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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Marie von Glfers.

storisch beglaubigte und erfundene, irgendeiner Person ganz willkürlich beigelegte
Mottos bunt durcheinander; eine schwierige Aufgabe wird es freilich sein, den
Beweis der Echtheit in jedem Falle zu führen, doch sollte bei einer folgenden
Auflage wenigstens der Versuch dazu gemacht werden, vorläufig sind zu einer
historischen Sichtung nur an sehr wenigen Stellen schwache Anfänge gemacht.
So sind z. B. die Mottos der deutschen Kaiser, welche unter den Kaiserbildcrn
im Römer zu Frankfurt angebracht sind, sämtlich ohne irgendwelche Bemerkung
aufgenommen, wiewohl ein guter Teil der älteren frei erfunden ist. Ferner
wäre es erforderlich, daß in den Anmerkungen stets darauf hingewiesen würde,
ob die Devise von der betreffenden Person wirklich im Leben geführt worden
ist, oder ob sie nur auf ein einzelnes vorübergehendes Ereignis Bezug hat.
Ebenso wünschenswert wäre die Angabe, ob der Spruch sich in einem Stamm¬
buche findet oder auf Münzen, Medaillen, Siegeln und dergleichen. Von Jo¬
hanna D'Arc sind fünf Wahlspruche verzeichnet; es ist uns nicht gelungen, auch
nur von einem einzigen zu erweisen, daß ihn die Jungfrau geführt habe, bei
einigen ist es klar, daß sie nur auf späteren Denkmünzen angebracht waren.
Die Quelle von dergleichen unhistorischen Devisen sind wohl meist die am Ende
des sechzehnten und am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zahlreich er¬
schienenen Sammlungen von Emblemen, welche in willkürlichster Weise Fürsten
und hervorragenden Personen des Mittelalters und der Reformationszeit De¬
visen und Sentenzen beilegen.

Im übrigen wird das Dielitzschc Werk, namentlich beim Aufsuchen von
Familiendeviscn, schon vermöge seiner Reichhaltigkeit und seiner praktischen An¬
ordnung, die besten Dienste leisten.




Marie von Glfers.

an kann nicht sagen, daß heutzutage zu wenig rezensirt würde;
im Gegenteil, nur zuviel. Jedes Lvkalblcittchen in jedem kleinen
Nest hat seine Rubrik für "Literatur, Kunst und Wissenschaft."
Und doch giebt es Erscheinungen, von denen man sehr wenig
sprechen hört, so wertvoll sie auch sind und so gern man sich
über sie unterrichten ließe. Das kommt daher, daß auch die Kritik ihre große
Heerstraße hat. Nicht daß etwa alle Kritik wirklich bloß der Kameraderie ent¬
spränge, obgleich dies natürlich zum großen Teile der Fall ist, im Grunde von
jeher so war und bis zu einem gewissen Grade auch eine Art von Berech¬
tigung hat; aber auch in der Kritik giebts eine Mode und eine allgemeine


Marie von Glfers.

storisch beglaubigte und erfundene, irgendeiner Person ganz willkürlich beigelegte
Mottos bunt durcheinander; eine schwierige Aufgabe wird es freilich sein, den
Beweis der Echtheit in jedem Falle zu führen, doch sollte bei einer folgenden
Auflage wenigstens der Versuch dazu gemacht werden, vorläufig sind zu einer
historischen Sichtung nur an sehr wenigen Stellen schwache Anfänge gemacht.
So sind z. B. die Mottos der deutschen Kaiser, welche unter den Kaiserbildcrn
im Römer zu Frankfurt angebracht sind, sämtlich ohne irgendwelche Bemerkung
aufgenommen, wiewohl ein guter Teil der älteren frei erfunden ist. Ferner
wäre es erforderlich, daß in den Anmerkungen stets darauf hingewiesen würde,
ob die Devise von der betreffenden Person wirklich im Leben geführt worden
ist, oder ob sie nur auf ein einzelnes vorübergehendes Ereignis Bezug hat.
Ebenso wünschenswert wäre die Angabe, ob der Spruch sich in einem Stamm¬
buche findet oder auf Münzen, Medaillen, Siegeln und dergleichen. Von Jo¬
hanna D'Arc sind fünf Wahlspruche verzeichnet; es ist uns nicht gelungen, auch
nur von einem einzigen zu erweisen, daß ihn die Jungfrau geführt habe, bei
einigen ist es klar, daß sie nur auf späteren Denkmünzen angebracht waren.
Die Quelle von dergleichen unhistorischen Devisen sind wohl meist die am Ende
des sechzehnten und am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zahlreich er¬
schienenen Sammlungen von Emblemen, welche in willkürlichster Weise Fürsten
und hervorragenden Personen des Mittelalters und der Reformationszeit De¬
visen und Sentenzen beilegen.

