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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Ans der Leiter des Glücks.

gutem Hause -- denn soweit laß dich nur getrost bevormunden -- soll uns
als deine Braut willkommen sein.




Zehntes Aapitel.

Zwei Dinge wären noch ein gut Teil merkwürdiger gewesen als die merk¬
würdige Villa selbst: wenn nämlich der Amerikaner sich nicht schon beim
nächsten Abendrot mit der Bitte an das scheidende Tagesgestirn gewendet
haben sollte, es möge morgen einem glücklich erhörten Bräutigam leuchten;
und wenn weiter Fräulein von Mockritz der Meinung gewesen wäre, weil ein
Prinz ihretwegen zum Weltumsegler werden wollte, müsse sie nun ins Kloster
gehen. Nicht daß sie eine Wetterfahne war. Sie hatte zwar anfangs an ihren
Halbvetter Botho von Falkenberg mit mehr Freundlichkeit als seit langem
gedacht und hatte sich gesagt, sein beharrliches Werben um ihr Herz sei doch im
Grunde von ihr mit cillzngroßer Härte belohnt worden. Aber vor dem Ein¬
schlafen wurde sein nicht unschönes, wenn auch etwas zu ernstes Bild wieder
durch das siegreich kecke Antlitz des Prinzen Ottokar verdrängt. Sehnsucht
"ach ihm überflutete jedes andre Gefühl in ihrer Brust, sie sagte sich bei einem
Blick auf ihre Uhr, jetzt könne sie ihm angetraut worden sein, jetzt könne sie
in seinen Armen ruhen, und ihre Thränen flössen.

Aber dann war mit dem Morgengrauen die Ernüchterung gekommen.
Wenige" nur war der Ehebund mit einem Prinzen so gut bekommen wie der
Philippine Weiser! War die Bernauerin nicht grausam ersäuft worden, ersäuft
von Henkershand? N äono! Und hatten sich die Formen auch geändert,
griffen die hohen Herren nicht mehr so grob zu, wenn irgendwo im Versteck
des Laubes ohne ihre Erlaubnis ein Nest gebaut worden war, die Gesellschaft
urteilte heute doch nicht anders als zu jenen Zeiten, und immer noch war das
Frauenzimmer der schuldige Teil, zumal wo es sich um die "Verführung"
eines beliebten Prinzen handelte. Ich eine Verführerin, ich! seufzte sie.
Vater Hurtig würde sagen: es ist zum Lachen!

Und damit hatte sie ihre gute Laune schon teilweise wieder. Den Rest
gab ihr der Spiegel zurück, als sie unter Lores Händen demselben ein halbes
Stündchen gegenüber saß und allmählich, während sie frisirt wurde, sich zu der
Ansicht bekehrte, im Blütenalter des Lebens den Kopf hängen zu lasse" sei
eine unvergeßliche Thorheit.

So war sie am Frühstückstisch erschienen, in einfacher, aber kleidsamer
Morgentoilette, herzlich gegen das alte Ehepaar, freundlich gegen den ver¬
götterten Augapfel desselben, den stattlich svnngebräuuten Berthold, und so
hatte sie, indem sie sich gab wie sie war, erreicht, daß der Adoptivsohn des
Hauses von ihr den Eindruck empfing, man könne nicht "hübscher und netter
und umgänglicher sein als Fräulein von Mockritz."
'


Grenzlwien I. 1884. L4
Ans der Leiter des Glücks.

gutem Hause — denn soweit laß dich nur getrost bevormunden — soll uns
als deine Braut willkommen sein.




Zehntes Aapitel.

Zwei Dinge wären noch ein gut Teil merkwürdiger gewesen als die merk¬
würdige Villa selbst: wenn nämlich der Amerikaner sich nicht schon beim
nächsten Abendrot mit der Bitte an das scheidende Tagesgestirn gewendet
haben sollte, es möge morgen einem glücklich erhörten Bräutigam leuchten;
und wenn weiter Fräulein von Mockritz der Meinung gewesen wäre, weil ein
Prinz ihretwegen zum Weltumsegler werden wollte, müsse sie nun ins Kloster
gehen. Nicht daß sie eine Wetterfahne war. Sie hatte zwar anfangs an ihren
Halbvetter Botho von Falkenberg mit mehr Freundlichkeit als seit langem
gedacht und hatte sich gesagt, sein beharrliches Werben um ihr Herz sei doch im
Grunde von ihr mit cillzngroßer Härte belohnt worden. Aber vor dem Ein¬
schlafen wurde sein nicht unschönes, wenn auch etwas zu ernstes Bild wieder
durch das siegreich kecke Antlitz des Prinzen Ottokar verdrängt. Sehnsucht
»ach ihm überflutete jedes andre Gefühl in ihrer Brust, sie sagte sich bei einem
Blick auf ihre Uhr, jetzt könne sie ihm angetraut worden sein, jetzt könne sie
in seinen Armen ruhen, und ihre Thränen flössen.

Aber dann war mit dem Morgengrauen die Ernüchterung gekommen.
Wenige» nur war der Ehebund mit einem Prinzen so gut bekommen wie der
Philippine Weiser! War die Bernauerin nicht grausam ersäuft worden, ersäuft
von Henkershand? N äono! Und hatten sich die Formen auch geändert,
griffen die hohen Herren nicht mehr so grob zu, wenn irgendwo im Versteck
des Laubes ohne ihre Erlaubnis ein Nest gebaut worden war, die Gesellschaft
urteilte heute doch nicht anders als zu jenen Zeiten, und immer noch war das
Frauenzimmer der schuldige Teil, zumal wo es sich um die „Verführung"
eines beliebten Prinzen handelte. Ich eine Verführerin, ich! seufzte sie.
Vater Hurtig würde sagen: es ist zum Lachen!

Und damit hatte sie ihre gute Laune schon teilweise wieder. Den Rest
gab ihr der Spiegel zurück, als sie unter Lores Händen demselben ein halbes
Stündchen gegenüber saß und allmählich, während sie frisirt wurde, sich zu der
Ansicht bekehrte, im Blütenalter des Lebens den Kopf hängen zu lasse» sei
eine unvergeßliche Thorheit.

So war sie am Frühstückstisch erschienen, in einfacher, aber kleidsamer
Morgentoilette, herzlich gegen das alte Ehepaar, freundlich gegen den ver¬
götterten Augapfel desselben, den stattlich svnngebräuuten Berthold, und so
hatte sie, indem sie sich gab wie sie war, erreicht, daß der Adoptivsohn des
Hauses von ihr den Eindruck empfing, man könne nicht „hübscher und netter
und umgänglicher sein als Fräulein von Mockritz."
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Grenzlwien I. 1884. L4
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/275>, abgerufen am 04.05.2024.