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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Zweites Quartal.

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Die Vorbildung der Einjährig-Freiwilligen.

u Anfang dieses Jahres brachte das Militär-Wochenblatt eine"
Artikel über die Ausbildung der Reserveoffiziere, der zwar in
mancher Hinsicht über das Ziel hinausschoß, in der Hauptsache
aber die in Fachkreisen schon längst anerkannte Notwendigkeit
einer Änderung des jetzigen Ansbildungsmodus richtig zum Aus¬
druck brachte. Das Institut der Reserve- (Landwehr-) Offiziere bedarf ohne
Zweifel einer Reorganisation, Je höhere Anforderungen an die Leistungen der
aktiven Offiziere gestellt werden, desto höher muß der Maßstab sein, mit welchem
die Leistungen der Offiziere des Beurlaubtenstandcs gemessen werden. Das "Was"
steht fest, nur das "Wie" der Änderung ist fraglich; d. h. es läßt sich darüber
streiten, ob es zweckmäßig sei, erst oben, im Stande der Reserveoffiziere, oder
schon unten, bei der Grundlage desselben, im Institut der Einjährig-Freiwilligen,
die Reorganisation zu beginnen. Das letztere scheint den Vorzug zu verdienen.

Der aktive Offizier hat, ehe er die Epauletten erlangt, einen allgemeinen
Bildungsgang durchzumachen, welcher demjenigen zur Vorbereitung eines aka¬
demischen Studiums ungefähr gleichsteht. Er bleibt jedoch dabei nicht stehen,
er kann sich nicht nur mit Hilfe seiner freien Zeit weiterbilden, sondern er
muß es thun, er hat nach gestellten Aufgaben, und zwar auch uichtmilitärischen,
bei seinem Kommandeur Arbeiten einzureichen, er ist gezwungen, sich in fremden
Sprachen zu vervollkommnen, eventuell im Kreise des Offizierkorps Vortrüge
zu halten, und wenn er "weiterkommen" will, muß er darnach streben, das
Examen für die Kriegsakademie abzulegen.

Der Reserveoffizier hat jetzt nur nötig, die Befähigung zum Dienen als
Einjährig-Freiwilliger zu erwerben und sich einer höchst einfachen, militärisch-
praktischen Prüfung zu unterziehen. Sofern er durch feinen zivilem Beruf nicht
dazu gezwungen ist, sich weiterzubilden, bleibt er ans diesem Bildungsgrade
stehen. Es ist auch garnicht zu verlangen, daß z. B. ein Gewerbetreibender
sich in seinen wenigen Mußestunden hinsetze und Geschichte, Geographie, Sprachen,
Literatur :e. treibe. Es mag dies hie und da einmal vorkommen, doch sind
solche Fälle gewiß seltne Ausnahmen von der Regel.

Diese Vergleichung der verschiednen an die beiden Kategorien der Offiziere
gestellten Anforderungen zeigt sofort die Unbilligkeit, welche in dieser Verschieden¬
heit liegt, sie weist aber auch auf einen Übelstand hin, welchen die niedrig bemessenen
Anforderungen zur Erlangung der Qualifikation zum Reserveoffizier im Gefolge
haben. Dieser Übelstand besteht darin, daß eine Menge Elemente zum Dienen


Die Vorbildung der Einjährig-Freiwilligen.

u Anfang dieses Jahres brachte das Militär-Wochenblatt eine»
Artikel über die Ausbildung der Reserveoffiziere, der zwar in
mancher Hinsicht über das Ziel hinausschoß, in der Hauptsache
aber die in Fachkreisen schon längst anerkannte Notwendigkeit
einer Änderung des jetzigen Ansbildungsmodus richtig zum Aus¬
druck brachte. Das Institut der Reserve- (Landwehr-) Offiziere bedarf ohne
Zweifel einer Reorganisation, Je höhere Anforderungen an die Leistungen der
aktiven Offiziere gestellt werden, desto höher muß der Maßstab sein, mit welchem
die Leistungen der Offiziere des Beurlaubtenstandcs gemessen werden. Das „Was"
steht fest, nur das „Wie" der Änderung ist fraglich; d. h. es läßt sich darüber
streiten, ob es zweckmäßig sei, erst oben, im Stande der Reserveoffiziere, oder
schon unten, bei der Grundlage desselben, im Institut der Einjährig-Freiwilligen,
die Reorganisation zu beginnen. Das letztere scheint den Vorzug zu verdienen.

