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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Sie Staatssprache in Österreich.

n den Tagen vom 24, bis zum 29. Januar lieferten sich die
beiden großen Parteien im österreichischen Reichsrate eine Rede¬
schlacht, welche für el" Handbuch der politischen Redekunst aller¬
dings nicht viel Material geliefert hätte -- denn mit Mustern,
um stundenlang einzig mit dem Zweck der Verdunkelung des Ver¬
handlungsgegenstandes zu sprechen, hat ja die parlamentarische und die foren¬
sische Beredsamkeit uns schon übergenug versorgt --, welche aber gerade darum
von hervorragender politischer Bedeutung ist. Dieses sorgfältige Umgehen des
Kernes der Sache, dieses Herbeiziehen von Streitpunkten, welche mit jener we¬
nigstens keine unmittelbare Berührung haben, illustrirt die gegenwärtigen innern
Zustände Österreichs derart, daß man sich über diese keiner Täuschung mehr
überlassen kann.

Der "Wurmbrandsche Antrag" nennt sich das Objekt des Streites, und
auch dieser Name dient mit zur Signatur. Graf Wurmbrand gehört zu jener
Gruppe steirischer Abgeordneten, welche stets einem bedeutenden Maße von
Selbstverwaltung das Wort geredet und sich den Ansprüchen der interessanten
Nationalitäten geneigt erwiesen haben; persönlich ist er der wohlwollendste, billig¬
denkendste Politiker, den man sich vorstelle" kann, er hält sich mehr als viel¬
leicht irgend einer seiner Kollegen frei von Fraktionsvornrteilen und Fraktivns-
lcidenschaften, Man darf es ihm daher aufs Wort glauben, daß er i" der
besten Absicht vor vier Jahren den Antrag formulirt hat, die Regierung zur
Vorlage eines Gesetzentwurfs nufzufvrdern, durch welchen die Sprachenfrage
unter Wahrung der deutschen Staatssprache geregelt würde. Auch hieß mau
anfangs gerade im Lager der Rechten den Antrag, als vom Gerechtigkeitsge¬
fühle diktirt, willkommen, während von der Linken Bedenken geäußert wurden-


Gre"zbowi I. 1884. 4l


Sie Staatssprache in Österreich.

n den Tagen vom 24, bis zum 29. Januar lieferten sich die
beiden großen Parteien im österreichischen Reichsrate eine Rede¬
schlacht, welche für el» Handbuch der politischen Redekunst aller¬
dings nicht viel Material geliefert hätte — denn mit Mustern,
um stundenlang einzig mit dem Zweck der Verdunkelung des Ver¬
handlungsgegenstandes zu sprechen, hat ja die parlamentarische und die foren¬
sische Beredsamkeit uns schon übergenug versorgt —, welche aber gerade darum
von hervorragender politischer Bedeutung ist. Dieses sorgfältige Umgehen des
Kernes der Sache, dieses Herbeiziehen von Streitpunkten, welche mit jener we¬
nigstens keine unmittelbare Berührung haben, illustrirt die gegenwärtigen innern
Zustände Österreichs derart, daß man sich über diese keiner Täuschung mehr
überlassen kann.

Der „Wurmbrandsche Antrag" nennt sich das Objekt des Streites, und
auch dieser Name dient mit zur Signatur. Graf Wurmbrand gehört zu jener
Gruppe steirischer Abgeordneten, welche stets einem bedeutenden Maße von
Selbstverwaltung das Wort geredet und sich den Ansprüchen der interessanten
Nationalitäten geneigt erwiesen haben; persönlich ist er der wohlwollendste, billig¬
denkendste Politiker, den man sich vorstelle» kann, er hält sich mehr als viel¬
leicht irgend einer seiner Kollegen frei von Fraktionsvornrteilen und Fraktivns-
lcidenschaften, Man darf es ihm daher aufs Wort glauben, daß er i» der
besten Absicht vor vier Jahren den Antrag formulirt hat, die Regierung zur
Vorlage eines Gesetzentwurfs nufzufvrdern, durch welchen die Sprachenfrage
unter Wahrung der deutschen Staatssprache geregelt würde. Auch hieß mau
anfangs gerade im Lager der Rechten den Antrag, als vom Gerechtigkeitsge¬
fühle diktirt, willkommen, während von der Linken Bedenken geäußert wurden-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/331>, abgerufen am 04.05.2024.