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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Parole.

er diesmalige Wahlkampf in Deutschland findet unter wesentlich
geklärteren Verhältnissen statt als die zuletzt vorausgegangenen,
und mit Recht hat Herr Eugen Richter in einer seiner Dach¬
predigten nachdrücklich das Verdienst hervorgehoben, welches die
Linkslibercilen sich um diese Klärung erworben haben. Die Be¬
völkerung beginnt, sich in zwei große Lager zu sammeln, und das Erkennungs¬
zeichen lautet: National oder Nichtnational? Unter jeder von beiden Fahnen
ist Raum für mannichfaltige Meinungsverschiedenheiten in politischen, religiösen
und wirtschaftlichen Fragen; aber wie unsre Gegner, welche wir in Bausch und
Bogen die Internationalen nennen können, beim Abschluß der Wahlbündnisse
einander nicht nach den besondern Ursachen der Abneigung gegen eine wahrhaft
nationale Politik befragen, so müssen auf unsrer Seite alle Gegensätze schweigen
bis nach dem Tage der Schlacht, welcher hoffentlich der Tag eines großen
Sieges sein wird.

Unser Ideal ist es nicht, daß darauf ausgegangen werden müsse, womöglich
die Feinde bis auf den letzten Mann vom Schauplatze zu verjagen, wir möchten
in dem Reichstage eine wirkliche Vertretung der ganzen Nation, ein verkleinerndes
Spiegelbild derselben mit all ihren Überzeugungen und Interessen sehen. Doch
o'sse 1a Ausrrö! Die freisinnigen und klerikalen Kriegstänze mit obligater
Vokal- und Instrumentalbegleitung kündigen uns an, daß wir auf keinen Pardon
zu rechnen haben würden, mithin auch keinen geben dürfen. Und mag da drüben
noch soviel Komödie und blasse Renommage aufgeboten werden: die Wut gegen
die in der Entstehung begriffene nationale Partei ist sicherlich echt, und bedürfte
diese Partei noch einer Rechtfertigung, so würde der Geifer der Richterschen
und der Kaplcmpresse sie liefern. Es wird ja wieder eine Zeit des Friedens


Grenzboten III. 1334. 74


Die Parole.

er diesmalige Wahlkampf in Deutschland findet unter wesentlich
geklärteren Verhältnissen statt als die zuletzt vorausgegangenen,
und mit Recht hat Herr Eugen Richter in einer seiner Dach¬
predigten nachdrücklich das Verdienst hervorgehoben, welches die
Linkslibercilen sich um diese Klärung erworben haben. Die Be¬
völkerung beginnt, sich in zwei große Lager zu sammeln, und das Erkennungs¬
zeichen lautet: National oder Nichtnational? Unter jeder von beiden Fahnen
ist Raum für mannichfaltige Meinungsverschiedenheiten in politischen, religiösen
und wirtschaftlichen Fragen; aber wie unsre Gegner, welche wir in Bausch und
Bogen die Internationalen nennen können, beim Abschluß der Wahlbündnisse
einander nicht nach den besondern Ursachen der Abneigung gegen eine wahrhaft
nationale Politik befragen, so müssen auf unsrer Seite alle Gegensätze schweigen
bis nach dem Tage der Schlacht, welcher hoffentlich der Tag eines großen
Sieges sein wird.

Unser Ideal ist es nicht, daß darauf ausgegangen werden müsse, womöglich
die Feinde bis auf den letzten Mann vom Schauplatze zu verjagen, wir möchten
in dem Reichstage eine wirkliche Vertretung der ganzen Nation, ein verkleinerndes
Spiegelbild derselben mit all ihren Überzeugungen und Interessen sehen. Doch
o'sse 1a Ausrrö! Die freisinnigen und klerikalen Kriegstänze mit obligater
Vokal- und Instrumentalbegleitung kündigen uns an, daß wir auf keinen Pardon
zu rechnen haben würden, mithin auch keinen geben dürfen. Und mag da drüben
noch soviel Komödie und blasse Renommage aufgeboten werden: die Wut gegen
die in der Entstehung begriffene nationale Partei ist sicherlich echt, und bedürfte
diese Partei noch einer Rechtfertigung, so würde der Geifer der Richterschen
und der Kaplcmpresse sie liefern. Es wird ja wieder eine Zeit des Friedens


Grenzboten III. 1334. 74
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[0593] [Abbildung] Die Parole. er diesmalige Wahlkampf in Deutschland findet unter wesentlich geklärteren Verhältnissen statt als die zuletzt vorausgegangenen, und mit Recht hat Herr Eugen Richter in einer seiner Dach¬ predigten nachdrücklich das Verdienst hervorgehoben, welches die Linkslibercilen sich um diese Klärung erworben haben. Die Be¬ völkerung beginnt, sich in zwei große Lager zu sammeln, und das Erkennungs¬ zeichen lautet: National oder Nichtnational? Unter jeder von beiden Fahnen ist Raum für mannichfaltige Meinungsverschiedenheiten in politischen, religiösen und wirtschaftlichen Fragen; aber wie unsre Gegner, welche wir in Bausch und Bogen die Internationalen nennen können, beim Abschluß der Wahlbündnisse einander nicht nach den besondern Ursachen der Abneigung gegen eine wahrhaft nationale Politik befragen, so müssen auf unsrer Seite alle Gegensätze schweigen bis nach dem Tage der Schlacht, welcher hoffentlich der Tag eines großen Sieges sein wird. Unser Ideal ist es nicht, daß darauf ausgegangen werden müsse, womöglich die Feinde bis auf den letzten Mann vom Schauplatze zu verjagen, wir möchten in dem Reichstage eine wirkliche Vertretung der ganzen Nation, ein verkleinerndes Spiegelbild derselben mit all ihren Überzeugungen und Interessen sehen. Doch o'sse 1a Ausrrö! Die freisinnigen und klerikalen Kriegstänze mit obligater Vokal- und Instrumentalbegleitung kündigen uns an, daß wir auf keinen Pardon zu rechnen haben würden, mithin auch keinen geben dürfen. Und mag da drüben noch soviel Komödie und blasse Renommage aufgeboten werden: die Wut gegen die in der Entstehung begriffene nationale Partei ist sicherlich echt, und bedürfte diese Partei noch einer Rechtfertigung, so würde der Geifer der Richterschen und der Kaplcmpresse sie liefern. Es wird ja wieder eine Zeit des Friedens Grenzboten III. 1334. 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/593>, abgerufen am 02.05.2024.