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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Line Wanderung dnrch Schwaben.

für unentbehrlich erklärte. Auch der Abgeordnete von Patow als früherer
Finanzminister hatte sich bei der Verhandlung von 1868 in gleichem Sinne
ausgesprochen.

Abermals wurden die Verhältnisse der Seehandlung am 29. November 1878
in betracht gezogen, und namentlich erklärte sich der Abgeordnete Windthorst
für deren "Beseitigung." Nun stimmte auch der Abgeordnete Richter ihm bei,
da er jetzt den Moment zu ihrer Auflösung für gekommen erachtete. Dagegen
wurde nun von konservativer Seite erklärt, daß man bei der zur Zeit ob¬
waltenden ungünstigen Finanzlage eine Einnahmequelle des Staates zu beseitigen
Bedenken tragen müsse. Hiernach wurde ein Antrag garnicht gestellt. (Seen.
Ber. S. 115--120.)

So hat die Seehandlung nnter dem Widerstreite der Parteien und der
Gunst der Regierung ihr Dasein gefristet und besteht mit ihrem umfangreichen
Geschäftsbetriebe und ihrem mehr als dreißig Millionen Mark betragenden
Dotationskapital noch heute. In ihrem Besitze befinden sich auch noch mehrere
der aus früherer Zeit überkommenen industrielle" Etablissements. Ob der
Fortbestand dieses Instituts bei dem gleichzeitigen Bestände der Reichsbank
wirklich ein Bedürfnis für Preußen sei, darüber wollen wir hier kein ab¬
sprechendes Urteil fällen. Jedenfalls bildet dieselbe eine Anomalie, die auf die
Länge der Zeit wohl schwerlich aufrecht zu erhalten sein dürfte.

(Schluß folgt.)




Eine Wanderung durch Schwaben.
von Richard Mulder.

ick zu wenig bekannt ist dem Deutschen sein Vaterland. Nach
Italien glaubt jeder wandern zu müssen, der sich in alte Zeiten
zurückversetzen will. Um sich in die Antike zurückzutrüumcn, geht
man nach Pompeji, um das Bild einer Stadt aus der frühchrist¬
lichen Zeit zu erhalten, nach Ravenna, um das trotzige Mittel-
alter kennen zu lernen, nach San Gimignano. Daß es auch in Deutschland
ganze Landstrecken giebt, die beinahe ebenso stolze Überreste einer großen Ver¬
gangenheit aufweisen, geben die wenigsten zu. Und doch ist an solchen Gegenden
kein Mangel. Obenan unter ihnen steht das alte Schwaben.

In Schwaben betritt der Wandrer einen uralten Kulturboden. Schon die
Römer hatten feste Plätze für ihre Legionen, Städte, Prachtbauten und Tempel


Line Wanderung dnrch Schwaben.

für unentbehrlich erklärte. Auch der Abgeordnete von Patow als früherer
Finanzminister hatte sich bei der Verhandlung von 1868 in gleichem Sinne
ausgesprochen.

Abermals wurden die Verhältnisse der Seehandlung am 29. November 1878
in betracht gezogen, und namentlich erklärte sich der Abgeordnete Windthorst
für deren „Beseitigung." Nun stimmte auch der Abgeordnete Richter ihm bei,
da er jetzt den Moment zu ihrer Auflösung für gekommen erachtete. Dagegen
wurde nun von konservativer Seite erklärt, daß man bei der zur Zeit ob¬
waltenden ungünstigen Finanzlage eine Einnahmequelle des Staates zu beseitigen
Bedenken tragen müsse. Hiernach wurde ein Antrag garnicht gestellt. (Seen.
Ber. S. 115—120.)

So hat die Seehandlung nnter dem Widerstreite der Parteien und der
Gunst der Regierung ihr Dasein gefristet und besteht mit ihrem umfangreichen
Geschäftsbetriebe und ihrem mehr als dreißig Millionen Mark betragenden
Dotationskapital noch heute. In ihrem Besitze befinden sich auch noch mehrere
der aus früherer Zeit überkommenen industrielle» Etablissements. Ob der
Fortbestand dieses Instituts bei dem gleichzeitigen Bestände der Reichsbank
wirklich ein Bedürfnis für Preußen sei, darüber wollen wir hier kein ab¬
sprechendes Urteil fällen. Jedenfalls bildet dieselbe eine Anomalie, die auf die
Länge der Zeit wohl schwerlich aufrecht zu erhalten sein dürfte.

