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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Mecklenburger Welsen.

ier Würmer nagen an Igdrasils Esche, heißt es in der Edda
und so geht es auch dem deutschen Reiche. Der wunderlichste
von den Würmern aber, die an seinen Wurzeln sitzen, ist der
Welfenwurm in Mecklenburg. Er ist ebenso grimmig als bornirt,
aber glücklicherweise so klein und unschädlich, daß wir sein Nagen
erst jetzt gewahr wurden, und davon eigentlich nur zum Beweise, daß es auch
jetzt noch närrische Käuze giebt, Notiz nehmen und Mitteilung machen.

Vor uns liegt die Nummer eines Blättchens, das sich "Der Mecklen¬
burger" nennt, von einem Herrn Paul Prittwitz in Brudersdorf bei Dargun
herausgegeben und redigirt wird und eine Partei hinter sich hat, die ihm be¬
hilflich gewesen ist, sein Leben bis in den vierten Jahrgang hinein zu fristen.
Näher wird uns diese "altmecklenburgisch-föderalistische Wochenschrift" als das
Organ der feudalen Hochtorypartei Mecklenburgs bezeichnet, welche mit den mi¬
nisteriellen Konservativen im Ländchen nicht verwechselt werden darf. Unter¬
halten wird sie mit dem Gelde obotritischer Grafen, Freiherren und dergleichen,
die nichts gelernt und nichts vergessen haben. Ihr Ziel endlich ist nach der
einen Richtung hin einfältige Verunglimpfung der Schöpfungen von 1866
und 1870, nach der andern Vertretung und Empfehlung Kliefothscher Weis¬
heit und Tugend. Nach seiner eignen Erklärung sind dem "Mecklenburger" des
Herrn Prittwitz Gesinnungsgenossen alle die, "welche . . . schlechtweg in Ab¬
rede nehmen, daß die Blut- und Eisenkur von 66/70 dem deutschen Volke eine
heilsame gewesen, die aus ihr folgende Entwicklung eine gesunde sei; welche
durch den trügerischen Schein äußerlichen Wohlbefindens über die immer ra¬
pider zunehmende innere Auflösung sich nicht täuschen lassen und dieselbe mit
Recht für eine unvermeidliche Folge jener Kur erklären; welche endlich alle


Grenzboten IV. 1884. 20


Mecklenburger Welsen.

ier Würmer nagen an Igdrasils Esche, heißt es in der Edda
und so geht es auch dem deutschen Reiche. Der wunderlichste
von den Würmern aber, die an seinen Wurzeln sitzen, ist der
Welfenwurm in Mecklenburg. Er ist ebenso grimmig als bornirt,
aber glücklicherweise so klein und unschädlich, daß wir sein Nagen
erst jetzt gewahr wurden, und davon eigentlich nur zum Beweise, daß es auch
jetzt noch närrische Käuze giebt, Notiz nehmen und Mitteilung machen.

Vor uns liegt die Nummer eines Blättchens, das sich „Der Mecklen¬
burger" nennt, von einem Herrn Paul Prittwitz in Brudersdorf bei Dargun
herausgegeben und redigirt wird und eine Partei hinter sich hat, die ihm be¬
hilflich gewesen ist, sein Leben bis in den vierten Jahrgang hinein zu fristen.
Näher wird uns diese „altmecklenburgisch-föderalistische Wochenschrift" als das
Organ der feudalen Hochtorypartei Mecklenburgs bezeichnet, welche mit den mi¬
nisteriellen Konservativen im Ländchen nicht verwechselt werden darf. Unter¬
halten wird sie mit dem Gelde obotritischer Grafen, Freiherren und dergleichen,
die nichts gelernt und nichts vergessen haben. Ihr Ziel endlich ist nach der
einen Richtung hin einfältige Verunglimpfung der Schöpfungen von 1866
und 1870, nach der andern Vertretung und Empfehlung Kliefothscher Weis¬
heit und Tugend. Nach seiner eignen Erklärung sind dem „Mecklenburger" des
Herrn Prittwitz Gesinnungsgenossen alle die, „welche . . . schlechtweg in Ab¬
rede nehmen, daß die Blut- und Eisenkur von 66/70 dem deutschen Volke eine
heilsame gewesen, die aus ihr folgende Entwicklung eine gesunde sei; welche
durch den trügerischen Schein äußerlichen Wohlbefindens über die immer ra¬
pider zunehmende innere Auflösung sich nicht täuschen lassen und dieselbe mit
Recht für eine unvermeidliche Folge jener Kur erklären; welche endlich alle


Grenzboten IV. 1884. 20
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[0161] [Abbildung] Mecklenburger Welsen. ier Würmer nagen an Igdrasils Esche, heißt es in der Edda und so geht es auch dem deutschen Reiche. Der wunderlichste von den Würmern aber, die an seinen Wurzeln sitzen, ist der Welfenwurm in Mecklenburg. Er ist ebenso grimmig als bornirt, aber glücklicherweise so klein und unschädlich, daß wir sein Nagen erst jetzt gewahr wurden, und davon eigentlich nur zum Beweise, daß es auch jetzt noch närrische Käuze giebt, Notiz nehmen und Mitteilung machen. Vor uns liegt die Nummer eines Blättchens, das sich „Der Mecklen¬ burger" nennt, von einem Herrn Paul Prittwitz in Brudersdorf bei Dargun herausgegeben und redigirt wird und eine Partei hinter sich hat, die ihm be¬ hilflich gewesen ist, sein Leben bis in den vierten Jahrgang hinein zu fristen. Näher wird uns diese „altmecklenburgisch-föderalistische Wochenschrift" als das Organ der feudalen Hochtorypartei Mecklenburgs bezeichnet, welche mit den mi¬ nisteriellen Konservativen im Ländchen nicht verwechselt werden darf. Unter¬ halten wird sie mit dem Gelde obotritischer Grafen, Freiherren und dergleichen, die nichts gelernt und nichts vergessen haben. Ihr Ziel endlich ist nach der einen Richtung hin einfältige Verunglimpfung der Schöpfungen von 1866 und 1870, nach der andern Vertretung und Empfehlung Kliefothscher Weis¬ heit und Tugend. Nach seiner eignen Erklärung sind dem „Mecklenburger" des Herrn Prittwitz Gesinnungsgenossen alle die, „welche . . . schlechtweg in Ab¬ rede nehmen, daß die Blut- und Eisenkur von 66/70 dem deutschen Volke eine heilsame gewesen, die aus ihr folgende Entwicklung eine gesunde sei; welche durch den trügerischen Schein äußerlichen Wohlbefindens über die immer ra¬ pider zunehmende innere Auflösung sich nicht täuschen lassen und dieselbe mit Recht für eine unvermeidliche Folge jener Kur erklären; welche endlich alle Grenzboten IV. 1884. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/161>, abgerufen am 07.05.2024.