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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Zweites Quartal.

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Mir ist er durchaus nicht fremd, sagte Paul. Zu der Zeit, wo ich zuerst
in der große" Welt erschien, gab es einen dieses Namens, der durch seine
eleganten Tollheiten das Gespräch aller Salons war. Ein wütender Spieler,
ein zügelloser Wüstling, besaß er im Superlativ alle Laster, welche die Be¬
wunderung der vornehmen Gesellschaft erregen.

Der muß es sein. Er hat diese arme Nina zwei oder drei Jahre hindurch
unglücklich gemacht, hat sie eines schönen Tages, als sie eben Mutter werden
wollte, sitzen lassen und ist schuldenhalber, oder wie es heißt noch wegen etwas
schlimmeren, nach Amerika geflüchtet. Von dort hat er seiner Frau nur selten
Nachricht gegeben, und schließlich, es werden etwa sechs Monate sein, erhielt
sie die Nachricht von seinem Tode. Dies ist ein Gegenstand, den man in
Gegenwart der Ärmste" nicht berühren darf, und wenn du, mein lieber Paul,
diesen Menschen gekannt hast --

Ich, nein. Ich kenne ihn kaun: dem Namen nach und habe ihn nie ge¬
sehen. Ich hörte nur von dem Aufsehen, welches seine tollen Streiche erregten,
und jetzt, wo ich mein Gedächtnis zusammen nehme, erinnere ich mich, daß es
in Neapel war, wo ich das letztemal von ihm sprechen hörte, es mögen ungefähr
sieben Jahre her sein. Ein Landsmann von uns, dem ich auf der Via Toledo
begegnete, teilte mir als größte Neuigkeit mit, daß der famose Mandozzi an¬
gekommen sei, daß er den vielen Thorheiten, die er begangen, ein Ende gemacht
und eine Frau genommen habe. Eine brillante Partie, sagte er mir, eine Heirat
aus Liebe; er habe Schönheit und Reichtum zugleich erjagt und mache jetzt
seine Hochzeitsreise, die Frau sei ein wahres Wunder von Schönheit. Er
wollte mich mit ihm bekannt machen, aber ich lehnte es ab. Und seit jener Zeit
habe ich nichts wieder von ihm erfahren.

Jedenfalls mußt du dich in Acht nehmen, auch nur die geringste Anspie¬
lung auf diese vergangene Zeit zu machen.

Beruhige dich, Adele, ich werde kein Wörtchen davon sagen.

Eine Heirat aus Liebe! bemerkte Josef Devaunis. Ist es denn möglich,
daß eine Frau, wie sie uns Frau Adele geschildert hat, sich in einen solchen
Menschen verliebt? Wahr ist es freilich, daß die Frauenzimmer, auch die aller-
tngendhaftestcn, immer eine gewisse Zuneigung für schlechte Subjekte haben,
um sie zu bekehren. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Sprachmoden. Gegen Modethorheiten zu predigen, ist ein undankbares
Geschäft. Das weiß jedermann, aber nicht jeder gewinnt es über sich, gleichmütig
dem Unfug zuzuschauen. Wozu sich erhitzen! sagen die Jmmerwciseu; Moden sind


Mir ist er durchaus nicht fremd, sagte Paul. Zu der Zeit, wo ich zuerst
in der große» Welt erschien, gab es einen dieses Namens, der durch seine
eleganten Tollheiten das Gespräch aller Salons war. Ein wütender Spieler,
ein zügelloser Wüstling, besaß er im Superlativ alle Laster, welche die Be¬
wunderung der vornehmen Gesellschaft erregen.

Der muß es sein. Er hat diese arme Nina zwei oder drei Jahre hindurch
unglücklich gemacht, hat sie eines schönen Tages, als sie eben Mutter werden
wollte, sitzen lassen und ist schuldenhalber, oder wie es heißt noch wegen etwas
schlimmeren, nach Amerika geflüchtet. Von dort hat er seiner Frau nur selten
Nachricht gegeben, und schließlich, es werden etwa sechs Monate sein, erhielt
sie die Nachricht von seinem Tode. Dies ist ein Gegenstand, den man in
Gegenwart der Ärmste» nicht berühren darf, und wenn du, mein lieber Paul,
diesen Menschen gekannt hast —

Ich, nein. Ich kenne ihn kaun: dem Namen nach und habe ihn nie ge¬
sehen. Ich hörte nur von dem Aufsehen, welches seine tollen Streiche erregten,
und jetzt, wo ich mein Gedächtnis zusammen nehme, erinnere ich mich, daß es
in Neapel war, wo ich das letztemal von ihm sprechen hörte, es mögen ungefähr
sieben Jahre her sein. Ein Landsmann von uns, dem ich auf der Via Toledo
begegnete, teilte mir als größte Neuigkeit mit, daß der famose Mandozzi an¬
gekommen sei, daß er den vielen Thorheiten, die er begangen, ein Ende gemacht
und eine Frau genommen habe. Eine brillante Partie, sagte er mir, eine Heirat
aus Liebe; er habe Schönheit und Reichtum zugleich erjagt und mache jetzt
seine Hochzeitsreise, die Frau sei ein wahres Wunder von Schönheit. Er
wollte mich mit ihm bekannt machen, aber ich lehnte es ab. Und seit jener Zeit
habe ich nichts wieder von ihm erfahren.

