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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Gngel auf Grden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Schluß.)

-M^N.it ganz andern Gefühlen sah es der junge Graf von Valgrande
an, daß man gerade die Straße nach Colloretto einschlug. Als
er hörte, daß nach dieser Richtung hin der Platz lag, wo das
Duell stattfinden sollte, sagte er allerdings kein Wort, um nicht
der Schwache geziehen zu werden, aber ein trübes Vorgefühl
wollte ihn befangen.

Man hätte aber keinen bessern Platz wählen können. Er lag am Gebirge
und bildete eine Art von Amphitheater; das Terrain war eben und das Licht
gleichmäßig verteilt. In der frühen Morgenstunde war die Straße wenig be¬
sucht, und man brauchte nicht zu fürchten, gestört zu werden. Das Terrain
war durch das Gewitter der vergangnen Nacht hie und da etwas aufgeweicht,
aber in der Mitte war trockener Kiesboden, sodaß die Duellanten dreist darauf
treten konnten.

Es war ein herrlicher Morgen, die Landschaft prangte im ganzen Zauber
ihrer Schönheit. Während die Sekundanten die Plätze auskosten und die
Klingen prüften, blickte Paul mit entzückten Augen um sich, er fühlte seinen
Atem freier und kräftiger und seine Seele gestärkt und beruhigt.

Cerci näherte sich ihm.

Weißt du wohl, sagte Paul heiter, daß ich, wenn ich falle, in diesem
schönen Winkel der Erde nicht schlecht ruhen werde? Du wirst mich hier nach
Osten zu begraben, mit meinem Moschillo an der Seite. Dieser Platz wird
auch ihm gefallen.

Zwei Minuten später standen sich die Kämpfer mit gekreuzten Klingen
gegenüber.

Ich will Euern Tod nicht. Wollt Ihr den meinen? war Pauls Gedanke,
dessen Zorn vom Tage vorher völlig verraucht war. Er blickte den jungen
Grafen an und dachte an die fünfundzwanzig Jahre seines Gegners; er ent¬
setzte sich vor dem Gedanken, daß dessen Jugend wegen ein paar Worten und
Blicken mitten in ihrer Blüte geknickt werden könnte.




Die Gngel auf Grden.
Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen.
(Schluß.)

-M^N.it ganz andern Gefühlen sah es der junge Graf von Valgrande
an, daß man gerade die Straße nach Colloretto einschlug. Als
er hörte, daß nach dieser Richtung hin der Platz lag, wo das
Duell stattfinden sollte, sagte er allerdings kein Wort, um nicht
der Schwache geziehen zu werden, aber ein trübes Vorgefühl
wollte ihn befangen.

Man hätte aber keinen bessern Platz wählen können. Er lag am Gebirge
und bildete eine Art von Amphitheater; das Terrain war eben und das Licht
gleichmäßig verteilt. In der frühen Morgenstunde war die Straße wenig be¬
sucht, und man brauchte nicht zu fürchten, gestört zu werden. Das Terrain
war durch das Gewitter der vergangnen Nacht hie und da etwas aufgeweicht,
aber in der Mitte war trockener Kiesboden, sodaß die Duellanten dreist darauf
treten konnten.

Es war ein herrlicher Morgen, die Landschaft prangte im ganzen Zauber
ihrer Schönheit. Während die Sekundanten die Plätze auskosten und die
Klingen prüften, blickte Paul mit entzückten Augen um sich, er fühlte seinen
Atem freier und kräftiger und seine Seele gestärkt und beruhigt.

Cerci näherte sich ihm.

Weißt du wohl, sagte Paul heiter, daß ich, wenn ich falle, in diesem
schönen Winkel der Erde nicht schlecht ruhen werde? Du wirst mich hier nach
Osten zu begraben, mit meinem Moschillo an der Seite. Dieser Platz wird
auch ihm gefallen.

Zwei Minuten später standen sich die Kämpfer mit gekreuzten Klingen
gegenüber.

Ich will Euern Tod nicht. Wollt Ihr den meinen? war Pauls Gedanke,
dessen Zorn vom Tage vorher völlig verraucht war. Er blickte den jungen
Grafen an und dachte an die fünfundzwanzig Jahre seines Gegners; er ent¬
setzte sich vor dem Gedanken, daß dessen Jugend wegen ein paar Worten und
Blicken mitten in ihrer Blüte geknickt werden könnte.


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[0628] [Abbildung] Die Gngel auf Grden. Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen. (Schluß.) -M^N.it ganz andern Gefühlen sah es der junge Graf von Valgrande an, daß man gerade die Straße nach Colloretto einschlug. Als er hörte, daß nach dieser Richtung hin der Platz lag, wo das Duell stattfinden sollte, sagte er allerdings kein Wort, um nicht der Schwache geziehen zu werden, aber ein trübes Vorgefühl wollte ihn befangen. Man hätte aber keinen bessern Platz wählen können. Er lag am Gebirge und bildete eine Art von Amphitheater; das Terrain war eben und das Licht gleichmäßig verteilt. In der frühen Morgenstunde war die Straße wenig be¬ sucht, und man brauchte nicht zu fürchten, gestört zu werden. Das Terrain war durch das Gewitter der vergangnen Nacht hie und da etwas aufgeweicht, aber in der Mitte war trockener Kiesboden, sodaß die Duellanten dreist darauf treten konnten. Es war ein herrlicher Morgen, die Landschaft prangte im ganzen Zauber ihrer Schönheit. Während die Sekundanten die Plätze auskosten und die Klingen prüften, blickte Paul mit entzückten Augen um sich, er fühlte seinen Atem freier und kräftiger und seine Seele gestärkt und beruhigt. Cerci näherte sich ihm. Weißt du wohl, sagte Paul heiter, daß ich, wenn ich falle, in diesem schönen Winkel der Erde nicht schlecht ruhen werde? Du wirst mich hier nach Osten zu begraben, mit meinem Moschillo an der Seite. Dieser Platz wird auch ihm gefallen. Zwei Minuten später standen sich die Kämpfer mit gekreuzten Klingen gegenüber. Ich will Euern Tod nicht. Wollt Ihr den meinen? war Pauls Gedanke, dessen Zorn vom Tage vorher völlig verraucht war. Er blickte den jungen Grafen an und dachte an die fünfundzwanzig Jahre seines Gegners; er ent¬ setzte sich vor dem Gedanken, daß dessen Jugend wegen ein paar Worten und Blicken mitten in ihrer Blüte geknickt werden könnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/628>, abgerufen am 02.05.2024.