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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Notizen,

Weltwunders, aber wenn eine junge Frau ins Haus kommt, muß sie ein
wenig nach Gefallen schalten und walten können. Morgen früh siehst du mich
in Hemdsärmeln einen Spielplatz abstecken.

Nur nicht in Hemdsärmeln, Kaspar Benedikt, lächelte Frau Anna.

Gut, in einer leinenen Jacke.

In deiner seidnen, Kaspar Benedikt.

Auch gut, aber mit der Schaufel in den Händen. Da werden lästige Be¬
wundrer unsers Eldorados schon hübsch draußen bleiben. Gute Freunde aber
werden umso lieber bei uns einsprechen.

Und so ist man der Villa Lans-M-eil denn in der That Herr geworden,
gleichviel auf welcher Sprosse der Leiter des Glücks sich dieser Sieg vollzog --
das einzige nämlich, worüber die Gatten nicht einig waren; denn mir graut
vor dem Abschätzen des Glücks, pflegte Kaspar Benedikt zu sagen, und säßen
wir in der Meinung der Leute auch auf der obersten Sprosse, wir brauchte"
mir der vielen Unglückliche" ringsum zu gedenken, um von allen jenen Sprossen
nichts wissen z" wolle".

Frau Anna hatte oft den Kopf zu solchen Freudedämpfern geschüttelt.
Am Tage nach der Hochzeit konnte sich nicht lassen, ihrem philosophischen Gatten
die Zumutung zu stellen, er möge seine Theorie von der untersten Sprosse
nunmehr endlich aufgeben.

Nein, Frau, gab er zur Antwort, bei dieser Theorie laß uns bis ans Ende
unsrer Tage bleiben, und wäre es auch nur, um nicht von Schwindelanfällen
behelligt zu werden.

Schwindelanfälle! Frau Anna machte ein besorgtes Gesicht. Aber Kaspar
Benedikt blickte so schwindelfrei und heiter, daß sie schon im nächsten Augen¬
blicke die Sache mutig vou einer andern Seite wieder aufnahm.

Also gut! Hier meine Hand, Alter, sagte sie, ich will nie wieder gegen
die unterste Sprosse Einspruch erheben. Eins wirst dn mir aber einräumen,
Kaspar Benedikt -- angenommen, über Jahr und Tag kommt eine Zeit, wo
wir zwei alten Glückspilze Hand in Hand von früh bis spät in unserm Enkel¬
zimmer sitzen --

Gieb mir die Jacke und die Schaufel, sagte Kaspar Benedikt; zunächst soll
alle Welt erfahren, daß Villa Anna künftig ohne Kustoden fertig werden muß.




Notizen.
Eine Philosophie der Erlösung.

Wie die Schlingpflanzen mit farben¬
reichen Blüten im tropischen Urwalde üppig aufschießen, so entspringen aus dem
Chaos unsrer heutigen Philosophie wunderbare Sumpfgewächse, voll Saft und


Notizen,

Weltwunders, aber wenn eine junge Frau ins Haus kommt, muß sie ein
wenig nach Gefallen schalten und walten können. Morgen früh siehst du mich
in Hemdsärmeln einen Spielplatz abstecken.

Nur nicht in Hemdsärmeln, Kaspar Benedikt, lächelte Frau Anna.

Gut, in einer leinenen Jacke.

In deiner seidnen, Kaspar Benedikt.

Auch gut, aber mit der Schaufel in den Händen. Da werden lästige Be¬
wundrer unsers Eldorados schon hübsch draußen bleiben. Gute Freunde aber
werden umso lieber bei uns einsprechen.

Und so ist man der Villa Lans-M-eil denn in der That Herr geworden,
gleichviel auf welcher Sprosse der Leiter des Glücks sich dieser Sieg vollzog —
das einzige nämlich, worüber die Gatten nicht einig waren; denn mir graut
vor dem Abschätzen des Glücks, pflegte Kaspar Benedikt zu sagen, und säßen
wir in der Meinung der Leute auch auf der obersten Sprosse, wir brauchte»
mir der vielen Unglückliche» ringsum zu gedenken, um von allen jenen Sprossen
nichts wissen z» wolle».

Frau Anna hatte oft den Kopf zu solchen Freudedämpfern geschüttelt.
Am Tage nach der Hochzeit konnte sich nicht lassen, ihrem philosophischen Gatten
die Zumutung zu stellen, er möge seine Theorie von der untersten Sprosse
nunmehr endlich aufgeben.

