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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle,

Um was handelt es sich, Knabe Eberhard? . . Wenn die Herren sich vielleicht
einbilden, daß ich, Doktor A. A. Asche, vorhin aus inniger Neigung in meinem
angeborenen Element plätscherte, daß ich hier wie 'ne Kölnische Klosterjungfer
gegenüber dem Jülichsplatz in meinem Lg.n as OoloZns schwimme und mich
selber mit Wonne rieche, so irren sie sich. Auch der Gelehrte, der Chemiker
bleibt am Ende Mensch -- Nase -- Lunge! Es ist zwar schön, aber durchaus
nicht angenehm, auf dem Gipfel seiner wissenschaftlichen Bestrebungen dann und
wann ohnmächtig zu werden; und -- wißt Ihr was, Leute? Feierabend ist
es doch -- ich gehe am besten mit euch nach dem blauen Bock und vernehme
dort in gesünderen atmosphärischen Verhältnissen das, worüber Sie meinen be¬
scheidenen Rat einzuholen wünschen, Vater Pfister.

Das ist wenigstens ein Wort, was sich hören läßt, sagte mein Vater, Das
ist sogar ein vernünftiges Wort, Adam, und ich nehme Sie dabei und warte
mit dem Ebert so lange draußen auf der Treppe, bis Sie sich hier drinnen ge¬
waschen und angezogen haben. Nicht wahr, Sie nehmen das einem alten Manne,
der sonst schon tief genug im Morast sitzt, nicht übel?

Durchaus nicht! lachte der Doktor, und nach fünf Minuten befanden wir
uns auf dem Wege nach dem blauen Bock. Wieviel Verdruß, Ärger und leider
auch herzabfrefsenden Kummer Vater Pfister noch von Pfisters untergehender
Mühle haben sollte, das ist mir wenigstens ein Trost, daß er dabei zur Rechten
wie zur Linken jemand hatte, der, wie treue Söhne sollen, Leib und Seele hin¬
gegeben hätte, ihm seine letzten Schritte durch die schlimme Welt behaglicher zu
machen. Er ist doch noch mehr als einmal zu einem vergnüglichen Knurren
und herzlichen Lachen in seiner alten Weise gekommen, ehe es aus mit ihm war.

Wo bleiben alle die Bilder?




Zehntes Blatt.
Der blaueBock und ein Tag Adams und Lvas in der Schlehengasse.

Ich nahm Emmy nicht weiter mit in den blauen Bock; wir gingen denn
doch endlich lieber zu Bett in der stillen Mühle, und das Kind mit seinem un¬
schuldigen besten Gewissen entschlummerte auch sofort und drehte sich nur einmal
auf die andre Seite, wie es schien, von der seltsamen Wäsche ihres guten
Freundes Doktor Adam Asche träumend.

Ich aber, wenngleich ebenfalls in "Nacht und Kissen gehüllt", blieb in der
Erinnerung noch ein wenig im blauen Bock und saß mit dem verstorbenen
Vater und dem Freunde und -- saufe, dem treuen Knecht, in der wohlbe¬
kannten Wirtsstube der weitbekannten Ausspannwirtschaft und frischte alte
Bilder auf.

Der alte Herr zahlte selbstverständlich uns hungrigem jungen Volk die Zeche,
und saufe griff in die Schüssel wie in die Unterhaltung ein und gab nicht nur


Grenzboten IV. 1884. 26
Pfisters Mühle,

Um was handelt es sich, Knabe Eberhard? . . Wenn die Herren sich vielleicht
einbilden, daß ich, Doktor A. A. Asche, vorhin aus inniger Neigung in meinem
angeborenen Element plätscherte, daß ich hier wie 'ne Kölnische Klosterjungfer
gegenüber dem Jülichsplatz in meinem Lg.n as OoloZns schwimme und mich
selber mit Wonne rieche, so irren sie sich. Auch der Gelehrte, der Chemiker
bleibt am Ende Mensch — Nase — Lunge! Es ist zwar schön, aber durchaus
nicht angenehm, auf dem Gipfel seiner wissenschaftlichen Bestrebungen dann und
wann ohnmächtig zu werden; und — wißt Ihr was, Leute? Feierabend ist
es doch — ich gehe am besten mit euch nach dem blauen Bock und vernehme
dort in gesünderen atmosphärischen Verhältnissen das, worüber Sie meinen be¬
scheidenen Rat einzuholen wünschen, Vater Pfister.

Das ist wenigstens ein Wort, was sich hören läßt, sagte mein Vater, Das
ist sogar ein vernünftiges Wort, Adam, und ich nehme Sie dabei und warte
mit dem Ebert so lange draußen auf der Treppe, bis Sie sich hier drinnen ge¬
waschen und angezogen haben. Nicht wahr, Sie nehmen das einem alten Manne,
der sonst schon tief genug im Morast sitzt, nicht übel?

