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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Wie die "üivilts. viMolivÄ oder die Flores ^ssuitMum. Mit den Patronen und
Zöglingen einer Anstalt, ans welcher solche Jurisprudenz, gekräftigt durch Vor¬
lesungen über Jesnitcnmoral, gelehrt wird, wird eine Regierung, gleichviel ob
sie protestantisch oder katholisch ist, nie auf Frieden rechnen können, sondern nur
auf einen Waffenstillstand, und auch auf einen solchen nur solange, wie er in
den Augen der Kurie ein geringeres Übel ist als der Kampf,




Unsre Kuerversicherungsgesellschaften.

in an die Bundesregiernngen gerichteter Erlaß des Reichskanzlers
und ein an diesen Erlaß anknüpfendes Reskript desselben als
preußischen Handelsministers, welches die Verhältnisse der Aktien¬
gesellschaften für Feuerversicherung in Betracht zieht und namentlich
die Frage stellt, wie es komme, daß diese so hohe Gewinne be¬
ziehenden Gesellschaften in, Geschäftsbetrieb den Gegenseitigkeitsgesellschaften,
welche doch offenbar den Versicherten größere Vorteile gewähren, sich vielfach
überlegen gezeigt haben, hat neuerdings in der Presse Staub aufgewirbelt.
Man mutmaßte sofort die Absicht, das Feuerversicherungswesen zu "verstaatlichen,"
obgleich hierüber das Reskript nicht die geringste Andeutung enthält. Aber auch
abgesehen hiervon sind natürlich diejenigen mit dem Erlasse sehr unzufrieden,
welche die Ansicht vertreten, daß der Staat um die wirtschaftlichen Erscheinungen
im Volksleben sich garnicht zu kümmern, vielmehr auf diesem Gebiete alles
der "organischen Entwicklung" zu überlassen habe. Wir teilen diese Ansicht
bekanntlich nicht, und wollen hier kurz die Gründe, wenn auch nicht erschöpfend,
entwickeln, weshalb wir es mit Freude begrüßt haben, daß der Reichskanzler
die fraglichen Verhältnisse zum Gegenstande seiner Fürsorge macht.

Was zuvörderst die hohen Gewinne der Aktiengesellschaften für Feuerver¬
sicherung betrifft, fo müssen wir, um der Wahrheit die Ehre zu geben, aner¬
kennen, daß die Prozentsätze, welche man als Dividenden der Aktionäre, öfters
in der Höhe von 50, 60, 70 Prozent, in den Kursblättern verzeichnet findet,
und welche gewiß schon bei vielen Verwunderung erregt haben, kein ganz
richtiges Bild von der Größe des Gewinnes im Vergleich mit der Größe der
übernommenen Gefahr abgeben. Während bei andern industriellen Unterneh¬
mungen in der Regel das ganze Aktienkapital eingezahlt wird, Pflegen die Feuer¬
versicherungsgesellschaften nur einen geringen Teil des gezeichneten Kapitals
(etwa 20 Prozent) von den Aktionären wirklich einzuziehen, den übrigen Teil


Wie die «üivilts. viMolivÄ oder die Flores ^ssuitMum. Mit den Patronen und
Zöglingen einer Anstalt, ans welcher solche Jurisprudenz, gekräftigt durch Vor¬
lesungen über Jesnitcnmoral, gelehrt wird, wird eine Regierung, gleichviel ob
sie protestantisch oder katholisch ist, nie auf Frieden rechnen können, sondern nur
auf einen Waffenstillstand, und auch auf einen solchen nur solange, wie er in
den Augen der Kurie ein geringeres Übel ist als der Kampf,




Unsre Kuerversicherungsgesellschaften.

in an die Bundesregiernngen gerichteter Erlaß des Reichskanzlers
und ein an diesen Erlaß anknüpfendes Reskript desselben als
preußischen Handelsministers, welches die Verhältnisse der Aktien¬
gesellschaften für Feuerversicherung in Betracht zieht und namentlich
die Frage stellt, wie es komme, daß diese so hohe Gewinne be¬
ziehenden Gesellschaften in, Geschäftsbetrieb den Gegenseitigkeitsgesellschaften,
welche doch offenbar den Versicherten größere Vorteile gewähren, sich vielfach
überlegen gezeigt haben, hat neuerdings in der Presse Staub aufgewirbelt.
Man mutmaßte sofort die Absicht, das Feuerversicherungswesen zu „verstaatlichen,"
obgleich hierüber das Reskript nicht die geringste Andeutung enthält. Aber auch
abgesehen hiervon sind natürlich diejenigen mit dem Erlasse sehr unzufrieden,
welche die Ansicht vertreten, daß der Staat um die wirtschaftlichen Erscheinungen
im Volksleben sich garnicht zu kümmern, vielmehr auf diesem Gebiete alles
der „organischen Entwicklung" zu überlassen habe. Wir teilen diese Ansicht
bekanntlich nicht, und wollen hier kurz die Gründe, wenn auch nicht erschöpfend,
entwickeln, weshalb wir es mit Freude begrüßt haben, daß der Reichskanzler
die fraglichen Verhältnisse zum Gegenstande seiner Fürsorge macht.

Was zuvörderst die hohen Gewinne der Aktiengesellschaften für Feuerver¬
sicherung betrifft, fo müssen wir, um der Wahrheit die Ehre zu geben, aner¬
kennen, daß die Prozentsätze, welche man als Dividenden der Aktionäre, öfters
in der Höhe von 50, 60, 70 Prozent, in den Kursblättern verzeichnet findet,
und welche gewiß schon bei vielen Verwunderung erregt haben, kein ganz
richtiges Bild von der Größe des Gewinnes im Vergleich mit der Größe der
übernommenen Gefahr abgeben. Während bei andern industriellen Unterneh¬
mungen in der Regel das ganze Aktienkapital eingezahlt wird, Pflegen die Feuer¬
versicherungsgesellschaften nur einen geringen Teil des gezeichneten Kapitals
(etwa 20 Prozent) von den Aktionären wirklich einzuziehen, den übrigen Teil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/651>, abgerufen am 05.05.2024.