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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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andre Ansicht bilden, so ist dies wenigstens ans den drei Romane", welche ich
hier als seine bedeutendsten ins Ange gefaßt habe, nicht zu erkennen, und es
leuchtet doch aus jedem Kunstwerk, auch ohne die Absicht des Künstlers, dessen
geheimste Seele hell hervor. So müssen wir denn Zola wohl kritisch als das
erkennen, als was er sich uns in der Erfahrung zeigt: als einen Schriftsteller,
der just das Zeug dazu hat, bei seinen Lebzeiten sehr viel gelesen zu werden.
Ob er aber in künftigen Zeiten noch etwas andres sein wird als eine historische
Merkwürdigkeit der Literatur, das ist sehr fraglich, denn er ist wohl nnr das
interessanteste Beispiel für die notwendigen Folgen eines Irrtums, Der Roman¬
dichter folgt, wenn er nicht selbst Denker ist, den Philosophen seiner Zeit, und
unsre Philosophen wissen nicht, daß die Wahrheit und die Schönheit eines und
dasselbe sind.




Das diesjährige prachtwerk.

Ich schrieb bei nächtlicher Lampe
Den Jammer, der mich traf,
Er ist bei Hoffinnnn und Campe
Erschienen in Kleinoktav.

Es hat ihn Robert Schumann
Gefühlvoll komponirt
Und jetzt gar Herr Paul Thumnmi
In Lichtdruck illustrirt.

So ziehn meine Lieder und Witze
In modischen Putze durchs Land,
O braver Herr Adolf Titze,
Ich drück' Ihnen herzlich die Hand.


n der literarischen und.Kunstkritik einzelner unsrer gelesensten
Wochen- und Monatsschriften macht sich neuerdings eine Schwen¬
kung bemerkbar. Erscheinungen, die noch vor fünf, ja noch vor
drei und zwei Jahren dem Publikum stets voll Entzücken ange¬
priesen wurden -- als da sind: "Mnsildrania," "Deutsche Re¬
naissance," "Archäologischer Roman," "Jllustrirte Prachtwerke" u. dergl. --,
müssen sich plötzlich gefallen lassen, mit kritischen Augen betrachtet zu werden,
und die früheren begeisterten Lobsprüche machen kühleren Urteilen Platz. Eine
geradezu auffällige Probe dieser Wandlung des Urteils bildet eine Besprechung


andre Ansicht bilden, so ist dies wenigstens ans den drei Romane», welche ich
hier als seine bedeutendsten ins Ange gefaßt habe, nicht zu erkennen, und es
leuchtet doch aus jedem Kunstwerk, auch ohne die Absicht des Künstlers, dessen
geheimste Seele hell hervor. So müssen wir denn Zola wohl kritisch als das
erkennen, als was er sich uns in der Erfahrung zeigt: als einen Schriftsteller,
der just das Zeug dazu hat, bei seinen Lebzeiten sehr viel gelesen zu werden.
Ob er aber in künftigen Zeiten noch etwas andres sein wird als eine historische
Merkwürdigkeit der Literatur, das ist sehr fraglich, denn er ist wohl nnr das
interessanteste Beispiel für die notwendigen Folgen eines Irrtums, Der Roman¬
dichter folgt, wenn er nicht selbst Denker ist, den Philosophen seiner Zeit, und
unsre Philosophen wissen nicht, daß die Wahrheit und die Schönheit eines und
dasselbe sind.




Das diesjährige prachtwerk.

Ich schrieb bei nächtlicher Lampe
Den Jammer, der mich traf,
Er ist bei Hoffinnnn und Campe
Erschienen in Kleinoktav.

Es hat ihn Robert Schumann
Gefühlvoll komponirt
Und jetzt gar Herr Paul Thumnmi
In Lichtdruck illustrirt.

So ziehn meine Lieder und Witze
In modischen Putze durchs Land,
O braver Herr Adolf Titze,
Ich drück' Ihnen herzlich die Hand.


n der literarischen und.Kunstkritik einzelner unsrer gelesensten
Wochen- und Monatsschriften macht sich neuerdings eine Schwen¬
kung bemerkbar. Erscheinungen, die noch vor fünf, ja noch vor
drei und zwei Jahren dem Publikum stets voll Entzücken ange¬
priesen wurden — als da sind: „Mnsildrania," „Deutsche Re¬
naissance," „Archäologischer Roman," „Jllustrirte Prachtwerke" u. dergl. —,
müssen sich plötzlich gefallen lassen, mit kritischen Augen betrachtet zu werden,
und die früheren begeisterten Lobsprüche machen kühleren Urteilen Platz. Eine
geradezu auffällige Probe dieser Wandlung des Urteils bildet eine Besprechung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/633>, abgerufen am 03.05.2024.