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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Literatur.

mir für eine Abhandlung über den Dichter Nicolay, die ich unter der Feder habe,
mitgeteilt worden.


Wilhelm Bodo,

Ein bischen Griechisch. In Ur. 3 der "Gegenwart" belehrt ein Herr
Moritz Alsberg die Leser in einem Artikel "Die Genossenschaft im Tier- und
Pflanzenreiche," daß der Ausdruck Symbiose von De Vary in die Naturwissen¬
schaften eingeführt worden sei, und bemerkt dazu, daß dieser Ausdruck "vom griechischen
2u^ßls,.v" herkomme. Die Leser der Grenzboten, die zufällig einen Sohn in der
Obertertia des Gymnasiums sitzen haben, mögen ihm diese Ableitung zu seiner Er¬
heiterung mitteilen.

Ju dem Kampfe gegen die thörichten Angriffe, die von gewisser Seite gegen
den Unterricht im Griechischen auf unsern Gymnasien gemacht werden, kann man
sich gar keine bessere Waffe wünschen, als die schauderhafte Blöße, die sich die
meisten unsrer Zeitschriften geben, so oft sie einmal ein griechisches Wort anführen.
Und doch können sie's nicht lassen! So ein bischen Griechisch, es ist doch zu hübsch,
es giebt der Zeitung gleich so ein gewisses Air. Freilich, den Accent auf das
griechische Wort zu setzen, ist eine kitzliche Sache, am klügsten ist es, ihn wegzu¬
lassen. Ist er aber gesetzt, dann ist zehn gegen eins zu wetten, daß er in der
Hälfte aller Fälle falsch ist, und in den Fällen, wo er richtig ist, ist sicherlich irgend
ein andrer Bock in dem Worte: ein falscher Buchstabe (sieht man doch gewisse
griechische Wörter, selbst wenn sie mit deutschen Buchstabe" gedruckt find, regelmäßig
falsch, wie philanthropisch, Rhythmus, Logogriph, wofür stets Philantropisch, Ryth-
ums, Logogryph erscheint) oder, wie im vorliegenden Falle, wo sich der Verfasser
gar auf das Gebiet der Formenlehre gewagt hat, ein feister grammatischer Schnitzer,
ein "Doppelhacksch," wie wir als Schuljungen sagten.

Ja ja, das liebe Griechisch -- man kann fürchterlich dabei hineinfallen. Ist
es doch vor kurzem sogar einem Professor um einer berühmten deutschen Univer¬
sität begegnet, daß er in seiner Antrittsvorlesung in der Aula vor feierlicher Ver¬
sammlung behauptet hat, Biologie komme her von ßiciv!

Wie beugt man solchen Fatalitäten vor? Dadurch, daß man Griechisch lernt?
vvdentlich lernt? Oder dadurch, daß man den Unterricht im Griechischen -- ab¬
schafft? Antwort, ihr Herren vom "Realgymnasium"!




Literatur.
Zeitschrift für Allgemeine Geschichte, Kultur-, Literatur- und Kunstgeschichte,
^"ausgegeben von H. v. Zwiedineck-Südcnhorst. Erster Band. Jahrgang 1884. Stutt¬
gart, I. G. Cotta.

Im verflossenen Jahre ist eine neue Zeitschrift ans Licht getreten, welche so¬
wohl durch die Namen ihrer Mitarbeiter, wie durch den Zweck und die Richtung
Unternehmens selbst besondern Anspruch aus die Teilnahme des Publikums
Me: die "Zeitschrift für Allgemeine Geschichte," herausgegeben von H. v. Zwiedineck-
Südenhorst. Das neue Unternehmen ist "allen gewidmet, welche Geschichte lesen
wollen, Geschichte in ihrem weitesten Begriffe, in welchem sich alle Elemente des


Literatur.

mir für eine Abhandlung über den Dichter Nicolay, die ich unter der Feder habe,
mitgeteilt worden.


Wilhelm Bodo,

Ein bischen Griechisch. In Ur. 3 der „Gegenwart" belehrt ein Herr
Moritz Alsberg die Leser in einem Artikel „Die Genossenschaft im Tier- und
Pflanzenreiche," daß der Ausdruck Symbiose von De Vary in die Naturwissen¬
schaften eingeführt worden sei, und bemerkt dazu, daß dieser Ausdruck „vom griechischen
2u^ßls,.v" herkomme. Die Leser der Grenzboten, die zufällig einen Sohn in der
Obertertia des Gymnasiums sitzen haben, mögen ihm diese Ableitung zu seiner Er¬
heiterung mitteilen.

Ju dem Kampfe gegen die thörichten Angriffe, die von gewisser Seite gegen
den Unterricht im Griechischen auf unsern Gymnasien gemacht werden, kann man
sich gar keine bessere Waffe wünschen, als die schauderhafte Blöße, die sich die
meisten unsrer Zeitschriften geben, so oft sie einmal ein griechisches Wort anführen.
Und doch können sie's nicht lassen! So ein bischen Griechisch, es ist doch zu hübsch,
es giebt der Zeitung gleich so ein gewisses Air. Freilich, den Accent auf das
griechische Wort zu setzen, ist eine kitzliche Sache, am klügsten ist es, ihn wegzu¬
lassen. Ist er aber gesetzt, dann ist zehn gegen eins zu wetten, daß er in der
Hälfte aller Fälle falsch ist, und in den Fällen, wo er richtig ist, ist sicherlich irgend
ein andrer Bock in dem Worte: ein falscher Buchstabe (sieht man doch gewisse
griechische Wörter, selbst wenn sie mit deutschen Buchstabe» gedruckt find, regelmäßig
falsch, wie philanthropisch, Rhythmus, Logogriph, wofür stets Philantropisch, Ryth-
ums, Logogryph erscheint) oder, wie im vorliegenden Falle, wo sich der Verfasser
gar auf das Gebiet der Formenlehre gewagt hat, ein feister grammatischer Schnitzer,
ein „Doppelhacksch," wie wir als Schuljungen sagten.

