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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Alexandros Kumunduros.

le Parzen sind der griechischen Nation in den letzten Jahren un¬
günstig und ihren Staatsmännern verderblich gewesen.*) Wie
ein unbarmherziger Schnitter hat der Tod binnen vier Jahren
vier politische Größen, den willenskräftigen Bulgaris, den beredten
Deligeorgis, den besonnenen Zaimis und zuletzt den neuen Odysseus
des Hellenismus, Kumunduros, der in seinen Tugenden und Fehlern das
griechische Volk repräsentirte, hinweggemäht. Es war, als ob der eine den
andern in die Gruft nach sich zöge. Mit den ersten drei sind auch ihre Par¬
teien gestorben; kein Nachfolger erschien, der ihre Erbschaft hätte antreten können.
Ob die Partei des Kumunduros, wie wir im Interesse Griechenlands wünschen,
seinen Tod überleben und in ihrem Bestände sich erhalten wird, wird und muß
die nächste Zukunft lehren.

Es ist eine traurige Thatsache, daß die ältere Generation der griechischen
Nation, die Kinder der Männer, die im Jahre 1821 ihr Vaterland befreit habe",
sich energischer und begabter, aufgeklärter und besonnener zeigte als das jetzige
Geschlecht. Jene Männer ließen es sich sauer werden im Dienste der Ideen,
sie hatten eine ideale Richtung und waren doch durch die noch frische Erinne¬
rung an die Zeit des Befreiungskampfes, an seine mörderischen Zerstörungen
soweit gewarnt, um die nötige Besonnenheit und Bescheidenheit mit der Liebe
zum gemeinsamen Vaterlande und ihrem eignen Ruhme zu verbinden, während
die jüngere Generation leichtlebig ist, raschen Erfolgen nachjagt, glänzen und
herrschen will, den Patriotismus mit Chauvinismus verwechselt und ideenlos sich



*) Zur richtigen Auffassung des vorliegenden Artikels bemerken wir, daß derselbe aus
D. Red. der Feder eines zur Zeit in Leipzig lebenden Griechen stammt,
Grenzboten II. 1833. 14


Alexandros Kumunduros.

le Parzen sind der griechischen Nation in den letzten Jahren un¬
günstig und ihren Staatsmännern verderblich gewesen.*) Wie
ein unbarmherziger Schnitter hat der Tod binnen vier Jahren
vier politische Größen, den willenskräftigen Bulgaris, den beredten
Deligeorgis, den besonnenen Zaimis und zuletzt den neuen Odysseus
des Hellenismus, Kumunduros, der in seinen Tugenden und Fehlern das
griechische Volk repräsentirte, hinweggemäht. Es war, als ob der eine den
andern in die Gruft nach sich zöge. Mit den ersten drei sind auch ihre Par¬
teien gestorben; kein Nachfolger erschien, der ihre Erbschaft hätte antreten können.
Ob die Partei des Kumunduros, wie wir im Interesse Griechenlands wünschen,
seinen Tod überleben und in ihrem Bestände sich erhalten wird, wird und muß
die nächste Zukunft lehren.

Es ist eine traurige Thatsache, daß die ältere Generation der griechischen
Nation, die Kinder der Männer, die im Jahre 1821 ihr Vaterland befreit habe»,
sich energischer und begabter, aufgeklärter und besonnener zeigte als das jetzige
Geschlecht. Jene Männer ließen es sich sauer werden im Dienste der Ideen,
sie hatten eine ideale Richtung und waren doch durch die noch frische Erinne¬
rung an die Zeit des Befreiungskampfes, an seine mörderischen Zerstörungen
soweit gewarnt, um die nötige Besonnenheit und Bescheidenheit mit der Liebe
zum gemeinsamen Vaterlande und ihrem eignen Ruhme zu verbinden, während
die jüngere Generation leichtlebig ist, raschen Erfolgen nachjagt, glänzen und
herrschen will, den Patriotismus mit Chauvinismus verwechselt und ideenlos sich



*) Zur richtigen Auffassung des vorliegenden Artikels bemerken wir, daß derselbe aus
D. Red. der Feder eines zur Zeit in Leipzig lebenden Griechen stammt,
Grenzboten II. 1833. 14
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[0113] [Abbildung] Alexandros Kumunduros. le Parzen sind der griechischen Nation in den letzten Jahren un¬ günstig und ihren Staatsmännern verderblich gewesen.*) Wie ein unbarmherziger Schnitter hat der Tod binnen vier Jahren vier politische Größen, den willenskräftigen Bulgaris, den beredten Deligeorgis, den besonnenen Zaimis und zuletzt den neuen Odysseus des Hellenismus, Kumunduros, der in seinen Tugenden und Fehlern das griechische Volk repräsentirte, hinweggemäht. Es war, als ob der eine den andern in die Gruft nach sich zöge. Mit den ersten drei sind auch ihre Par¬ teien gestorben; kein Nachfolger erschien, der ihre Erbschaft hätte antreten können. Ob die Partei des Kumunduros, wie wir im Interesse Griechenlands wünschen, seinen Tod überleben und in ihrem Bestände sich erhalten wird, wird und muß die nächste Zukunft lehren. Es ist eine traurige Thatsache, daß die ältere Generation der griechischen Nation, die Kinder der Männer, die im Jahre 1821 ihr Vaterland befreit habe», sich energischer und begabter, aufgeklärter und besonnener zeigte als das jetzige Geschlecht. Jene Männer ließen es sich sauer werden im Dienste der Ideen, sie hatten eine ideale Richtung und waren doch durch die noch frische Erinne¬ rung an die Zeit des Befreiungskampfes, an seine mörderischen Zerstörungen soweit gewarnt, um die nötige Besonnenheit und Bescheidenheit mit der Liebe zum gemeinsamen Vaterlande und ihrem eignen Ruhme zu verbinden, während die jüngere Generation leichtlebig ist, raschen Erfolgen nachjagt, glänzen und herrschen will, den Patriotismus mit Chauvinismus verwechselt und ideenlos sich *) Zur richtigen Auffassung des vorliegenden Artikels bemerken wir, daß derselbe aus D. Red. der Feder eines zur Zeit in Leipzig lebenden Griechen stammt, Grenzboten II. 1833. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/113>, abgerufen am 05.05.2024.