(Schluß folgt.)




Eine Wanderung durch Schwaben.
von Richard Mulder.

ick zu wenig bekannt ist dem Deutschen sein Vaterland. Nach
Italien glaubt jeder wandern zu müssen, der sich in alte Zeiten
zurückversetzen will. Um sich in die Antike zurückzutrüumcn, geht
man nach Pompeji, um das Bild einer Stadt aus der frühchrist¬
lichen Zeit zu erhalten, nach Ravenna, um das trotzige Mittel-
alter kennen zu lernen, nach San Gimignano. Daß es auch in Deutschland
ganze Landstrecken giebt, die beinahe ebenso stolze Überreste einer großen Ver¬
gangenheit aufweisen, geben die wenigsten zu. Und doch ist an solchen Gegenden
kein Mangel. Obenan unter ihnen steht das alte Schwaben.

In Schwaben betritt der Wandrer einen uralten Kulturboden. Schon die
Römer hatten feste Plätze für ihre Legionen, Städte, Prachtbauten und Tempel


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[0023] Line Wanderung dnrch Schwaben. für unentbehrlich erklärte. Auch der Abgeordnete von Patow als früherer Finanzminister hatte sich bei der Verhandlung von 1868 in gleichem Sinne ausgesprochen. Abermals wurden die Verhältnisse der Seehandlung am 29. November 1878 in betracht gezogen, und namentlich erklärte sich der Abgeordnete Windthorst für deren „Beseitigung." Nun stimmte auch der Abgeordnete Richter ihm bei, da er jetzt den Moment zu ihrer Auflösung für gekommen erachtete. Dagegen wurde nun von konservativer Seite erklärt, daß man bei der zur Zeit ob¬ waltenden ungünstigen Finanzlage eine Einnahmequelle des Staates zu beseitigen Bedenken tragen müsse. Hiernach wurde ein Antrag garnicht gestellt. (Seen. Ber. S. 115—120.) So hat die Seehandlung nnter dem Widerstreite der Parteien und der Gunst der Regierung ihr Dasein gefristet und besteht mit ihrem umfangreichen Geschäftsbetriebe und ihrem mehr als dreißig Millionen Mark betragenden Dotationskapital noch heute. In ihrem Besitze befinden sich auch noch mehrere der aus früherer Zeit überkommenen industrielle» Etablissements. Ob der Fortbestand dieses Instituts bei dem gleichzeitigen Bestände der Reichsbank wirklich ein Bedürfnis für Preußen sei, darüber wollen wir hier kein ab¬ sprechendes Urteil fällen. Jedenfalls bildet dieselbe eine Anomalie, die auf die Länge der Zeit wohl schwerlich aufrecht zu erhalten sein dürfte. (Schluß folgt.) Eine Wanderung durch Schwaben. von Richard Mulder. ick zu wenig bekannt ist dem Deutschen sein Vaterland. Nach Italien glaubt jeder wandern zu müssen, der sich in alte Zeiten zurückversetzen will. Um sich in die Antike zurückzutrüumcn, geht man nach Pompeji, um das Bild einer Stadt aus der frühchrist¬ lichen Zeit zu erhalten, nach Ravenna, um das trotzige Mittel- alter kennen zu lernen, nach San Gimignano. Daß es auch in Deutschland ganze Landstrecken giebt, die beinahe ebenso stolze Überreste einer großen Ver¬ gangenheit aufweisen, geben die wenigsten zu. Und doch ist an solchen Gegenden kein Mangel. Obenan unter ihnen steht das alte Schwaben. In Schwaben betritt der Wandrer einen uralten Kulturboden. Schon die Römer hatten feste Plätze für ihre Legionen, Städte, Prachtbauten und Tempel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/23>, abgerufen am 02.05.2024.