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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschule.
2.

as die Qualifikation der diplomatischen Agenten betrifft, so sah
man früher bei der Wahl von Gesandten viel auf hohe Geburt,
doch waren Ausnahmen von der Regel wenigstens im Mittelalter
nicht selten und kamen auch später bisweilen vor. Ludwig der
Elfte von Frankreich ordnete seinen Barbier Olivier Daim an die
Bürgerschaft von Gent ab, um sie zum Aufstande zu bewegen. Von italienischen
Fürsten wurden angesehene Bürger und Magistratspersonen, Geistliche und selbst
Bettelmönche mit diplomatischen Aufträgen betraut, häufig auch Professoren der
Jurisprudenz. Der Grieche Emanuel Chrysoloras war kurz vor und bald nach
dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts abwechselnd Gesandter seines Kaisers
in Italien und Lehrer der Beredsamkeit und der griechischen Sprache und Literatur
in Florenz und andern Städten. Sein Landsmann Laskaris hielt in Rom und
später in Mailand Vorlesungen über Moralphilosophie und andre Disziplinen
und war darauf französischer Gesandter in Venedig. Der Aretiner Antonio
Roselli versah um die Mitte des genannten Jahrhunderts mehrere diplomatische
Missionen und wurde dann Lehrer der Rechtswissenschaft zu Padua. Ebenso
waren Dichter wie Dante und Petrarca und Schriftsteller wie Boccaccio zeit¬
weilig auf diesem Gebiete thätig. Der Maler Rubens wurde 1608 vom Herzog
von Mantua als Gesandter an den Madrider Hof geschickt und dort mit aller
Auszeichnung behandelt. Während feines Aufenthaltes in Paris (1620) trat er
als diplomatischer Vermittler zwischen England und Spanien auf, begab sich
wieder nach Madrid und brachte hier den Frieden zwischen Philipp dem Vierten
und Karl dem Ersten zustande. Solange die Gesandten in lateinischer Sprache
miteinander verhandelten, nahm man häufig Doktoren der Rechte zu solchen
Geschäften. (Alt, a. a. O. S. 40). Als der gelehrte Botschafter Heinrichs des
Vierten von Frankreich, Präsident Pierre Jeannin, von Philipp dem Zweiten
von Spanien in der ersten Audienz gefragt wurde, ob er von Adel sei, antwortete
er: "Ja. wenn Adam es war," und auf die weitere Frage, wessen Sohn er sei,
erwiederte er: "Meiner Verdienste." Der König bemühte sich nachher, ihn bei
jeder Gelegenheit auszuzeichnen. (Ehb.)

Anekdoten dieser Art wären jetzt unmöglich. Alle unsre Gesandten sind
gegenwärtig von Adel,*) und selbst die französische Republik besetzt heutzutage



*) Bisweilen freilich geadelte Juden oder Abkömmlinge von solchen.
Aus der Diplomatenschule.
2.

as die Qualifikation der diplomatischen Agenten betrifft, so sah
man früher bei der Wahl von Gesandten viel auf hohe Geburt,
doch waren Ausnahmen von der Regel wenigstens im Mittelalter
nicht selten und kamen auch später bisweilen vor. Ludwig der
Elfte von Frankreich ordnete seinen Barbier Olivier Daim an die
Bürgerschaft von Gent ab, um sie zum Aufstande zu bewegen. Von italienischen
Fürsten wurden angesehene Bürger und Magistratspersonen, Geistliche und selbst
Bettelmönche mit diplomatischen Aufträgen betraut, häufig auch Professoren der
Jurisprudenz. Der Grieche Emanuel Chrysoloras war kurz vor und bald nach
dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts abwechselnd Gesandter seines Kaisers
in Italien und Lehrer der Beredsamkeit und der griechischen Sprache und Literatur
in Florenz und andern Städten. Sein Landsmann Laskaris hielt in Rom und
später in Mailand Vorlesungen über Moralphilosophie und andre Disziplinen
und war darauf französischer Gesandter in Venedig. Der Aretiner Antonio
Roselli versah um die Mitte des genannten Jahrhunderts mehrere diplomatische
Missionen und wurde dann Lehrer der Rechtswissenschaft zu Padua. Ebenso
waren Dichter wie Dante und Petrarca und Schriftsteller wie Boccaccio zeit¬
weilig auf diesem Gebiete thätig. Der Maler Rubens wurde 1608 vom Herzog
von Mantua als Gesandter an den Madrider Hof geschickt und dort mit aller
Auszeichnung behandelt. Während feines Aufenthaltes in Paris (1620) trat er
als diplomatischer Vermittler zwischen England und Spanien auf, begab sich
wieder nach Madrid und brachte hier den Frieden zwischen Philipp dem Vierten
und Karl dem Ersten zustande. Solange die Gesandten in lateinischer Sprache
miteinander verhandelten, nahm man häufig Doktoren der Rechte zu solchen
Geschäften. (Alt, a. a. O. S. 40). Als der gelehrte Botschafter Heinrichs des
Vierten von Frankreich, Präsident Pierre Jeannin, von Philipp dem Zweiten
von Spanien in der ersten Audienz gefragt wurde, ob er von Adel sei, antwortete
er: „Ja. wenn Adam es war," und auf die weitere Frage, wessen Sohn er sei,
erwiederte er: „Meiner Verdienste." Der König bemühte sich nachher, ihn bei
jeder Gelegenheit auszuzeichnen. (Ehb.)