Nein, Frau, gab er zur Antwort, bei dieser Theorie laß uns bis ans Ende
unsrer Tage bleiben, und wäre es auch nur, um nicht von Schwindelanfällen
behelligt zu werden.

Schwindelanfälle! Frau Anna machte ein besorgtes Gesicht. Aber Kaspar
Benedikt blickte so schwindelfrei und heiter, daß sie schon im nächsten Augen¬
blicke die Sache mutig vou einer andern Seite wieder aufnahm.

Also gut! Hier meine Hand, Alter, sagte sie, ich will nie wieder gegen
die unterste Sprosse Einspruch erheben. Eins wirst dn mir aber einräumen,
Kaspar Benedikt — angenommen, über Jahr und Tag kommt eine Zeit, wo
wir zwei alten Glückspilze Hand in Hand von früh bis spät in unserm Enkel¬
zimmer sitzen —

Gieb mir die Jacke und die Schaufel, sagte Kaspar Benedikt; zunächst soll
alle Welt erfahren, daß Villa Anna künftig ohne Kustoden fertig werden muß.




Notizen.
Eine Philosophie der Erlösung.

Wie die Schlingpflanzen mit farben¬
reichen Blüten im tropischen Urwalde üppig aufschießen, so entspringen aus dem
Chaos unsrer heutigen Philosophie wunderbare Sumpfgewächse, voll Saft und


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[0591] Notizen, Weltwunders, aber wenn eine junge Frau ins Haus kommt, muß sie ein wenig nach Gefallen schalten und walten können. Morgen früh siehst du mich in Hemdsärmeln einen Spielplatz abstecken. Nur nicht in Hemdsärmeln, Kaspar Benedikt, lächelte Frau Anna. Gut, in einer leinenen Jacke. In deiner seidnen, Kaspar Benedikt. Auch gut, aber mit der Schaufel in den Händen. Da werden lästige Be¬ wundrer unsers Eldorados schon hübsch draußen bleiben. Gute Freunde aber werden umso lieber bei uns einsprechen. Und so ist man der Villa Lans-M-eil denn in der That Herr geworden, gleichviel auf welcher Sprosse der Leiter des Glücks sich dieser Sieg vollzog — das einzige nämlich, worüber die Gatten nicht einig waren; denn mir graut vor dem Abschätzen des Glücks, pflegte Kaspar Benedikt zu sagen, und säßen wir in der Meinung der Leute auch auf der obersten Sprosse, wir brauchte» mir der vielen Unglückliche» ringsum zu gedenken, um von allen jenen Sprossen nichts wissen z» wolle». Frau Anna hatte oft den Kopf zu solchen Freudedämpfern geschüttelt. Am Tage nach der Hochzeit konnte sich nicht lassen, ihrem philosophischen Gatten die Zumutung zu stellen, er möge seine Theorie von der untersten Sprosse nunmehr endlich aufgeben. Nein, Frau, gab er zur Antwort, bei dieser Theorie laß uns bis ans Ende unsrer Tage bleiben, und wäre es auch nur, um nicht von Schwindelanfällen behelligt zu werden. Schwindelanfälle! Frau Anna machte ein besorgtes Gesicht. Aber Kaspar Benedikt blickte so schwindelfrei und heiter, daß sie schon im nächsten Augen¬ blicke die Sache mutig vou einer andern Seite wieder aufnahm. Also gut! Hier meine Hand, Alter, sagte sie, ich will nie wieder gegen die unterste Sprosse Einspruch erheben. Eins wirst dn mir aber einräumen, Kaspar Benedikt — angenommen, über Jahr und Tag kommt eine Zeit, wo wir zwei alten Glückspilze Hand in Hand von früh bis spät in unserm Enkel¬ zimmer sitzen — Gieb mir die Jacke und die Schaufel, sagte Kaspar Benedikt; zunächst soll alle Welt erfahren, daß Villa Anna künftig ohne Kustoden fertig werden muß. Notizen. Eine Philosophie der Erlösung. Wie die Schlingpflanzen mit farben¬ reichen Blüten im tropischen Urwalde üppig aufschießen, so entspringen aus dem Chaos unsrer heutigen Philosophie wunderbare Sumpfgewächse, voll Saft und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/591>, abgerufen am 04.05.2024.