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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

der Verteilung der Summe nahm Wellington, dem altenglischen Brauche getreu,
für sein Land sofort ein Viertel der zwölf Millionen Rente in Anspruch, sodaß
die britischen Gläubiger fast vollständig befriedigt wurden, während die Deutsche"
sich mit einem Sechstel ihrer Forderungen begnügen mußten. (Treitschke, II, S. 449.)

(Fortsetzung folgt.)




Die landwirtschaftliche Muster-Gnquete in Vater.
(Schluß.)
5. Pachtwesen.

le die Kaufpreise der Liegenschaften, so findet unser Erhebungs¬
bericht auch die Pachtzinse gegenüber dem Ertragswert der Pacht-
guter viel zu hoch. Wir geben zu, daß die Pächter in der Regel
nur einen äußerst geringfügigen Verdienst aus der Bewirtschaftung
ihrer Pachtgüter ziehen; wenn aber die amtliche Darstellung an¬
nimmt, daß nun den VerPächtern ein großer Reinertrag bleiben müsse, so trifft
dies nicht zu. Die Pachtzinsen, welche als durchschnittliche für die einzelnen
Erhebungsgemeindcu angeführt werden, erscheinen allerdings hoch, selbst gegen¬
über den den Ertragswert übersteigenden Kaufwerten (z, B. Mingolsheim:

Wert des Morgens Ackerland 1760 Mark; Pachtzins durchschnittlich S9 Mark,
" " " Wiesenland 2060 " " " SS "

während ebendaselbst der Pachtzins für Wiesenland bis zum höchsten Betrage
von 190 Mark für den Morgen steigt). Mit diesen Pachtzinsen allein kann
man aber nicht rechnen. Die amtliche Darstellung selbst giebt zu, daß der Ver¬
Pächter die öffentlichen Lasten zu tragen pflege. Weiter hat der VerPächter
aber auch seinen Verwaltungsaufwand zu berechnen, und für Hofgüter kommen
noch häufige und kostspielige Bauten und Gebciudereparatureu in Betracht. Wie
trotzdem in der zusammenfassenden Darstellung der Erhebungsresultate in einer
Weise von den hohen Pachtzinsen gesprochen werden kann, welche mindestens
die Vermutung sehr nahelegt, als könne der Pachtzins in seiner ganzen Höhe
als Reinertrag betrachtet werden, ist uns unfaßlich.

Es ist kein Wunder, daß die liberalen Blätter an diesem Punkte einsetzten
und die willkommene Gelegenheit wahrnahmen, den grundherrlichen Adel, als
den Besitzer der meisten verpachteten Ländereien, anzugreifen und zu behaupten,
derselbe habe keine Veranlassung, über einen Notstand Klage zu führen. Die


Die landwirtschaftliche Muster - Lnquete in Baden.

der Verteilung der Summe nahm Wellington, dem altenglischen Brauche getreu,
für sein Land sofort ein Viertel der zwölf Millionen Rente in Anspruch, sodaß
die britischen Gläubiger fast vollständig befriedigt wurden, während die Deutsche»
sich mit einem Sechstel ihrer Forderungen begnügen mußten. (Treitschke, II, S. 449.)

(Fortsetzung folgt.)




Die landwirtschaftliche Muster-Gnquete in Vater.
(Schluß.)
5. Pachtwesen.

le die Kaufpreise der Liegenschaften, so findet unser Erhebungs¬
bericht auch die Pachtzinse gegenüber dem Ertragswert der Pacht-
guter viel zu hoch. Wir geben zu, daß die Pächter in der Regel
nur einen äußerst geringfügigen Verdienst aus der Bewirtschaftung
ihrer Pachtgüter ziehen; wenn aber die amtliche Darstellung an¬
nimmt, daß nun den VerPächtern ein großer Reinertrag bleiben müsse, so trifft
dies nicht zu. Die Pachtzinsen, welche als durchschnittliche für die einzelnen
Erhebungsgemeindcu angeführt werden, erscheinen allerdings hoch, selbst gegen¬
über den den Ertragswert übersteigenden Kaufwerten (z, B. Mingolsheim:

Wert des Morgens Ackerland 1760 Mark; Pachtzins durchschnittlich S9 Mark,
„ „ „ Wiesenland 2060 „ „ „ SS „

während ebendaselbst der Pachtzins für Wiesenland bis zum höchsten Betrage
von 190 Mark für den Morgen steigt). Mit diesen Pachtzinsen allein kann
man aber nicht rechnen. Die amtliche Darstellung selbst giebt zu, daß der Ver¬
Pächter die öffentlichen Lasten zu tragen pflege. Weiter hat der VerPächter
aber auch seinen Verwaltungsaufwand zu berechnen, und für Hofgüter kommen
noch häufige und kostspielige Bauten und Gebciudereparatureu in Betracht. Wie
trotzdem in der zusammenfassenden Darstellung der Erhebungsresultate in einer
Weise von den hohen Pachtzinsen gesprochen werden kann, welche mindestens
die Vermutung sehr nahelegt, als könne der Pachtzins in seiner ganzen Höhe
als Reinertrag betrachtet werden, ist uns unfaßlich.

Es ist kein Wunder, daß die liberalen Blätter an diesem Punkte einsetzten
und die willkommene Gelegenheit wahrnahmen, den grundherrlichen Adel, als
den Besitzer der meisten verpachteten Ländereien, anzugreifen und zu behaupten,
derselbe habe keine Veranlassung, über einen Notstand Klage zu führen. Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/506>, abgerufen am 02.05.2024.