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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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jrancesca von Rimim.
Adam von Festenberg. Novelle von(Fortsetzung.)
12.

u den Beschauern des Bildes in Berlin gehörte auch jemand,
in welchem dasselbe ganz andre als künstlerische Eindrücke her¬
vorrief -- Frau Margarethe van Köller. Sie hatte in ihrer
nunmehr zweijährigen Ehe das Glück nicht gefunden, auf dessen
Fährte sie während der Hochzeitsreise im Ampezzothale von
Oswald betroffen worden war. In den ersten Monaten der Ehe hatte sie
in dem beinahe märchenhaften Luxus geschwelgt, den die Vorfahren ihres
Ehegatten in dem schönen Hause der Keijsersgracht zu Amsterdam aufgehäuft
hatten. Aber als sie die verschiedenen Schmuckgarnituren durchgeprobt hatte und
allmählich zu der Erkenntnis gelangt war, daß sich der eine Tag von dem andern
nicht unterschied, auch die erste Neuheit ihres Frauenlebens vorüber war, sing sie
sich sträflich zu langweilen an und wurde in diesem Beginnen von ihrem Ehe¬
gatten aufs kräftigste unterstützt. Joseph van Köller hatte sich, um es an
Vornehmheit den holländischen Millionärsöhnen gleichzuthun, schon frühzeitig
eine unerschütterliche Blastrtheit angewöhnt, die bei seinen natürlichen Anlagen
zur Geistesträgheit und zum Phlegma auf einen fruchtbaren Boden gefallen
war. Er verbrachte den größten Teil des Tages in seinem Rauchzimmer; sein
Stolz war eine Sammlung von Tabakspfeifen und Cigarrenspitzen, die er aus
allen Ländern und Zeiten, seitdem der Gebrauch des Tabaks eingeführt war,
mit wenig Mühe, aber vielem Gelde zusammengebracht hatte. Er unterbrach
das Rauchen in seinem Museum nur, wenn er zu Tisch ging oder es nicht
vermeiden konnte, sich einmal an der Börse, im Komtoir oder in Hst artis,
dem zoologischen Garten und fashionablen Vergnügungsort der Amsterdamer,
sehen zu lassen. Eine Leidenschaft für Frauen hatte er nie besessen, ja er war,


Grmzvolcn IV. 1883. 59


jrancesca von Rimim.
Adam von Festenberg. Novelle von(Fortsetzung.)
12.

u den Beschauern des Bildes in Berlin gehörte auch jemand,
in welchem dasselbe ganz andre als künstlerische Eindrücke her¬
vorrief — Frau Margarethe van Köller. Sie hatte in ihrer
nunmehr zweijährigen Ehe das Glück nicht gefunden, auf dessen
Fährte sie während der Hochzeitsreise im Ampezzothale von
Oswald betroffen worden war. In den ersten Monaten der Ehe hatte sie
in dem beinahe märchenhaften Luxus geschwelgt, den die Vorfahren ihres
Ehegatten in dem schönen Hause der Keijsersgracht zu Amsterdam aufgehäuft
hatten. Aber als sie die verschiedenen Schmuckgarnituren durchgeprobt hatte und
allmählich zu der Erkenntnis gelangt war, daß sich der eine Tag von dem andern
nicht unterschied, auch die erste Neuheit ihres Frauenlebens vorüber war, sing sie
sich sträflich zu langweilen an und wurde in diesem Beginnen von ihrem Ehe¬
gatten aufs kräftigste unterstützt. Joseph van Köller hatte sich, um es an
Vornehmheit den holländischen Millionärsöhnen gleichzuthun, schon frühzeitig
eine unerschütterliche Blastrtheit angewöhnt, die bei seinen natürlichen Anlagen
zur Geistesträgheit und zum Phlegma auf einen fruchtbaren Boden gefallen
war. Er verbrachte den größten Teil des Tages in seinem Rauchzimmer; sein
Stolz war eine Sammlung von Tabakspfeifen und Cigarrenspitzen, die er aus
allen Ländern und Zeiten, seitdem der Gebrauch des Tabaks eingeführt war,
mit wenig Mühe, aber vielem Gelde zusammengebracht hatte. Er unterbrach
das Rauchen in seinem Museum nur, wenn er zu Tisch ging oder es nicht
vermeiden konnte, sich einmal an der Börse, im Komtoir oder in Hst artis,
dem zoologischen Garten und fashionablen Vergnügungsort der Amsterdamer,
sehen zu lassen. Eine Leidenschaft für Frauen hatte er nie besessen, ja er war,


Grmzvolcn IV. 1883. 59
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[0475] [Abbildung] jrancesca von Rimim. Adam von Festenberg. Novelle von(Fortsetzung.) 12. u den Beschauern des Bildes in Berlin gehörte auch jemand, in welchem dasselbe ganz andre als künstlerische Eindrücke her¬ vorrief — Frau Margarethe van Köller. Sie hatte in ihrer nunmehr zweijährigen Ehe das Glück nicht gefunden, auf dessen Fährte sie während der Hochzeitsreise im Ampezzothale von Oswald betroffen worden war. In den ersten Monaten der Ehe hatte sie in dem beinahe märchenhaften Luxus geschwelgt, den die Vorfahren ihres Ehegatten in dem schönen Hause der Keijsersgracht zu Amsterdam aufgehäuft hatten. Aber als sie die verschiedenen Schmuckgarnituren durchgeprobt hatte und allmählich zu der Erkenntnis gelangt war, daß sich der eine Tag von dem andern nicht unterschied, auch die erste Neuheit ihres Frauenlebens vorüber war, sing sie sich sträflich zu langweilen an und wurde in diesem Beginnen von ihrem Ehe¬ gatten aufs kräftigste unterstützt. Joseph van Köller hatte sich, um es an Vornehmheit den holländischen Millionärsöhnen gleichzuthun, schon frühzeitig eine unerschütterliche Blastrtheit angewöhnt, die bei seinen natürlichen Anlagen zur Geistesträgheit und zum Phlegma auf einen fruchtbaren Boden gefallen war. Er verbrachte den größten Teil des Tages in seinem Rauchzimmer; sein Stolz war eine Sammlung von Tabakspfeifen und Cigarrenspitzen, die er aus allen Ländern und Zeiten, seitdem der Gebrauch des Tabaks eingeführt war, mit wenig Mühe, aber vielem Gelde zusammengebracht hatte. Er unterbrach das Rauchen in seinem Museum nur, wenn er zu Tisch ging oder es nicht vermeiden konnte, sich einmal an der Börse, im Komtoir oder in Hst artis, dem zoologischen Garten und fashionablen Vergnügungsort der Amsterdamer, sehen zu lassen. Eine Leidenschaft für Frauen hatte er nie besessen, ja er war, Grmzvolcn IV. 1883. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/475>, abgerufen am 03.05.2024.