Im übrigen wird das Dielitzschc Werk, namentlich beim Aufsuchen von
Familiendeviscn, schon vermöge seiner Reichhaltigkeit und seiner praktischen An¬
ordnung, die besten Dienste leisten.




Marie von Glfers.

an kann nicht sagen, daß heutzutage zu wenig rezensirt würde;
im Gegenteil, nur zuviel. Jedes Lvkalblcittchen in jedem kleinen
Nest hat seine Rubrik für „Literatur, Kunst und Wissenschaft."
Und doch giebt es Erscheinungen, von denen man sehr wenig
sprechen hört, so wertvoll sie auch sind und so gern man sich
über sie unterrichten ließe. Das kommt daher, daß auch die Kritik ihre große
Heerstraße hat. Nicht daß etwa alle Kritik wirklich bloß der Kameraderie ent¬
spränge, obgleich dies natürlich zum großen Teile der Fall ist, im Grunde von
jeher so war und bis zu einem gewissen Grade auch eine Art von Berech¬
tigung hat; aber auch in der Kritik giebts eine Mode und eine allgemeine


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[0135] Marie von Glfers. storisch beglaubigte und erfundene, irgendeiner Person ganz willkürlich beigelegte Mottos bunt durcheinander; eine schwierige Aufgabe wird es freilich sein, den Beweis der Echtheit in jedem Falle zu führen, doch sollte bei einer folgenden Auflage wenigstens der Versuch dazu gemacht werden, vorläufig sind zu einer historischen Sichtung nur an sehr wenigen Stellen schwache Anfänge gemacht. So sind z. B. die Mottos der deutschen Kaiser, welche unter den Kaiserbildcrn im Römer zu Frankfurt angebracht sind, sämtlich ohne irgendwelche Bemerkung aufgenommen, wiewohl ein guter Teil der älteren frei erfunden ist. Ferner wäre es erforderlich, daß in den Anmerkungen stets darauf hingewiesen würde, ob die Devise von der betreffenden Person wirklich im Leben geführt worden ist, oder ob sie nur auf ein einzelnes vorübergehendes Ereignis Bezug hat. Ebenso wünschenswert wäre die Angabe, ob der Spruch sich in einem Stamm¬ buche findet oder auf Münzen, Medaillen, Siegeln und dergleichen. Von Jo¬ hanna D'Arc sind fünf Wahlspruche verzeichnet; es ist uns nicht gelungen, auch nur von einem einzigen zu erweisen, daß ihn die Jungfrau geführt habe, bei einigen ist es klar, daß sie nur auf späteren Denkmünzen angebracht waren. Die Quelle von dergleichen unhistorischen Devisen sind wohl meist die am Ende des sechzehnten und am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts zahlreich er¬ schienenen Sammlungen von Emblemen, welche in willkürlichster Weise Fürsten und hervorragenden Personen des Mittelalters und der Reformationszeit De¬ visen und Sentenzen beilegen. Im übrigen wird das Dielitzschc Werk, namentlich beim Aufsuchen von Familiendeviscn, schon vermöge seiner Reichhaltigkeit und seiner praktischen An¬ ordnung, die besten Dienste leisten. Marie von Glfers. an kann nicht sagen, daß heutzutage zu wenig rezensirt würde; im Gegenteil, nur zuviel. Jedes Lvkalblcittchen in jedem kleinen Nest hat seine Rubrik für „Literatur, Kunst und Wissenschaft." Und doch giebt es Erscheinungen, von denen man sehr wenig sprechen hört, so wertvoll sie auch sind und so gern man sich über sie unterrichten ließe. Das kommt daher, daß auch die Kritik ihre große Heerstraße hat. Nicht daß etwa alle Kritik wirklich bloß der Kameraderie ent¬ spränge, obgleich dies natürlich zum großen Teile der Fall ist, im Grunde von jeher so war und bis zu einem gewissen Grade auch eine Art von Berech¬ tigung hat; aber auch in der Kritik giebts eine Mode und eine allgemeine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/135>, abgerufen am 08.05.2024.