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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Zur Biographie Franz Grillxarzers.

Ich verwies ihm diese Frivolität sehr ernstlich und ermahnte ihn, seine Ent¬
sagungsfähigkeit mit seiner Selbstsucht ringen zu lassen. Da fragte mich ein
schnippisches Dämchen, ob ich denn glaubte, daß die Habichte es einmal auf¬
geben würden, die Tauben zu fressen, und die Hechte davon abstehen, die Karpfen
zu verfolgen, und als ich sagte, daß ich dächte, solange sie Habichte und Hechte
wären, würden sie es nicht thun, da lachte sie und meinte, solange Menschen
Menschen wären, würden sie sich an Herrn David Friedrich Strauß' Programm
nicht kehren, aber vielleicht ließen sich auf naturwissenschaftlichem Wege neue Men¬
schen herstellen, etwa aus gepreßtem Papier mit einem Uhrwerk im Leibe, die
sich an die neue Kultur gewöhnen ließen.

Ich will dem Herrn Verfasser der "konventionellen Lügen" einen Rat
geben. Ich lasse ihm denselben Z. bon inArod6; er kann damit machen, was
er will. Er möge sich zwanzig Jahre des Schreibens enthalten und die Klassiker
des Altertums und zugleich den Menschen gründlich studiren. Dann möge er
sein Buch Satz für Satz durchgehen und es neu schreiben. Ob er aber als¬
dann die Wahrheit gefunden haben wird, das wird er ans folgenden Dingen
leicht erkennen. Er wird keinen Verleger dafür finden, denn die wohlmeinenden
werden ihm abraten, so etwas drucken zu lassen, und die klugen werden ihm
sagen, es sei kein buchhändlerischer Erfolg damit zu erzielen. Hat er sein Werk
dann auf eigne Kosten drucken lassen, so werden es die Leute lange Zeit hin¬
durch nicht lesen wollen. Nur die Mühseligen und Beladenen werden sich
heimlich zu ihm stehlen und ihm unter Dankesthränen die Hände küssen. Ge¬
rade diejenigen aber, die jetzt am meisten von ihm erbaut sind, werden ihm
dann vielleicht einen bösen Handel anrichten, und es wäre nicht unmöglich, daß
er Gelegenheit bekäme, hinter Schloß und Riegel jenen Frieden der Seele in
Wirklichkeit kennen zu lernen, von dem er jetzt in seiner Schlußharmonie nur
redet. Dann wird er wissen, was Sokrates meinte, als er sagte, das Schöne
sei schwer, und was Christus meinte, als er seine Jünger aufforderte, ihr
Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen.


August Niemann.


Zur Biographie Franz Grillxarzers.

em halben Dutzend kleiner Schriften, welche wir schon über den
namhaftesten Nachklassiker und hervorragendsten neueren Dichter
Deutschösterreichs besitzen, ist vor kurzem eine neue Zur Bio¬
graphie Franz Grillparzers von Ludwig August Fränkl
hinzugefügt worden. (Wien, A. Hartleben, 1883.) Gleich den
früheren Schriften von Otto Prechtler, Konstant von Wurzbach, Emil Kuh,


Zur Biographie Franz Grillxarzers.

Ich verwies ihm diese Frivolität sehr ernstlich und ermahnte ihn, seine Ent¬
sagungsfähigkeit mit seiner Selbstsucht ringen zu lassen. Da fragte mich ein
schnippisches Dämchen, ob ich denn glaubte, daß die Habichte es einmal auf¬
geben würden, die Tauben zu fressen, und die Hechte davon abstehen, die Karpfen
zu verfolgen, und als ich sagte, daß ich dächte, solange sie Habichte und Hechte
wären, würden sie es nicht thun, da lachte sie und meinte, solange Menschen
Menschen wären, würden sie sich an Herrn David Friedrich Strauß' Programm
nicht kehren, aber vielleicht ließen sich auf naturwissenschaftlichem Wege neue Men¬
schen herstellen, etwa aus gepreßtem Papier mit einem Uhrwerk im Leibe, die
sich an die neue Kultur gewöhnen ließen.