Anekdoten dieser Art wären jetzt unmöglich. Alle unsre Gesandten sind
gegenwärtig von Adel,*) und selbst die französische Republik besetzt heutzutage



*) Bisweilen freilich geadelte Juden oder Abkömmlinge von solchen.
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[0453] Aus der Diplomatenschule. 2. as die Qualifikation der diplomatischen Agenten betrifft, so sah man früher bei der Wahl von Gesandten viel auf hohe Geburt, doch waren Ausnahmen von der Regel wenigstens im Mittelalter nicht selten und kamen auch später bisweilen vor. Ludwig der Elfte von Frankreich ordnete seinen Barbier Olivier Daim an die Bürgerschaft von Gent ab, um sie zum Aufstande zu bewegen. Von italienischen Fürsten wurden angesehene Bürger und Magistratspersonen, Geistliche und selbst Bettelmönche mit diplomatischen Aufträgen betraut, häufig auch Professoren der Jurisprudenz. Der Grieche Emanuel Chrysoloras war kurz vor und bald nach dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts abwechselnd Gesandter seines Kaisers in Italien und Lehrer der Beredsamkeit und der griechischen Sprache und Literatur in Florenz und andern Städten. Sein Landsmann Laskaris hielt in Rom und später in Mailand Vorlesungen über Moralphilosophie und andre Disziplinen und war darauf französischer Gesandter in Venedig. Der Aretiner Antonio Roselli versah um die Mitte des genannten Jahrhunderts mehrere diplomatische Missionen und wurde dann Lehrer der Rechtswissenschaft zu Padua. Ebenso waren Dichter wie Dante und Petrarca und Schriftsteller wie Boccaccio zeit¬ weilig auf diesem Gebiete thätig. Der Maler Rubens wurde 1608 vom Herzog von Mantua als Gesandter an den Madrider Hof geschickt und dort mit aller Auszeichnung behandelt. Während feines Aufenthaltes in Paris (1620) trat er als diplomatischer Vermittler zwischen England und Spanien auf, begab sich wieder nach Madrid und brachte hier den Frieden zwischen Philipp dem Vierten und Karl dem Ersten zustande. Solange die Gesandten in lateinischer Sprache miteinander verhandelten, nahm man häufig Doktoren der Rechte zu solchen Geschäften. (Alt, a. a. O. S. 40). Als der gelehrte Botschafter Heinrichs des Vierten von Frankreich, Präsident Pierre Jeannin, von Philipp dem Zweiten von Spanien in der ersten Audienz gefragt wurde, ob er von Adel sei, antwortete er: „Ja. wenn Adam es war," und auf die weitere Frage, wessen Sohn er sei, erwiederte er: „Meiner Verdienste." Der König bemühte sich nachher, ihn bei jeder Gelegenheit auszuzeichnen. (Ehb.) Anekdoten dieser Art wären jetzt unmöglich. Alle unsre Gesandten sind gegenwärtig von Adel,*) und selbst die französische Republik besetzt heutzutage *) Bisweilen freilich geadelte Juden oder Abkömmlinge von solchen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/453>, abgerufen am 08.05.2024.