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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Zweites Quartal.

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Die Kleinlichkeit des Reichskanzlers.

achten in der Angelegenheit Lasters und des amerikanischen Re¬
präsentantenhauses sich die Ansichten bereits dahin geklärt haben,
daß der Reichskanzler in dein Verhältnis zwischen dem Repräsen¬
tantenhause und dem deutschen Reichstage doch nicht als bloßer
Briefträger in Betracht komme, und daß er deshalb jedenfalls in
seinem Rechte gewesen sei, wenn er aus Gründen die Weiterbeförderung der an
ihn gesandten Resolution abgelehnt habe, glaubt man doch noch immer wenigstens
einen Vorwurf gegen ihn aufrechthalten zu müssen. Man sagt, es sei doch
"kleinlich" gewesen, daß er nicht über den Inhalt der Resolution hinweggesehen
habe. Dieser Vorwurf der Kleinlichkeit ist dem. Fürsten Bismarck schon öfter
gemacht worden. Es soll kleinlich sein, wenn er gegen dieses oder jenes ihn
verletzende vorgeht, wenn er namentlich öffentliche Beleidigungen, die gegen ihn
geübt werden, vor Gericht verfolgen läßt. Man sagt dann, ein so "großer
Mann" müsse dergleichen ganz unbeachtet lassen. Dabei verkennt man aber
die ganze Sachlage. Wären die Dinge, gegen welche Fürst Bismarck sich zur
Wehr setzt, nur ganz vereinzelte Erscheinungen, so würden auch wir der Ansicht
sein, daß er besser thäte, sie zu mißachten. Ein nicht geringer Teil unsrer
Politiker und unsrer Presse ist aber unausgesetzt bemüht, den Fürsten Bismarck
öffentlich vor allem Volke herabzuwürdigen. Vielfach geschieht das in Formen,
welche sich jeder Gegenwirkung entziehen. Kann man bei dieser Sachlage
es dem Reichskanzler verdenken, wenn er wenigstens da, wo ihm gegen solche
hämische Angriffe Mittel der Gegenwirkung zu Gebote stehen, diese ergreift?
Es ist ja traurig, wenn z. B. ein namhafter Gelehrter, der in öffentlicher
Rede von der "Schwindelpolitik" der Regierung gesprochen, deshalb ans die
Anklageblank gesetzt wird. Auch ist es ja möglich, daß das Gericht der Ver-


Grmzbow, II. IL84. 1


Die Kleinlichkeit des Reichskanzlers.

achten in der Angelegenheit Lasters und des amerikanischen Re¬
präsentantenhauses sich die Ansichten bereits dahin geklärt haben,
daß der Reichskanzler in dein Verhältnis zwischen dem Repräsen¬
tantenhause und dem deutschen Reichstage doch nicht als bloßer
Briefträger in Betracht komme, und daß er deshalb jedenfalls in
seinem Rechte gewesen sei, wenn er aus Gründen die Weiterbeförderung der an
ihn gesandten Resolution abgelehnt habe, glaubt man doch noch immer wenigstens
einen Vorwurf gegen ihn aufrechthalten zu müssen. Man sagt, es sei doch
„kleinlich" gewesen, daß er nicht über den Inhalt der Resolution hinweggesehen
habe. Dieser Vorwurf der Kleinlichkeit ist dem. Fürsten Bismarck schon öfter
gemacht worden. Es soll kleinlich sein, wenn er gegen dieses oder jenes ihn
verletzende vorgeht, wenn er namentlich öffentliche Beleidigungen, die gegen ihn
geübt werden, vor Gericht verfolgen läßt. Man sagt dann, ein so „großer
Mann" müsse dergleichen ganz unbeachtet lassen. Dabei verkennt man aber
die ganze Sachlage. Wären die Dinge, gegen welche Fürst Bismarck sich zur
Wehr setzt, nur ganz vereinzelte Erscheinungen, so würden auch wir der Ansicht
sein, daß er besser thäte, sie zu mißachten. Ein nicht geringer Teil unsrer
Politiker und unsrer Presse ist aber unausgesetzt bemüht, den Fürsten Bismarck
öffentlich vor allem Volke herabzuwürdigen. Vielfach geschieht das in Formen,
welche sich jeder Gegenwirkung entziehen. Kann man bei dieser Sachlage
es dem Reichskanzler verdenken, wenn er wenigstens da, wo ihm gegen solche
hämische Angriffe Mittel der Gegenwirkung zu Gebote stehen, diese ergreift?
Es ist ja traurig, wenn z. B. ein namhafter Gelehrter, der in öffentlicher
Rede von der „Schwindelpolitik" der Regierung gesprochen, deshalb ans die
Anklageblank gesetzt wird. Auch ist es ja möglich, daß das Gericht der Ver-


Grmzbow, II. IL84. 1
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[0009] [Abbildung] Die Kleinlichkeit des Reichskanzlers. achten in der Angelegenheit Lasters und des amerikanischen Re¬ präsentantenhauses sich die Ansichten bereits dahin geklärt haben, daß der Reichskanzler in dein Verhältnis zwischen dem Repräsen¬ tantenhause und dem deutschen Reichstage doch nicht als bloßer Briefträger in Betracht komme, und daß er deshalb jedenfalls in seinem Rechte gewesen sei, wenn er aus Gründen die Weiterbeförderung der an ihn gesandten Resolution abgelehnt habe, glaubt man doch noch immer wenigstens einen Vorwurf gegen ihn aufrechthalten zu müssen. Man sagt, es sei doch „kleinlich" gewesen, daß er nicht über den Inhalt der Resolution hinweggesehen habe. Dieser Vorwurf der Kleinlichkeit ist dem. Fürsten Bismarck schon öfter gemacht worden. Es soll kleinlich sein, wenn er gegen dieses oder jenes ihn verletzende vorgeht, wenn er namentlich öffentliche Beleidigungen, die gegen ihn geübt werden, vor Gericht verfolgen läßt. Man sagt dann, ein so „großer Mann" müsse dergleichen ganz unbeachtet lassen. Dabei verkennt man aber die ganze Sachlage. Wären die Dinge, gegen welche Fürst Bismarck sich zur Wehr setzt, nur ganz vereinzelte Erscheinungen, so würden auch wir der Ansicht sein, daß er besser thäte, sie zu mißachten. Ein nicht geringer Teil unsrer Politiker und unsrer Presse ist aber unausgesetzt bemüht, den Fürsten Bismarck öffentlich vor allem Volke herabzuwürdigen. Vielfach geschieht das in Formen, welche sich jeder Gegenwirkung entziehen. Kann man bei dieser Sachlage es dem Reichskanzler verdenken, wenn er wenigstens da, wo ihm gegen solche hämische Angriffe Mittel der Gegenwirkung zu Gebote stehen, diese ergreift? Es ist ja traurig, wenn z. B. ein namhafter Gelehrter, der in öffentlicher Rede von der „Schwindelpolitik" der Regierung gesprochen, deshalb ans die Anklageblank gesetzt wird. Auch ist es ja möglich, daß das Gericht der Ver- Grmzbow, II. IL84. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158166/9>, abgerufen am 03.05.2024.