Durchaus nicht! lachte der Doktor, und nach fünf Minuten befanden wir
uns auf dem Wege nach dem blauen Bock. Wieviel Verdruß, Ärger und leider
auch herzabfrefsenden Kummer Vater Pfister noch von Pfisters untergehender
Mühle haben sollte, das ist mir wenigstens ein Trost, daß er dabei zur Rechten
wie zur Linken jemand hatte, der, wie treue Söhne sollen, Leib und Seele hin¬
gegeben hätte, ihm seine letzten Schritte durch die schlimme Welt behaglicher zu
machen. Er ist doch noch mehr als einmal zu einem vergnüglichen Knurren
und herzlichen Lachen in seiner alten Weise gekommen, ehe es aus mit ihm war.

Wo bleiben alle die Bilder?




Zehntes Blatt.
Der blaueBock und ein Tag Adams und Lvas in der Schlehengasse.

Ich nahm Emmy nicht weiter mit in den blauen Bock; wir gingen denn
doch endlich lieber zu Bett in der stillen Mühle, und das Kind mit seinem un¬
schuldigen besten Gewissen entschlummerte auch sofort und drehte sich nur einmal
auf die andre Seite, wie es schien, von der seltsamen Wäsche ihres guten
Freundes Doktor Adam Asche träumend.

Ich aber, wenngleich ebenfalls in „Nacht und Kissen gehüllt", blieb in der
Erinnerung noch ein wenig im blauen Bock und saß mit dem verstorbenen
Vater und dem Freunde und — saufe, dem treuen Knecht, in der wohlbe¬
kannten Wirtsstube der weitbekannten Ausspannwirtschaft und frischte alte
Bilder auf.

Der alte Herr zahlte selbstverständlich uns hungrigem jungen Volk die Zeche,
und saufe griff in die Schüssel wie in die Unterhaltung ein und gab nicht nur


Grenzboten IV. 1884. 26
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[0201] Pfisters Mühle, Um was handelt es sich, Knabe Eberhard? . . Wenn die Herren sich vielleicht einbilden, daß ich, Doktor A. A. Asche, vorhin aus inniger Neigung in meinem angeborenen Element plätscherte, daß ich hier wie 'ne Kölnische Klosterjungfer gegenüber dem Jülichsplatz in meinem Lg.n as OoloZns schwimme und mich selber mit Wonne rieche, so irren sie sich. Auch der Gelehrte, der Chemiker bleibt am Ende Mensch — Nase — Lunge! Es ist zwar schön, aber durchaus nicht angenehm, auf dem Gipfel seiner wissenschaftlichen Bestrebungen dann und wann ohnmächtig zu werden; und — wißt Ihr was, Leute? Feierabend ist es doch — ich gehe am besten mit euch nach dem blauen Bock und vernehme dort in gesünderen atmosphärischen Verhältnissen das, worüber Sie meinen be¬ scheidenen Rat einzuholen wünschen, Vater Pfister. Das ist wenigstens ein Wort, was sich hören läßt, sagte mein Vater, Das ist sogar ein vernünftiges Wort, Adam, und ich nehme Sie dabei und warte mit dem Ebert so lange draußen auf der Treppe, bis Sie sich hier drinnen ge¬ waschen und angezogen haben. Nicht wahr, Sie nehmen das einem alten Manne, der sonst schon tief genug im Morast sitzt, nicht übel? Durchaus nicht! lachte der Doktor, und nach fünf Minuten befanden wir uns auf dem Wege nach dem blauen Bock. Wieviel Verdruß, Ärger und leider auch herzabfrefsenden Kummer Vater Pfister noch von Pfisters untergehender Mühle haben sollte, das ist mir wenigstens ein Trost, daß er dabei zur Rechten wie zur Linken jemand hatte, der, wie treue Söhne sollen, Leib und Seele hin¬ gegeben hätte, ihm seine letzten Schritte durch die schlimme Welt behaglicher zu machen. Er ist doch noch mehr als einmal zu einem vergnüglichen Knurren und herzlichen Lachen in seiner alten Weise gekommen, ehe es aus mit ihm war. Wo bleiben alle die Bilder? Zehntes Blatt. Der blaueBock und ein Tag Adams und Lvas in der Schlehengasse. Ich nahm Emmy nicht weiter mit in den blauen Bock; wir gingen denn doch endlich lieber zu Bett in der stillen Mühle, und das Kind mit seinem un¬ schuldigen besten Gewissen entschlummerte auch sofort und drehte sich nur einmal auf die andre Seite, wie es schien, von der seltsamen Wäsche ihres guten Freundes Doktor Adam Asche träumend. Ich aber, wenngleich ebenfalls in „Nacht und Kissen gehüllt", blieb in der Erinnerung noch ein wenig im blauen Bock und saß mit dem verstorbenen Vater und dem Freunde und — saufe, dem treuen Knecht, in der wohlbe¬ kannten Wirtsstube der weitbekannten Ausspannwirtschaft und frischte alte Bilder auf. Der alte Herr zahlte selbstverständlich uns hungrigem jungen Volk die Zeche, und saufe griff in die Schüssel wie in die Unterhaltung ein und gab nicht nur Grenzboten IV. 1884. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/201>, abgerufen am 08.05.2024.