Ja ja, das liebe Griechisch — man kann fürchterlich dabei hineinfallen. Ist
es doch vor kurzem sogar einem Professor um einer berühmten deutschen Univer¬
sität begegnet, daß er in seiner Antrittsvorlesung in der Aula vor feierlicher Ver¬
sammlung behauptet hat, Biologie komme her von ßiciv!

Wie beugt man solchen Fatalitäten vor? Dadurch, daß man Griechisch lernt?
vvdentlich lernt? Oder dadurch, daß man den Unterricht im Griechischen — ab¬
schafft? Antwort, ihr Herren vom „Realgymnasium"!




Literatur.
Zeitschrift für Allgemeine Geschichte, Kultur-, Literatur- und Kunstgeschichte,
^«ausgegeben von H. v. Zwiedineck-Südcnhorst. Erster Band. Jahrgang 1884. Stutt¬
gart, I. G. Cotta.

Im verflossenen Jahre ist eine neue Zeitschrift ans Licht getreten, welche so¬
wohl durch die Namen ihrer Mitarbeiter, wie durch den Zweck und die Richtung
Unternehmens selbst besondern Anspruch aus die Teilnahme des Publikums
Me: die „Zeitschrift für Allgemeine Geschichte," herausgegeben von H. v. Zwiedineck-
Südenhorst. Das neue Unternehmen ist „allen gewidmet, welche Geschichte lesen
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[0275] Literatur. mir für eine Abhandlung über den Dichter Nicolay, die ich unter der Feder habe, mitgeteilt worden. Wilhelm Bodo, Ein bischen Griechisch. In Ur. 3 der „Gegenwart" belehrt ein Herr Moritz Alsberg die Leser in einem Artikel „Die Genossenschaft im Tier- und Pflanzenreiche," daß der Ausdruck Symbiose von De Vary in die Naturwissen¬ schaften eingeführt worden sei, und bemerkt dazu, daß dieser Ausdruck „vom griechischen 2u^ßls,.v" herkomme. Die Leser der Grenzboten, die zufällig einen Sohn in der Obertertia des Gymnasiums sitzen haben, mögen ihm diese Ableitung zu seiner Er¬ heiterung mitteilen. Ju dem Kampfe gegen die thörichten Angriffe, die von gewisser Seite gegen den Unterricht im Griechischen auf unsern Gymnasien gemacht werden, kann man sich gar keine bessere Waffe wünschen, als die schauderhafte Blöße, die sich die meisten unsrer Zeitschriften geben, so oft sie einmal ein griechisches Wort anführen. Und doch können sie's nicht lassen! So ein bischen Griechisch, es ist doch zu hübsch, es giebt der Zeitung gleich so ein gewisses Air. Freilich, den Accent auf das griechische Wort zu setzen, ist eine kitzliche Sache, am klügsten ist es, ihn wegzu¬ lassen. Ist er aber gesetzt, dann ist zehn gegen eins zu wetten, daß er in der Hälfte aller Fälle falsch ist, und in den Fällen, wo er richtig ist, ist sicherlich irgend ein andrer Bock in dem Worte: ein falscher Buchstabe (sieht man doch gewisse griechische Wörter, selbst wenn sie mit deutschen Buchstabe» gedruckt find, regelmäßig falsch, wie philanthropisch, Rhythmus, Logogriph, wofür stets Philantropisch, Ryth- ums, Logogryph erscheint) oder, wie im vorliegenden Falle, wo sich der Verfasser gar auf das Gebiet der Formenlehre gewagt hat, ein feister grammatischer Schnitzer, ein „Doppelhacksch," wie wir als Schuljungen sagten. Ja ja, das liebe Griechisch — man kann fürchterlich dabei hineinfallen. Ist es doch vor kurzem sogar einem Professor um einer berühmten deutschen Univer¬ sität begegnet, daß er in seiner Antrittsvorlesung in der Aula vor feierlicher Ver¬ sammlung behauptet hat, Biologie komme her von ßiciv! Wie beugt man solchen Fatalitäten vor? Dadurch, daß man Griechisch lernt? vvdentlich lernt? Oder dadurch, daß man den Unterricht im Griechischen — ab¬ schafft? Antwort, ihr Herren vom „Realgymnasium"! Literatur. Zeitschrift für Allgemeine Geschichte, Kultur-, Literatur- und Kunstgeschichte, ^«ausgegeben von H. v. Zwiedineck-Südcnhorst. Erster Band. Jahrgang 1884. Stutt¬ gart, I. G. Cotta. Im verflossenen Jahre ist eine neue Zeitschrift ans Licht getreten, welche so¬ wohl durch die Namen ihrer Mitarbeiter, wie durch den Zweck und die Richtung Unternehmens selbst besondern Anspruch aus die Teilnahme des Publikums Me: die „Zeitschrift für Allgemeine Geschichte," herausgegeben von H. v. Zwiedineck- Südenhorst. Das neue Unternehmen ist „allen gewidmet, welche Geschichte lesen wollen, Geschichte in ihrem weitesten Begriffe, in welchem sich alle Elemente des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/275>, abgerufen am 01.05.2024.