu, sondern zu einem erheblichen Teil nur die Zusammenfassung bisher geäußerter Ansichten. Wenn wir die einzelnen Vertreter dieser Ansichten nicht namhaft machen, so möge uns das nicht so ausgelegt werden, als ob wir deren Verdienste gering anschlugen. Der Grund ist nur der, daß wir, wenn wir jedem Kämpfer in dieser Sache gerecht werden wollten, die Verhandlungen des Juristentags ziemlich in sxtkuso wiedergeben müßten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/613>, abgerufen am 06.05.2024.