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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um ano Perle.

ö niiiAvolo! Denn war es nicht ganz der Klang von Cesarinas Stimme
gewesen, was Gervasio zwischen dem Getöse der Mühlräder und der Mahlsteine
zu unterscheiden geglaubt hatte, und war ihm dabei nicht leichter zu Mute ge¬
worden als seit langem? Aber auch daß bellte das Fest der heiligen Lucia
war, stimmte ja mit der ihm einst gewordenen Zusage überein. Und nun gar
der Ring mit dem hoffnungsgrüneu Stein, der ein baldiges Wiedersehen in
den himmlischen Gefilden verbürgen zu wollen schien! Es ist Cesarina gewesen!
rief er beseligt einmal über das andre, und die Matrone stimmte wieder und
wieder bei: ^ miraoolo, ö un mirs-eolo!




Sechsundzwcmzigstes Aapitel.

Beppo hätte nicht durch frühe Übung in allen Sätteln gerecht sein müssen,
wenn er von dem Tode seines Herrn sich lange hätte zu Boden beugen lassen.
Zuerst freilich war er schier aus den Fugen gewesen. Ein im Grunde doch so
guter und dabei so freigebiger Herr! redete er mit sich selbst, und überdies
"och ein so schmucker Herr! Und im Handumdrehen ist alles vorüber! Man
möchte, mit Respekt zu sagen, zuweilen über die Wirtschaft da oben den Kopf
schütteln! Da laufen und kriechen Blinde, Lahme lind Mißgestaltete auf allen
Gassen herum und erreichen Methusalems Alter. Kein Dachziegel erbarmt sich
ihrer! Aber hat der Herrgott einmal alle seine Schöpferkunst auf ein Menschen¬
kind verwendet, ist's ihm geraten wie dem Töpfer sein Meisterstück, da fällt's ihm
Plötzlich ein, es zu zerschlagen, und siehe da, buen vigW'lo -- in Scherben liegt's.

Aber Beppo hatte doch bald für Pflicht gehalten, nicht durch trübe Betrach¬
tungen seine eigne bürgerliche Brauchbarkeit herunterzubringen. Er dachte an
die Rückkehr nach Verona und überlegte, bei welchem Kavalier daselbst er am
ungehindertsten zu seinen Gewohnheiten früherer Tage würde zurückkehren können;
denn die in der letzten Zeit von ihm eingehaltene Genügsamkeit hatte, wie er
meinte, nicht nur seine Lebenslust und Fröhlichkeit bedeutend einschrumpfen lassen,
er fürchtete, die dürre Zeit habe auch seinen Witz aufs Trockene gesetzt.

So kam er denn zu dem Entschluß, zunächst die ihm geschenkten drei Grau¬
schimmel zu Gelde zu machen, für den Erlös in Gesellschaft einiger Veroneser
Kumpane sich ein paar Wochen lang in maßvoller Weise an den gramverscheu¬
chenden Eigenschaften einiger Fäßchen guten Valpolicellas zu erlaben, und sich
dann gemächlich nach einem recht vergnüglichen Herrn umzusehen.

Aber als er der bösen Stadt Mantuci bereits den Rücken gekehrt hatte,
fiel ihm aufs Herz, daß er ja doch nicht fortziehen könne, ohne in Eufemias
Augen für einen Schelm zu gelten, und daß die von ihr ihm neulich gewordenen
Zurechtweisungen im Grunde ihm doch besser geschmeckt hatten, als jemals früher
das Kichern und die Willfährigkeit irgendeines Weibsbildes, mit der er guter
Dinge gewesen war.


Um ano Perle.

ö niiiAvolo! Denn war es nicht ganz der Klang von Cesarinas Stimme
gewesen, was Gervasio zwischen dem Getöse der Mühlräder und der Mahlsteine
zu unterscheiden geglaubt hatte, und war ihm dabei nicht leichter zu Mute ge¬
worden als seit langem? Aber auch daß bellte das Fest der heiligen Lucia
war, stimmte ja mit der ihm einst gewordenen Zusage überein. Und nun gar
der Ring mit dem hoffnungsgrüneu Stein, der ein baldiges Wiedersehen in
den himmlischen Gefilden verbürgen zu wollen schien! Es ist Cesarina gewesen!
rief er beseligt einmal über das andre, und die Matrone stimmte wieder und
wieder bei: ^ miraoolo, ö un mirs-eolo!




Sechsundzwcmzigstes Aapitel.

Beppo hätte nicht durch frühe Übung in allen Sätteln gerecht sein müssen,
wenn er von dem Tode seines Herrn sich lange hätte zu Boden beugen lassen.
Zuerst freilich war er schier aus den Fugen gewesen. Ein im Grunde doch so
guter und dabei so freigebiger Herr! redete er mit sich selbst, und überdies
»och ein so schmucker Herr! Und im Handumdrehen ist alles vorüber! Man
möchte, mit Respekt zu sagen, zuweilen über die Wirtschaft da oben den Kopf
schütteln! Da laufen und kriechen Blinde, Lahme lind Mißgestaltete auf allen
Gassen herum und erreichen Methusalems Alter. Kein Dachziegel erbarmt sich
ihrer! Aber hat der Herrgott einmal alle seine Schöpferkunst auf ein Menschen¬
kind verwendet, ist's ihm geraten wie dem Töpfer sein Meisterstück, da fällt's ihm
Plötzlich ein, es zu zerschlagen, und siehe da, buen vigW'lo — in Scherben liegt's.

Aber Beppo hatte doch bald für Pflicht gehalten, nicht durch trübe Betrach¬
tungen seine eigne bürgerliche Brauchbarkeit herunterzubringen. Er dachte an
die Rückkehr nach Verona und überlegte, bei welchem Kavalier daselbst er am
ungehindertsten zu seinen Gewohnheiten früherer Tage würde zurückkehren können;
denn die in der letzten Zeit von ihm eingehaltene Genügsamkeit hatte, wie er
meinte, nicht nur seine Lebenslust und Fröhlichkeit bedeutend einschrumpfen lassen,
er fürchtete, die dürre Zeit habe auch seinen Witz aufs Trockene gesetzt.

So kam er denn zu dem Entschluß, zunächst die ihm geschenkten drei Grau¬
schimmel zu Gelde zu machen, für den Erlös in Gesellschaft einiger Veroneser
Kumpane sich ein paar Wochen lang in maßvoller Weise an den gramverscheu¬
chenden Eigenschaften einiger Fäßchen guten Valpolicellas zu erlaben, und sich
dann gemächlich nach einem recht vergnüglichen Herrn umzusehen.

Aber als er der bösen Stadt Mantuci bereits den Rücken gekehrt hatte,
fiel ihm aufs Herz, daß er ja doch nicht fortziehen könne, ohne in Eufemias
Augen für einen Schelm zu gelten, und daß die von ihr ihm neulich gewordenen
Zurechtweisungen im Grunde ihm doch besser geschmeckt hatten, als jemals früher
das Kichern und die Willfährigkeit irgendeines Weibsbildes, mit der er guter
Dinge gewesen war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/538>, abgerufen am 04.05.2024.