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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Anarchisten in Bern.

on den vor einigen Wochen unter dem Verdachte eines gegen
den Bundespalast in Bern geplanten Dhncimitattentats verhafteten
Anarchisten ist auch der letzte vor wenigen Tagen unbehelligt aus
der Haft entlassen worden, und die Anarchisten leben seitdem in
der Schweiz in demselben ungestörten Frieden wie bisher. Un¬
mittelbar nach diesem gefälligen Abschlüsse der eingeleiteten Untersuchung wurde
ein in französischer Sprache abgefaßtes neues anarchistisches Plakat in den
Straßen und auf den öffentlichen Plätzen Beruf angeschlagen und ausgestreut,
in welchem die Arbeiter zu Mord, Brand und Plünderung aufgefordert werden.
"Was habt ihr, heißt es darin, wenn ihr euer ganzes Leben in dem Bürger-
bagno zugebracht habt? Einen zu gründe gerichteten Körper. Drauf auf die
Tyrannei! Gegen die Tyrannen sind alle Mittel gut. Verbrennt ihre Schlösser,
bemächtigt euch ihrer Reichtümer! Plündert sie! Es lebe die soziale Revo¬
lution!" Der Verbreiter dieses anarchistischen Plakates wurde am Abend des¬
selben Tages in Freiburg verhaftet.

Ob in der That die Beweise gegen die seiner Zeit verhafteten Personen
so ungenügend gewesen sind, daß die alsbaldige Freilassung dieser Personen ge¬
boten war, entzieht sich ohne genauere Kenntnis der Sachlage selbstverständlich
einem endgiltigen Urteile; daß aber auch bei einem Teile der schweizerischen Be¬
völkerung selbst begründete Zweifel darüber bestehen, ob die Führung der Unter¬
suchung in die geeigneten Hände gelegt worden sei, ergiebt sich aus einem Ar¬
tikel der in Basel erscheinenden konservativen "Allgemeinen Schweizer Zeitung,"
welcher sagt: "Als die eidgenössische Untersuchung gegen die Anarchisten begann,
verkündete die radikale Presse urdi se vM, Herr Fürsprech Müller werde als
Generalanwalt entschlossen eingreifen und energisch aufräumen unter dieser Brut.


Grenzboten II. 1885, 8


Die Anarchisten in Bern.

on den vor einigen Wochen unter dem Verdachte eines gegen
den Bundespalast in Bern geplanten Dhncimitattentats verhafteten
Anarchisten ist auch der letzte vor wenigen Tagen unbehelligt aus
der Haft entlassen worden, und die Anarchisten leben seitdem in
der Schweiz in demselben ungestörten Frieden wie bisher. Un¬
mittelbar nach diesem gefälligen Abschlüsse der eingeleiteten Untersuchung wurde
ein in französischer Sprache abgefaßtes neues anarchistisches Plakat in den
Straßen und auf den öffentlichen Plätzen Beruf angeschlagen und ausgestreut,
in welchem die Arbeiter zu Mord, Brand und Plünderung aufgefordert werden.
„Was habt ihr, heißt es darin, wenn ihr euer ganzes Leben in dem Bürger-
bagno zugebracht habt? Einen zu gründe gerichteten Körper. Drauf auf die
Tyrannei! Gegen die Tyrannen sind alle Mittel gut. Verbrennt ihre Schlösser,
bemächtigt euch ihrer Reichtümer! Plündert sie! Es lebe die soziale Revo¬
lution!" Der Verbreiter dieses anarchistischen Plakates wurde am Abend des¬
selben Tages in Freiburg verhaftet.

Ob in der That die Beweise gegen die seiner Zeit verhafteten Personen
so ungenügend gewesen sind, daß die alsbaldige Freilassung dieser Personen ge¬
boten war, entzieht sich ohne genauere Kenntnis der Sachlage selbstverständlich
einem endgiltigen Urteile; daß aber auch bei einem Teile der schweizerischen Be¬
völkerung selbst begründete Zweifel darüber bestehen, ob die Führung der Unter¬
suchung in die geeigneten Hände gelegt worden sei, ergiebt sich aus einem Ar¬
tikel der in Basel erscheinenden konservativen „Allgemeinen Schweizer Zeitung,"
welcher sagt: „Als die eidgenössische Untersuchung gegen die Anarchisten begann,
verkündete die radikale Presse urdi se vM, Herr Fürsprech Müller werde als
Generalanwalt entschlossen eingreifen und energisch aufräumen unter dieser Brut.


Grenzboten II. 1885, 8
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[0062] [Abbildung] Die Anarchisten in Bern. on den vor einigen Wochen unter dem Verdachte eines gegen den Bundespalast in Bern geplanten Dhncimitattentats verhafteten Anarchisten ist auch der letzte vor wenigen Tagen unbehelligt aus der Haft entlassen worden, und die Anarchisten leben seitdem in der Schweiz in demselben ungestörten Frieden wie bisher. Un¬ mittelbar nach diesem gefälligen Abschlüsse der eingeleiteten Untersuchung wurde ein in französischer Sprache abgefaßtes neues anarchistisches Plakat in den Straßen und auf den öffentlichen Plätzen Beruf angeschlagen und ausgestreut, in welchem die Arbeiter zu Mord, Brand und Plünderung aufgefordert werden. „Was habt ihr, heißt es darin, wenn ihr euer ganzes Leben in dem Bürger- bagno zugebracht habt? Einen zu gründe gerichteten Körper. Drauf auf die Tyrannei! Gegen die Tyrannen sind alle Mittel gut. Verbrennt ihre Schlösser, bemächtigt euch ihrer Reichtümer! Plündert sie! Es lebe die soziale Revo¬ lution!" Der Verbreiter dieses anarchistischen Plakates wurde am Abend des¬ selben Tages in Freiburg verhaftet. Ob in der That die Beweise gegen die seiner Zeit verhafteten Personen so ungenügend gewesen sind, daß die alsbaldige Freilassung dieser Personen ge¬ boten war, entzieht sich ohne genauere Kenntnis der Sachlage selbstverständlich einem endgiltigen Urteile; daß aber auch bei einem Teile der schweizerischen Be¬ völkerung selbst begründete Zweifel darüber bestehen, ob die Führung der Unter¬ suchung in die geeigneten Hände gelegt worden sei, ergiebt sich aus einem Ar¬ tikel der in Basel erscheinenden konservativen „Allgemeinen Schweizer Zeitung," welcher sagt: „Als die eidgenössische Untersuchung gegen die Anarchisten begann, verkündete die radikale Presse urdi se vM, Herr Fürsprech Müller werde als Generalanwalt entschlossen eingreifen und energisch aufräumen unter dieser Brut. Grenzboten II. 1885, 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/62>, abgerufen am 03.05.2024.