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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Im Herzogtum Friedland.

ick gefeiert und viel verlästert klingt der Name des Friedländers
in der Geschichte; doch von der Herrschaft, die ihm den Namen
gegeben, weiß man wenig. Und doch tritt die Natur des merk¬
würdigen Emporkömmlings vielleicht nirgends klarer hervor als
dort, wo er als Regent und Grundherr geschaltet hat: im "Herzog¬
tum Friedland." Längst verweht ist die staatliche Schöpfung, die er mitten in
den Stürmen des großen Krieges hier im nordöstlichen Böhmen aufzurichten
versuchte, aber was er dort an Bauten und Anlagen schuf, das steht fast überall
noch anfrecht, denn nicht für die wenigen Jahre seiner Herrschaft hat er es be¬
messen, sondern ans Jahrhunderte.

Sein Herzogtum erwuchs aus den massenhaften Güterkäufen und Güter-
scheuknngen nach der Schlacht am Weißen Berge; er hat auf solche Erwerbungen
allein in den Jahren 1621 bis 1623 über sieben Millionen Gulden verwandt.
Erst im Januar 1627 erhielt er den Titel eines "Herzogs von Friedland,"
doch die Bildung des Gebietes war im wesentlichen schon im Jahre 1623 voll¬
endet, als er den Fürsteutitel erhielt. Damals zählte der "Majestätsbrief," den
ihm der Kaiser darüber ausstellte, neun Städte (Friedland, Reichenberg, Arrau,
Weißwasser, Münchengrätz, Böhmisch-Leipa, Turnau, Gitschin, Böhmisch-Aicha)
und siebenundfünfzig Dörfer und Schlösser als zum Fürstentum gehörig auf.
Es umfaßte also einen großen Teil des nordöstlichen Böhmens, und indem der
Kaiser an Wallenstein die Lehnshoheit über seine Vasallen innerhalb dieser
Grenzen abtrat, machte er ihn gleichzeitig zum Oberherrn einer stattlichen Va¬
sallenschaft, der im Jahre 1634 3403 lehnspflichtige Grundstücke gehörten.
Als nunmehriger Landesherr säumte Wallenstein nicht, dein Gebiete eine ge¬
ordnete, selbständige Verwaltung zu verleihen. Ein Landeshauptmann (Statt¬
halter) trat an die Spitze, unter ihm besorgte die herzogliche Kammer, von
einem "Regenten" geleitet, die Finanzverwaltung, die Kanzlei unter einem
Kanzler fungirte zugleich als höchste Justizbehörde und als eine Art Ministerium
des Innern, übrigens ausschließlich in deutscher Amtssprache. Als die
Verhältnisse sich einigermaßen befestigt hatten, dachte der Herzog sogar
daran, seinem Lande eine ständische Verfassung zu verleihen, mitten im
Gewühl des beginnenden entscheidenden Feldzuges gegen Gustav Adolf. Nach
der "Landesvrdmmg" vom März 1632 sollten drei Stände den Landtag
des Herzogtums Friedland bilden, die Geistlichen, an ihrer Spitze der Propst


Im Herzogtum Friedland.

ick gefeiert und viel verlästert klingt der Name des Friedländers
in der Geschichte; doch von der Herrschaft, die ihm den Namen
gegeben, weiß man wenig. Und doch tritt die Natur des merk¬
würdigen Emporkömmlings vielleicht nirgends klarer hervor als
dort, wo er als Regent und Grundherr geschaltet hat: im „Herzog¬
tum Friedland." Längst verweht ist die staatliche Schöpfung, die er mitten in
den Stürmen des großen Krieges hier im nordöstlichen Böhmen aufzurichten
versuchte, aber was er dort an Bauten und Anlagen schuf, das steht fast überall
noch anfrecht, denn nicht für die wenigen Jahre seiner Herrschaft hat er es be¬
messen, sondern ans Jahrhunderte.