Jedenfalls mußt du dich in Acht nehmen, auch nur die geringste Anspie¬
lung auf diese vergangene Zeit zu machen.

Beruhige dich, Adele, ich werde kein Wörtchen davon sagen.

Eine Heirat aus Liebe! bemerkte Josef Devaunis. Ist es denn möglich,
daß eine Frau, wie sie uns Frau Adele geschildert hat, sich in einen solchen
Menschen verliebt? Wahr ist es freilich, daß die Frauenzimmer, auch die aller-
tngendhaftestcn, immer eine gewisse Zuneigung für schlechte Subjekte haben,
um sie zu bekehren. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Sprachmoden. Gegen Modethorheiten zu predigen, ist ein undankbares
Geschäft. Das weiß jedermann, aber nicht jeder gewinnt es über sich, gleichmütig
dem Unfug zuzuschauen. Wozu sich erhitzen! sagen die Jmmerwciseu; Moden sind


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[0365] Mir ist er durchaus nicht fremd, sagte Paul. Zu der Zeit, wo ich zuerst in der große» Welt erschien, gab es einen dieses Namens, der durch seine eleganten Tollheiten das Gespräch aller Salons war. Ein wütender Spieler, ein zügelloser Wüstling, besaß er im Superlativ alle Laster, welche die Be¬ wunderung der vornehmen Gesellschaft erregen. Der muß es sein. Er hat diese arme Nina zwei oder drei Jahre hindurch unglücklich gemacht, hat sie eines schönen Tages, als sie eben Mutter werden wollte, sitzen lassen und ist schuldenhalber, oder wie es heißt noch wegen etwas schlimmeren, nach Amerika geflüchtet. Von dort hat er seiner Frau nur selten Nachricht gegeben, und schließlich, es werden etwa sechs Monate sein, erhielt sie die Nachricht von seinem Tode. Dies ist ein Gegenstand, den man in Gegenwart der Ärmste» nicht berühren darf, und wenn du, mein lieber Paul, diesen Menschen gekannt hast — Ich, nein. Ich kenne ihn kaun: dem Namen nach und habe ihn nie ge¬ sehen. Ich hörte nur von dem Aufsehen, welches seine tollen Streiche erregten, und jetzt, wo ich mein Gedächtnis zusammen nehme, erinnere ich mich, daß es in Neapel war, wo ich das letztemal von ihm sprechen hörte, es mögen ungefähr sieben Jahre her sein. Ein Landsmann von uns, dem ich auf der Via Toledo begegnete, teilte mir als größte Neuigkeit mit, daß der famose Mandozzi an¬ gekommen sei, daß er den vielen Thorheiten, die er begangen, ein Ende gemacht und eine Frau genommen habe. Eine brillante Partie, sagte er mir, eine Heirat aus Liebe; er habe Schönheit und Reichtum zugleich erjagt und mache jetzt seine Hochzeitsreise, die Frau sei ein wahres Wunder von Schönheit. Er wollte mich mit ihm bekannt machen, aber ich lehnte es ab. Und seit jener Zeit habe ich nichts wieder von ihm erfahren. Jedenfalls mußt du dich in Acht nehmen, auch nur die geringste Anspie¬ lung auf diese vergangene Zeit zu machen. Beruhige dich, Adele, ich werde kein Wörtchen davon sagen. Eine Heirat aus Liebe! bemerkte Josef Devaunis. Ist es denn möglich, daß eine Frau, wie sie uns Frau Adele geschildert hat, sich in einen solchen Menschen verliebt? Wahr ist es freilich, daß die Frauenzimmer, auch die aller- tngendhaftestcn, immer eine gewisse Zuneigung für schlechte Subjekte haben, um sie zu bekehren. (Fortsetzung folgt.) Notiz. Sprachmoden. Gegen Modethorheiten zu predigen, ist ein undankbares Geschäft. Das weiß jedermann, aber nicht jeder gewinnt es über sich, gleichmütig dem Unfug zuzuschauen. Wozu sich erhitzen! sagen die Jmmerwciseu; Moden sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158166/365>, abgerufen am 02.05.2024.