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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.
August Niemann ( Roman vonGoebel),
(Fortsetzung.)
Zweiundzwanzigstes Uapjtel.

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--^err Rudolf Schmidt vertrug sich mit seinem Redakteur dahin,
daß letzterer die Redaktion bis Ende des Quartals, also noch
etwa vier Wochen lang, fortzuführen habe, und daß bis dcchiu
die bisherige politische Richtung beibehalten werden solle. Ob
später eine neue Wendung, ein plötzlicher oder allmählicher Um¬
schwung in der Tendenz eintreten solle, darüber behielt sich der Besitzer noch
die Entscheidung vor. Inzwischen that er sein Möglichstes, den Übeln Eindruck
der "Gedanken des Spaziergängers" und der Leitartikel der letzten Zeit abzu¬
schwächen. Er lief von einem Wirtshaus ins andre und wiederholte mit großem
Wortaufwande das, was er am ersten Tage in dem Garten des kleinen Wirts¬
hauses von Dr. Glock gehört hatte, daß nämlich dem Verfasser der Artikel per¬
sönliche Beleidigungen ganz fern gelegen hätten und überhaupt nicht dem Wesen
der Satire entsprächen.

Nun hatte er allerdings eine solche Gabe der Rede, daß ihm nicht leicht
jemand gewachsen war und er in den Diskussionen beim Bier immer das letzte
Wort behielt, aber es half doch nicht viel, und das merkte er selbst. Die Stimmung
in der Einwohnerschaft verbesserte sich nicht, ward im Gegenteil immer feind¬
licher gegen seine Zeitung, und mehr und mehr befestigte sich die Ansicht, daß
Herr Schmidt selber die Artikel geschrieben hätte, und daß or. Glock unschuldig
dafür büßen müsse.

Namentlich in den höhern Kreisen war der Richterspruch gefällt worden
und stand unwiderruflich fest. Die Zirkel der Patrizier- und alten Bürger¬
familien mit eignen Häusern in den Hauptstraßen, von denen Herr Schmidt
früher wohl geträumt hatte, daß sie sich ihm öffnen würden, schlössen sich luft¬
dicht gegen ihn ab, und so mancher der großen Kapitalisten, der ihm vorher




Die Grafen von Altenschwerdt.
August Niemann ( Roman vonGoebel),
(Fortsetzung.)
Zweiundzwanzigstes Uapjtel.

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--^err Rudolf Schmidt vertrug sich mit seinem Redakteur dahin,
daß letzterer die Redaktion bis Ende des Quartals, also noch
etwa vier Wochen lang, fortzuführen habe, und daß bis dcchiu
die bisherige politische Richtung beibehalten werden solle. Ob
später eine neue Wendung, ein plötzlicher oder allmählicher Um¬
schwung in der Tendenz eintreten solle, darüber behielt sich der Besitzer noch
die Entscheidung vor. Inzwischen that er sein Möglichstes, den Übeln Eindruck
der „Gedanken des Spaziergängers" und der Leitartikel der letzten Zeit abzu¬
schwächen. Er lief von einem Wirtshaus ins andre und wiederholte mit großem
Wortaufwande das, was er am ersten Tage in dem Garten des kleinen Wirts¬
hauses von Dr. Glock gehört hatte, daß nämlich dem Verfasser der Artikel per¬
sönliche Beleidigungen ganz fern gelegen hätten und überhaupt nicht dem Wesen
der Satire entsprächen.

Nun hatte er allerdings eine solche Gabe der Rede, daß ihm nicht leicht
jemand gewachsen war und er in den Diskussionen beim Bier immer das letzte
Wort behielt, aber es half doch nicht viel, und das merkte er selbst. Die Stimmung
in der Einwohnerschaft verbesserte sich nicht, ward im Gegenteil immer feind¬
licher gegen seine Zeitung, und mehr und mehr befestigte sich die Ansicht, daß
Herr Schmidt selber die Artikel geschrieben hätte, und daß or. Glock unschuldig
dafür büßen müsse.

Namentlich in den höhern Kreisen war der Richterspruch gefällt worden
und stand unwiderruflich fest. Die Zirkel der Patrizier- und alten Bürger¬
familien mit eignen Häusern in den Hauptstraßen, von denen Herr Schmidt
früher wohl geträumt hatte, daß sie sich ihm öffnen würden, schlössen sich luft¬
dicht gegen ihn ab, und so mancher der großen Kapitalisten, der ihm vorher


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[0266] [Abbildung] Die Grafen von Altenschwerdt. August Niemann ( Roman vonGoebel), (Fortsetzung.) Zweiundzwanzigstes Uapjtel. !WH^>)"W^ l H)<?^"» !«V !^'WM --^err Rudolf Schmidt vertrug sich mit seinem Redakteur dahin, daß letzterer die Redaktion bis Ende des Quartals, also noch etwa vier Wochen lang, fortzuführen habe, und daß bis dcchiu die bisherige politische Richtung beibehalten werden solle. Ob später eine neue Wendung, ein plötzlicher oder allmählicher Um¬ schwung in der Tendenz eintreten solle, darüber behielt sich der Besitzer noch die Entscheidung vor. Inzwischen that er sein Möglichstes, den Übeln Eindruck der „Gedanken des Spaziergängers" und der Leitartikel der letzten Zeit abzu¬ schwächen. Er lief von einem Wirtshaus ins andre und wiederholte mit großem Wortaufwande das, was er am ersten Tage in dem Garten des kleinen Wirts¬ hauses von Dr. Glock gehört hatte, daß nämlich dem Verfasser der Artikel per¬ sönliche Beleidigungen ganz fern gelegen hätten und überhaupt nicht dem Wesen der Satire entsprächen. Nun hatte er allerdings eine solche Gabe der Rede, daß ihm nicht leicht jemand gewachsen war und er in den Diskussionen beim Bier immer das letzte Wort behielt, aber es half doch nicht viel, und das merkte er selbst. Die Stimmung in der Einwohnerschaft verbesserte sich nicht, ward im Gegenteil immer feind¬ licher gegen seine Zeitung, und mehr und mehr befestigte sich die Ansicht, daß Herr Schmidt selber die Artikel geschrieben hätte, und daß or. Glock unschuldig dafür büßen müsse. Namentlich in den höhern Kreisen war der Richterspruch gefällt worden und stand unwiderruflich fest. Die Zirkel der Patrizier- und alten Bürger¬ familien mit eignen Häusern in den Hauptstraßen, von denen Herr Schmidt früher wohl geträumt hatte, daß sie sich ihm öffnen würden, schlössen sich luft¬ dicht gegen ihn ab, und so mancher der großen Kapitalisten, der ihm vorher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/266>, abgerufen am 05.05.2024.