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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.
Robort Waldmüller (Ed. Dulwc). Novelle von (Fortsetzung.)
Vierzehntes Aapitel.

an hat zu alle" Zeiten die Leistungen eines Diplomaten besonders
dann bewundert, wenn sie mit einer Überraschung zusammen¬
hingen. Der Massenauflauf der Aktien des Suezkanals, die An-
uektirung Cyperns haben dem englischen Premier das lautlose
Staunen ganz Europas eingetragen. Welch ein Meister! rief
man, welch eine Überlegenheit! Niemand ahnte etwas! Das soll ihm einmal
einer nachmachen!

Man vergißt, daß chiffrirte Depeschen zwischen dem Premier und seinem
Botschafter oder Gesandten für die komplizirtesten Verhandlungen und Ab¬
machungen genüge", und daß zwischen Stambul und Downing Street laufende
von Schwalben auf deu Telegraphendrähte" Rast machen können, ohne daß,
was "meer ihren Füßchen an wichtigen Dingen hin- und hergeschnellt wird
irgend einem Lauscher verständlich wird.

Wieviel schwerer es ist, auf nur wenige hundert Schritt Entfernung einen
Vorgang geheim zu halten, der in den Beobachtungskreis der Dienstboten fällt,
das sollte der Fabrikant erfahre", als er "um die Stunde des zweiten Früh¬
stücks" seine Aufwartung in der Villa Mockritz machte.

Zunächst erfuhr er freilich nur die Wirkung, ohne die Ursache zu ahne",
und so geriet er in eine" Zustand sprachlosen Staunens. Er hatte, trotz seiner
Annahme, mit dem Gemüt nicht beteiligt z" sein, nur beklommenen Schrittes
den "dornenvollen Pfad" betreten, und er wartete in dein Empfangszimmer der
Frau von Mockritz mit dem Herzklopfen, das auch deu Mutigsten kurz vor den
ersten Kanonenschüssen eines heißen Schlachttages um seinen ruhigen Atem bringt.
Dann aber, als Fran von Mockritz hcrangerciuscht war und nach wenigen, noch
nichts verratenden Worten des Besuchers die für sie und ihre Tochter bestimmten




Auf der Leiter des Glücks.
Robort Waldmüller (Ed. Dulwc). Novelle von (Fortsetzung.)
Vierzehntes Aapitel.

an hat zu alle» Zeiten die Leistungen eines Diplomaten besonders
dann bewundert, wenn sie mit einer Überraschung zusammen¬
hingen. Der Massenauflauf der Aktien des Suezkanals, die An-
uektirung Cyperns haben dem englischen Premier das lautlose
Staunen ganz Europas eingetragen. Welch ein Meister! rief
man, welch eine Überlegenheit! Niemand ahnte etwas! Das soll ihm einmal
einer nachmachen!

Man vergißt, daß chiffrirte Depeschen zwischen dem Premier und seinem
Botschafter oder Gesandten für die komplizirtesten Verhandlungen und Ab¬
machungen genüge», und daß zwischen Stambul und Downing Street laufende
von Schwalben auf deu Telegraphendrähte» Rast machen können, ohne daß,
was »meer ihren Füßchen an wichtigen Dingen hin- und hergeschnellt wird
irgend einem Lauscher verständlich wird.

Wieviel schwerer es ist, auf nur wenige hundert Schritt Entfernung einen
Vorgang geheim zu halten, der in den Beobachtungskreis der Dienstboten fällt,
das sollte der Fabrikant erfahre», als er „um die Stunde des zweiten Früh¬
stücks" seine Aufwartung in der Villa Mockritz machte.

Zunächst erfuhr er freilich nur die Wirkung, ohne die Ursache zu ahne»,
und so geriet er in eine» Zustand sprachlosen Staunens. Er hatte, trotz seiner
Annahme, mit dem Gemüt nicht beteiligt z» sein, nur beklommenen Schrittes
den „dornenvollen Pfad" betreten, und er wartete in dein Empfangszimmer der
Frau von Mockritz mit dem Herzklopfen, das auch deu Mutigsten kurz vor den
ersten Kanonenschüssen eines heißen Schlachttages um seinen ruhigen Atem bringt.
Dann aber, als Fran von Mockritz hcrangerciuscht war und nach wenigen, noch
nichts verratenden Worten des Besuchers die für sie und ihre Tochter bestimmten


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[0423] [Abbildung] Auf der Leiter des Glücks. Robort Waldmüller (Ed. Dulwc). Novelle von (Fortsetzung.) Vierzehntes Aapitel. an hat zu alle» Zeiten die Leistungen eines Diplomaten besonders dann bewundert, wenn sie mit einer Überraschung zusammen¬ hingen. Der Massenauflauf der Aktien des Suezkanals, die An- uektirung Cyperns haben dem englischen Premier das lautlose Staunen ganz Europas eingetragen. Welch ein Meister! rief man, welch eine Überlegenheit! Niemand ahnte etwas! Das soll ihm einmal einer nachmachen! Man vergißt, daß chiffrirte Depeschen zwischen dem Premier und seinem Botschafter oder Gesandten für die komplizirtesten Verhandlungen und Ab¬ machungen genüge», und daß zwischen Stambul und Downing Street laufende von Schwalben auf deu Telegraphendrähte» Rast machen können, ohne daß, was »meer ihren Füßchen an wichtigen Dingen hin- und hergeschnellt wird irgend einem Lauscher verständlich wird. Wieviel schwerer es ist, auf nur wenige hundert Schritt Entfernung einen Vorgang geheim zu halten, der in den Beobachtungskreis der Dienstboten fällt, das sollte der Fabrikant erfahre», als er „um die Stunde des zweiten Früh¬ stücks" seine Aufwartung in der Villa Mockritz machte. Zunächst erfuhr er freilich nur die Wirkung, ohne die Ursache zu ahne», und so geriet er in eine» Zustand sprachlosen Staunens. Er hatte, trotz seiner Annahme, mit dem Gemüt nicht beteiligt z» sein, nur beklommenen Schrittes den „dornenvollen Pfad" betreten, und er wartete in dein Empfangszimmer der Frau von Mockritz mit dem Herzklopfen, das auch deu Mutigsten kurz vor den ersten Kanonenschüssen eines heißen Schlachttages um seinen ruhigen Atem bringt. Dann aber, als Fran von Mockritz hcrangerciuscht war und nach wenigen, noch nichts verratenden Worten des Besuchers die für sie und ihre Tochter bestimmten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/423>, abgerufen am 04.05.2024.