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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Westmcichto und die ägyptische Krisis,

schöpferischen Thätigkeit der Künstler, als in eifriger Sammellust, in der Anlage
von Kunstbiichern und Kunstkammern, bei deren Zusammenstellung gewöhnlich
auf den Erwerb von Seltenheiten mehr Gewicht gelegt wurde als auf künst¬
lerischen Wert. So konnten zwar Knnstkammern wie die des Herzogs Albrecht
von Baiern und die Ambraser Sammlung entstehen, aber der eigentliche!? freien
Kunst kam die Kunstliebe dieser Fürsten wenig zu Gute. Maximilian I. war der
einzige deutsche Kaiser, der die Kunst der Renaissance mit Teilnahme pflegte,
nicht nur Sammeleifer entwickelte, sondern wirklich thatkräftig in den Entwick¬
lungsgang der deutschen Kunst eingriff. Deshalb wird ihm mich die Kunst¬
geschichte stets eine dankbare Erinnerung bewahren.




Die Westmächte und die ägyptische Krisis.

le wichtigste politische Frage für England und Frankreich ist
augenblicklich wieder Ägypten. Seit den letzten Tagen des ver¬
flossenen Jahres hat sich die Lage dort zu einer Krisis entwickelt,
die bis auf die neuesten Nachrichten schwere Bedenken erweckte.
Der Aufstand im Sudan und die Erfolge des Mcchdi hatten die
ganze Schwäche der Regierung Tewfiks gezeigt, England befolgte als Protektor
derselben eine Politik der Halbheiten und des Zcmderns, Frankreich begann
zu intriguiren, um seine frühere Stellung am Nil wieder zu gewinnen. Vom
französischen Generalkonsul angeregt, faßte sich das ägyptische Ministerium am
2. Januar ein Herz und richtete an das englische Kabinet eine Note, in welcher
mit Nachdruck die Forderung ausgesprochen wurde, die Engländer möchten ohne
Verzug die Verteidigung des Sudan gegen das Heer des falschen Propheten
übernehmen, oder dem Chedive die Erlaubnis geben, das östliche Sudan, d. h. den
Landesteil zwischen Suakin und Massaua einerseits und dem obern Nil andrer¬
seits, der Pforte abzutreten. Dann werde Ägypten, so fuhr das Schriftstück
fort, imstande sein, sich im Bereiche seiner alten Grenzen auch ohne englischen
Beistand zu verteidigen. Zum Schlüsse wurde für den Fall einer Ablehnung
des Verlangens gedroht, der Chedive und seine Räte würden die Regierung
niederlegen und sie den Engländern überlassen. Nachdem sich der Ministerrat in
London zwei Tage hindurch mit der Sache beschäftigt hatte, erhielt der britische
Generalkonsul in Kairo die Weisung, dort zu erklären, England habe nichts
gegen die beabsichtigte Gebietsabtretung einzuwenden, falls die Pforte die Wieder-
eroberung der betreffenden Provinzen auf eigne Kosten übernähme und sie,


Die Westmcichto und die ägyptische Krisis,

schöpferischen Thätigkeit der Künstler, als in eifriger Sammellust, in der Anlage
von Kunstbiichern und Kunstkammern, bei deren Zusammenstellung gewöhnlich
auf den Erwerb von Seltenheiten mehr Gewicht gelegt wurde als auf künst¬
lerischen Wert. So konnten zwar Knnstkammern wie die des Herzogs Albrecht
von Baiern und die Ambraser Sammlung entstehen, aber der eigentliche!? freien
Kunst kam die Kunstliebe dieser Fürsten wenig zu Gute. Maximilian I. war der
einzige deutsche Kaiser, der die Kunst der Renaissance mit Teilnahme pflegte,
nicht nur Sammeleifer entwickelte, sondern wirklich thatkräftig in den Entwick¬
lungsgang der deutschen Kunst eingriff. Deshalb wird ihm mich die Kunst¬
geschichte stets eine dankbare Erinnerung bewahren.