Der aktive Offizier hat, ehe er die Epauletten erlangt, einen allgemeinen
Bildungsgang durchzumachen, welcher demjenigen zur Vorbereitung eines aka¬
demischen Studiums ungefähr gleichsteht. Er bleibt jedoch dabei nicht stehen,
er kann sich nicht nur mit Hilfe seiner freien Zeit weiterbilden, sondern er
muß es thun, er hat nach gestellten Aufgaben, und zwar auch uichtmilitärischen,
bei seinem Kommandeur Arbeiten einzureichen, er ist gezwungen, sich in fremden
Sprachen zu vervollkommnen, eventuell im Kreise des Offizierkorps Vortrüge
zu halten, und wenn er „weiterkommen" will, muß er darnach streben, das
Examen für die Kriegsakademie abzulegen.

Der Reserveoffizier hat jetzt nur nötig, die Befähigung zum Dienen als
Einjährig-Freiwilliger zu erwerben und sich einer höchst einfachen, militärisch-
praktischen Prüfung zu unterziehen. Sofern er durch feinen zivilem Beruf nicht
dazu gezwungen ist, sich weiterzubilden, bleibt er ans diesem Bildungsgrade
stehen. Es ist auch garnicht zu verlangen, daß z. B. ein Gewerbetreibender
sich in seinen wenigen Mußestunden hinsetze und Geschichte, Geographie, Sprachen,
Literatur :e. treibe. Es mag dies hie und da einmal vorkommen, doch sind
solche Fälle gewiß seltne Ausnahmen von der Regel.

Diese Vergleichung der verschiednen an die beiden Kategorien der Offiziere
gestellten Anforderungen zeigt sofort die Unbilligkeit, welche in dieser Verschieden¬
heit liegt, sie weist aber auch auf einen Übelstand hin, welchen die niedrig bemessenen
Anforderungen zur Erlangung der Qualifikation zum Reserveoffizier im Gefolge
haben. Dieser Übelstand besteht darin, daß eine Menge Elemente zum Dienen


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[0014] Die Vorbildung der Einjährig-Freiwilligen. u Anfang dieses Jahres brachte das Militär-Wochenblatt eine» Artikel über die Ausbildung der Reserveoffiziere, der zwar in mancher Hinsicht über das Ziel hinausschoß, in der Hauptsache aber die in Fachkreisen schon längst anerkannte Notwendigkeit einer Änderung des jetzigen Ansbildungsmodus richtig zum Aus¬ druck brachte. Das Institut der Reserve- (Landwehr-) Offiziere bedarf ohne Zweifel einer Reorganisation, Je höhere Anforderungen an die Leistungen der aktiven Offiziere gestellt werden, desto höher muß der Maßstab sein, mit welchem die Leistungen der Offiziere des Beurlaubtenstandcs gemessen werden. Das „Was" steht fest, nur das „Wie" der Änderung ist fraglich; d. h. es läßt sich darüber streiten, ob es zweckmäßig sei, erst oben, im Stande der Reserveoffiziere, oder schon unten, bei der Grundlage desselben, im Institut der Einjährig-Freiwilligen, die Reorganisation zu beginnen. Das letztere scheint den Vorzug zu verdienen. Der aktive Offizier hat, ehe er die Epauletten erlangt, einen allgemeinen Bildungsgang durchzumachen, welcher demjenigen zur Vorbereitung eines aka¬ demischen Studiums ungefähr gleichsteht. Er bleibt jedoch dabei nicht stehen, er kann sich nicht nur mit Hilfe seiner freien Zeit weiterbilden, sondern er muß es thun, er hat nach gestellten Aufgaben, und zwar auch uichtmilitärischen, bei seinem Kommandeur Arbeiten einzureichen, er ist gezwungen, sich in fremden Sprachen zu vervollkommnen, eventuell im Kreise des Offizierkorps Vortrüge zu halten, und wenn er „weiterkommen" will, muß er darnach streben, das Examen für die Kriegsakademie abzulegen. Der Reserveoffizier hat jetzt nur nötig, die Befähigung zum Dienen als Einjährig-Freiwilliger zu erwerben und sich einer höchst einfachen, militärisch- praktischen Prüfung zu unterziehen. Sofern er durch feinen zivilem Beruf nicht dazu gezwungen ist, sich weiterzubilden, bleibt er ans diesem Bildungsgrade stehen. Es ist auch garnicht zu verlangen, daß z. B. ein Gewerbetreibender sich in seinen wenigen Mußestunden hinsetze und Geschichte, Geographie, Sprachen, Literatur :e. treibe. Es mag dies hie und da einmal vorkommen, doch sind solche Fälle gewiß seltne Ausnahmen von der Regel. Diese Vergleichung der verschiednen an die beiden Kategorien der Offiziere gestellten Anforderungen zeigt sofort die Unbilligkeit, welche in dieser Verschieden¬ heit liegt, sie weist aber auch auf einen Übelstand hin, welchen die niedrig bemessenen Anforderungen zur Erlangung der Qualifikation zum Reserveoffizier im Gefolge haben. Dieser Übelstand besteht darin, daß eine Menge Elemente zum Dienen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158166/14>, abgerufen am 03.05.2024.