Ich will dem Herrn Verfasser der „konventionellen Lügen" einen Rat
geben. Ich lasse ihm denselben Z. bon inArod6; er kann damit machen, was
er will. Er möge sich zwanzig Jahre des Schreibens enthalten und die Klassiker
des Altertums und zugleich den Menschen gründlich studiren. Dann möge er
sein Buch Satz für Satz durchgehen und es neu schreiben. Ob er aber als¬
dann die Wahrheit gefunden haben wird, das wird er ans folgenden Dingen
leicht erkennen. Er wird keinen Verleger dafür finden, denn die wohlmeinenden
werden ihm abraten, so etwas drucken zu lassen, und die klugen werden ihm
sagen, es sei kein buchhändlerischer Erfolg damit zu erzielen. Hat er sein Werk
dann auf eigne Kosten drucken lassen, so werden es die Leute lange Zeit hin¬
durch nicht lesen wollen. Nur die Mühseligen und Beladenen werden sich
heimlich zu ihm stehlen und ihm unter Dankesthränen die Hände küssen. Ge¬
rade diejenigen aber, die jetzt am meisten von ihm erbaut sind, werden ihm
dann vielleicht einen bösen Handel anrichten, und es wäre nicht unmöglich, daß
er Gelegenheit bekäme, hinter Schloß und Riegel jenen Frieden der Seele in
Wirklichkeit kennen zu lernen, von dem er jetzt in seiner Schlußharmonie nur
redet. Dann wird er wissen, was Sokrates meinte, als er sagte, das Schöne
sei schwer, und was Christus meinte, als er seine Jünger aufforderte, ihr
Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen.


August Niemann.


Zur Biographie Franz Grillxarzers.

em halben Dutzend kleiner Schriften, welche wir schon über den
namhaftesten Nachklassiker und hervorragendsten neueren Dichter
Deutschösterreichs besitzen, ist vor kurzem eine neue Zur Bio¬
graphie Franz Grillparzers von Ludwig August Fränkl
hinzugefügt worden. (Wien, A. Hartleben, 1883.) Gleich den
früheren Schriften von Otto Prechtler, Konstant von Wurzbach, Emil Kuh,


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[0405] Zur Biographie Franz Grillxarzers. Ich verwies ihm diese Frivolität sehr ernstlich und ermahnte ihn, seine Ent¬ sagungsfähigkeit mit seiner Selbstsucht ringen zu lassen. Da fragte mich ein schnippisches Dämchen, ob ich denn glaubte, daß die Habichte es einmal auf¬ geben würden, die Tauben zu fressen, und die Hechte davon abstehen, die Karpfen zu verfolgen, und als ich sagte, daß ich dächte, solange sie Habichte und Hechte wären, würden sie es nicht thun, da lachte sie und meinte, solange Menschen Menschen wären, würden sie sich an Herrn David Friedrich Strauß' Programm nicht kehren, aber vielleicht ließen sich auf naturwissenschaftlichem Wege neue Men¬ schen herstellen, etwa aus gepreßtem Papier mit einem Uhrwerk im Leibe, die sich an die neue Kultur gewöhnen ließen. Ich will dem Herrn Verfasser der „konventionellen Lügen" einen Rat geben. Ich lasse ihm denselben Z. bon inArod6; er kann damit machen, was er will. Er möge sich zwanzig Jahre des Schreibens enthalten und die Klassiker des Altertums und zugleich den Menschen gründlich studiren. Dann möge er sein Buch Satz für Satz durchgehen und es neu schreiben. Ob er aber als¬ dann die Wahrheit gefunden haben wird, das wird er ans folgenden Dingen leicht erkennen. Er wird keinen Verleger dafür finden, denn die wohlmeinenden werden ihm abraten, so etwas drucken zu lassen, und die klugen werden ihm sagen, es sei kein buchhändlerischer Erfolg damit zu erzielen. Hat er sein Werk dann auf eigne Kosten drucken lassen, so werden es die Leute lange Zeit hin¬ durch nicht lesen wollen. Nur die Mühseligen und Beladenen werden sich heimlich zu ihm stehlen und ihm unter Dankesthränen die Hände küssen. Ge¬ rade diejenigen aber, die jetzt am meisten von ihm erbaut sind, werden ihm dann vielleicht einen bösen Handel anrichten, und es wäre nicht unmöglich, daß er Gelegenheit bekäme, hinter Schloß und Riegel jenen Frieden der Seele in Wirklichkeit kennen zu lernen, von dem er jetzt in seiner Schlußharmonie nur redet. Dann wird er wissen, was Sokrates meinte, als er sagte, das Schöne sei schwer, und was Christus meinte, als er seine Jünger aufforderte, ihr Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen. August Niemann. Zur Biographie Franz Grillxarzers. em halben Dutzend kleiner Schriften, welche wir schon über den namhaftesten Nachklassiker und hervorragendsten neueren Dichter Deutschösterreichs besitzen, ist vor kurzem eine neue Zur Bio¬ graphie Franz Grillparzers von Ludwig August Fränkl hinzugefügt worden. (Wien, A. Hartleben, 1883.) Gleich den früheren Schriften von Otto Prechtler, Konstant von Wurzbach, Emil Kuh,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/405>, abgerufen am 03.05.2024.