Sein Herzogtum erwuchs aus den massenhaften Güterkäufen und Güter-
scheuknngen nach der Schlacht am Weißen Berge; er hat auf solche Erwerbungen
allein in den Jahren 1621 bis 1623 über sieben Millionen Gulden verwandt.
Erst im Januar 1627 erhielt er den Titel eines „Herzogs von Friedland,"
doch die Bildung des Gebietes war im wesentlichen schon im Jahre 1623 voll¬
endet, als er den Fürsteutitel erhielt. Damals zählte der „Majestätsbrief," den
ihm der Kaiser darüber ausstellte, neun Städte (Friedland, Reichenberg, Arrau,
Weißwasser, Münchengrätz, Böhmisch-Leipa, Turnau, Gitschin, Böhmisch-Aicha)
und siebenundfünfzig Dörfer und Schlösser als zum Fürstentum gehörig auf.
Es umfaßte also einen großen Teil des nordöstlichen Böhmens, und indem der
Kaiser an Wallenstein die Lehnshoheit über seine Vasallen innerhalb dieser
Grenzen abtrat, machte er ihn gleichzeitig zum Oberherrn einer stattlichen Va¬
sallenschaft, der im Jahre 1634 3403 lehnspflichtige Grundstücke gehörten.
Als nunmehriger Landesherr säumte Wallenstein nicht, dein Gebiete eine ge¬
ordnete, selbständige Verwaltung zu verleihen. Ein Landeshauptmann (Statt¬
halter) trat an die Spitze, unter ihm besorgte die herzogliche Kammer, von
einem „Regenten" geleitet, die Finanzverwaltung, die Kanzlei unter einem
Kanzler fungirte zugleich als höchste Justizbehörde und als eine Art Ministerium
des Innern, übrigens ausschließlich in deutscher Amtssprache. Als die
Verhältnisse sich einigermaßen befestigt hatten, dachte der Herzog sogar
daran, seinem Lande eine ständische Verfassung zu verleihen, mitten im
Gewühl des beginnenden entscheidenden Feldzuges gegen Gustav Adolf. Nach
der „Landesvrdmmg" vom März 1632 sollten drei Stände den Landtag
des Herzogtums Friedland bilden, die Geistlichen, an ihrer Spitze der Propst


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[0231] Im Herzogtum Friedland. ick gefeiert und viel verlästert klingt der Name des Friedländers in der Geschichte; doch von der Herrschaft, die ihm den Namen gegeben, weiß man wenig. Und doch tritt die Natur des merk¬ würdigen Emporkömmlings vielleicht nirgends klarer hervor als dort, wo er als Regent und Grundherr geschaltet hat: im „Herzog¬ tum Friedland." Längst verweht ist die staatliche Schöpfung, die er mitten in den Stürmen des großen Krieges hier im nordöstlichen Böhmen aufzurichten versuchte, aber was er dort an Bauten und Anlagen schuf, das steht fast überall noch anfrecht, denn nicht für die wenigen Jahre seiner Herrschaft hat er es be¬ messen, sondern ans Jahrhunderte. Sein Herzogtum erwuchs aus den massenhaften Güterkäufen und Güter- scheuknngen nach der Schlacht am Weißen Berge; er hat auf solche Erwerbungen allein in den Jahren 1621 bis 1623 über sieben Millionen Gulden verwandt. Erst im Januar 1627 erhielt er den Titel eines „Herzogs von Friedland," doch die Bildung des Gebietes war im wesentlichen schon im Jahre 1623 voll¬ endet, als er den Fürsteutitel erhielt. Damals zählte der „Majestätsbrief," den ihm der Kaiser darüber ausstellte, neun Städte (Friedland, Reichenberg, Arrau, Weißwasser, Münchengrätz, Böhmisch-Leipa, Turnau, Gitschin, Böhmisch-Aicha) und siebenundfünfzig Dörfer und Schlösser als zum Fürstentum gehörig auf. Es umfaßte also einen großen Teil des nordöstlichen Böhmens, und indem der Kaiser an Wallenstein die Lehnshoheit über seine Vasallen innerhalb dieser Grenzen abtrat, machte er ihn gleichzeitig zum Oberherrn einer stattlichen Va¬ sallenschaft, der im Jahre 1634 3403 lehnspflichtige Grundstücke gehörten. Als nunmehriger Landesherr säumte Wallenstein nicht, dein Gebiete eine ge¬ ordnete, selbständige Verwaltung zu verleihen. Ein Landeshauptmann (Statt¬ halter) trat an die Spitze, unter ihm besorgte die herzogliche Kammer, von einem „Regenten" geleitet, die Finanzverwaltung, die Kanzlei unter einem Kanzler fungirte zugleich als höchste Justizbehörde und als eine Art Ministerium des Innern, übrigens ausschließlich in deutscher Amtssprache. Als die Verhältnisse sich einigermaßen befestigt hatten, dachte der Herzog sogar daran, seinem Lande eine ständische Verfassung zu verleihen, mitten im Gewühl des beginnenden entscheidenden Feldzuges gegen Gustav Adolf. Nach der „Landesvrdmmg" vom März 1632 sollten drei Stände den Landtag des Herzogtums Friedland bilden, die Geistlichen, an ihrer Spitze der Propst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/231>, abgerufen am 01.05.2024.