Die Westmächte und die ägyptische Krisis.

le wichtigste politische Frage für England und Frankreich ist
augenblicklich wieder Ägypten. Seit den letzten Tagen des ver¬
flossenen Jahres hat sich die Lage dort zu einer Krisis entwickelt,
die bis auf die neuesten Nachrichten schwere Bedenken erweckte.
Der Aufstand im Sudan und die Erfolge des Mcchdi hatten die
ganze Schwäche der Regierung Tewfiks gezeigt, England befolgte als Protektor
derselben eine Politik der Halbheiten und des Zcmderns, Frankreich begann
zu intriguiren, um seine frühere Stellung am Nil wieder zu gewinnen. Vom
französischen Generalkonsul angeregt, faßte sich das ägyptische Ministerium am
2. Januar ein Herz und richtete an das englische Kabinet eine Note, in welcher
mit Nachdruck die Forderung ausgesprochen wurde, die Engländer möchten ohne
Verzug die Verteidigung des Sudan gegen das Heer des falschen Propheten
übernehmen, oder dem Chedive die Erlaubnis geben, das östliche Sudan, d. h. den
Landesteil zwischen Suakin und Massaua einerseits und dem obern Nil andrer¬
seits, der Pforte abzutreten. Dann werde Ägypten, so fuhr das Schriftstück
fort, imstande sein, sich im Bereiche seiner alten Grenzen auch ohne englischen
Beistand zu verteidigen. Zum Schlüsse wurde für den Fall einer Ablehnung
des Verlangens gedroht, der Chedive und seine Räte würden die Regierung
niederlegen und sie den Engländern überlassen. Nachdem sich der Ministerrat in
London zwei Tage hindurch mit der Sache beschäftigt hatte, erhielt der britische
Generalkonsul in Kairo die Weisung, dort zu erklären, England habe nichts
gegen die beabsichtigte Gebietsabtretung einzuwenden, falls die Pforte die Wieder-
eroberung der betreffenden Provinzen auf eigne Kosten übernähme und sie,


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[0207] Die Westmcichto und die ägyptische Krisis, schöpferischen Thätigkeit der Künstler, als in eifriger Sammellust, in der Anlage von Kunstbiichern und Kunstkammern, bei deren Zusammenstellung gewöhnlich auf den Erwerb von Seltenheiten mehr Gewicht gelegt wurde als auf künst¬ lerischen Wert. So konnten zwar Knnstkammern wie die des Herzogs Albrecht von Baiern und die Ambraser Sammlung entstehen, aber der eigentliche!? freien Kunst kam die Kunstliebe dieser Fürsten wenig zu Gute. Maximilian I. war der einzige deutsche Kaiser, der die Kunst der Renaissance mit Teilnahme pflegte, nicht nur Sammeleifer entwickelte, sondern wirklich thatkräftig in den Entwick¬ lungsgang der deutschen Kunst eingriff. Deshalb wird ihm mich die Kunst¬ geschichte stets eine dankbare Erinnerung bewahren. Die Westmächte und die ägyptische Krisis. le wichtigste politische Frage für England und Frankreich ist augenblicklich wieder Ägypten. Seit den letzten Tagen des ver¬ flossenen Jahres hat sich die Lage dort zu einer Krisis entwickelt, die bis auf die neuesten Nachrichten schwere Bedenken erweckte. Der Aufstand im Sudan und die Erfolge des Mcchdi hatten die ganze Schwäche der Regierung Tewfiks gezeigt, England befolgte als Protektor derselben eine Politik der Halbheiten und des Zcmderns, Frankreich begann zu intriguiren, um seine frühere Stellung am Nil wieder zu gewinnen. Vom französischen Generalkonsul angeregt, faßte sich das ägyptische Ministerium am 2. Januar ein Herz und richtete an das englische Kabinet eine Note, in welcher mit Nachdruck die Forderung ausgesprochen wurde, die Engländer möchten ohne Verzug die Verteidigung des Sudan gegen das Heer des falschen Propheten übernehmen, oder dem Chedive die Erlaubnis geben, das östliche Sudan, d. h. den Landesteil zwischen Suakin und Massaua einerseits und dem obern Nil andrer¬ seits, der Pforte abzutreten. Dann werde Ägypten, so fuhr das Schriftstück fort, imstande sein, sich im Bereiche seiner alten Grenzen auch ohne englischen Beistand zu verteidigen. Zum Schlüsse wurde für den Fall einer Ablehnung des Verlangens gedroht, der Chedive und seine Räte würden die Regierung niederlegen und sie den Engländern überlassen. Nachdem sich der Ministerrat in London zwei Tage hindurch mit der Sache beschäftigt hatte, erhielt der britische Generalkonsul in Kairo die Weisung, dort zu erklären, England habe nichts gegen die beabsichtigte Gebietsabtretung einzuwenden, falls die Pforte die Wieder- eroberung der betreffenden Provinzen auf eigne Kosten übernähme und sie,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/207>, abgerufen am 04.05.2024.