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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine Perle.

Kissen, durae sie hinter meinem Rücken auf. Wenn meine Befreier sich bis zu
mir den Weg bahnen, will ich sie nicht durch deu Anblick eines kraftlos Da¬
liegenden entmutigen.

Giaeinta gehorchte besorgten Blickes, aber er zuckte bei dem mühsam zustande
gebrachten Aufrichten schmerzhaft zusammen, und eine geraume Zeit verstrich,
ohne daß auf ihre Fragen, wie ihm sei, eine Antwort erfolgte.

Angstvoll kniete sie neben seinem Bette, den Blick auf den vor Schmerz
Verstummten gerichtet, in ihren Händen den Rosenkranz.

Draußen zitterte von Zeit zu Zeit der dumpfe, ferne Glockenton. Der
Tumult auf den Treppen und Gängen des Schlosses starb bald ab, bald wuchs
er zu sturiuartigem Brause-,.

Giaeiuta lauschte mit klopfenden Pulsen. Obinrö! seufzte sie, und kann ich
ihn denn jetzt verlassen? Es geht mit ihm zu Ende! NiLeriooräm, v vio!
ni80rise>ran!




Äebenrmddreißigstes Aapitel.

Was war inzwischen vorgegangen?

Als Herzog Francesco den Nachfolger Vitalianos durch das Fläschchen
mit dem Weißen Pulver auf die Probe blinden Gehorsams gestellt hatte, war
er befriedigt zu einer Arbeit zurückgekehrt, die mit dem gestern eingetretenen
Wechsel seines Regieruugssystems zusammenhing. Es handelte sich nur ein
langes, sür seinen Bruder Fernando bestimmtes Memorandum, in welchem er,
eingedenk des Uubestcmdes aller irdischen Dinge, für den Fall seines Todes Ver¬
fügungen traf, vor allem solche, welche dem kleinen Lodovico und dessen Schwester
zu statten kommen sollten, nicht minder der Mutter dieser zwei Kinder Fran¬
ceseos, der Herzogin Margareta, Wie schon erwähnt worden ist, hatte Fer¬
nando -- Francescos nächstältester Bruder --, der im Alter von fünf Jahren be¬
reits mit der Würde eiues Johanniterorden-Priors von Barletta bekleidet worden
war und seit seinem zwanzigsten Jahre den Kardinalshut trug, vor Jahresfrist,
beim Tode des Herzogs Vincenzo, dem geistlichen Stande entsagt, ein im Hin¬
blick auf Fraueeseos schwache Gesundheit durch die Staatsraison gebotener Schritt;
Fernando weilte aber immer noch in Rom, wo ihn der Wunsch festhielt, die
Gunst jener Camilla Fa de Bruno zu gewinnen, von deren spätern, durch das
Gericht wieder gelösten Ehe mit Fernando bereits die Rede gewesen ist.

An diesen Bruder also war das Memorandum Francesevs gerichtet. Warum
ihn die Abfassung desselben mit Befriedigung erfüllte, obschon der Arbeit eine
Art Vorgefühl nahen Abgerufenwerdenö von dieser Erdenbühne zugrunde lag?
Weil der gestrige Tag eine tiefgehende innere Wandlung in ihm zuwege ge¬
bracht hatte. Äußerlich war er der nämliche mißtrauisch blickende, polternde
und auch wieder geschmeidig einlenkende Mann geblieben, der Mann der unstät


Um eine Perle.

Kissen, durae sie hinter meinem Rücken auf. Wenn meine Befreier sich bis zu
mir den Weg bahnen, will ich sie nicht durch deu Anblick eines kraftlos Da¬
liegenden entmutigen.

Giaeinta gehorchte besorgten Blickes, aber er zuckte bei dem mühsam zustande
gebrachten Aufrichten schmerzhaft zusammen, und eine geraume Zeit verstrich,
ohne daß auf ihre Fragen, wie ihm sei, eine Antwort erfolgte.

Angstvoll kniete sie neben seinem Bette, den Blick auf den vor Schmerz
Verstummten gerichtet, in ihren Händen den Rosenkranz.

Draußen zitterte von Zeit zu Zeit der dumpfe, ferne Glockenton. Der
Tumult auf den Treppen und Gängen des Schlosses starb bald ab, bald wuchs
er zu sturiuartigem Brause-,.

Giaeiuta lauschte mit klopfenden Pulsen. Obinrö! seufzte sie, und kann ich
ihn denn jetzt verlassen? Es geht mit ihm zu Ende! NiLeriooräm, v vio!
ni80rise>ran!




Äebenrmddreißigstes Aapitel.

Was war inzwischen vorgegangen?

Als Herzog Francesco den Nachfolger Vitalianos durch das Fläschchen
mit dem Weißen Pulver auf die Probe blinden Gehorsams gestellt hatte, war
er befriedigt zu einer Arbeit zurückgekehrt, die mit dem gestern eingetretenen
Wechsel seines Regieruugssystems zusammenhing. Es handelte sich nur ein
langes, sür seinen Bruder Fernando bestimmtes Memorandum, in welchem er,
eingedenk des Uubestcmdes aller irdischen Dinge, für den Fall seines Todes Ver¬
fügungen traf, vor allem solche, welche dem kleinen Lodovico und dessen Schwester
zu statten kommen sollten, nicht minder der Mutter dieser zwei Kinder Fran¬
ceseos, der Herzogin Margareta, Wie schon erwähnt worden ist, hatte Fer¬
nando — Francescos nächstältester Bruder —, der im Alter von fünf Jahren be¬
reits mit der Würde eiues Johanniterorden-Priors von Barletta bekleidet worden
war und seit seinem zwanzigsten Jahre den Kardinalshut trug, vor Jahresfrist,
beim Tode des Herzogs Vincenzo, dem geistlichen Stande entsagt, ein im Hin¬
blick auf Fraueeseos schwache Gesundheit durch die Staatsraison gebotener Schritt;
Fernando weilte aber immer noch in Rom, wo ihn der Wunsch festhielt, die
Gunst jener Camilla Fa de Bruno zu gewinnen, von deren spätern, durch das
Gericht wieder gelösten Ehe mit Fernando bereits die Rede gewesen ist.

An diesen Bruder also war das Memorandum Francesevs gerichtet. Warum
ihn die Abfassung desselben mit Befriedigung erfüllte, obschon der Arbeit eine
Art Vorgefühl nahen Abgerufenwerdenö von dieser Erdenbühne zugrunde lag?
Weil der gestrige Tag eine tiefgehende innere Wandlung in ihm zuwege ge¬
bracht hatte. Äußerlich war er der nämliche mißtrauisch blickende, polternde
und auch wieder geschmeidig einlenkende Mann geblieben, der Mann der unstät


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[0147] Um eine Perle. Kissen, durae sie hinter meinem Rücken auf. Wenn meine Befreier sich bis zu mir den Weg bahnen, will ich sie nicht durch deu Anblick eines kraftlos Da¬ liegenden entmutigen. Giaeinta gehorchte besorgten Blickes, aber er zuckte bei dem mühsam zustande gebrachten Aufrichten schmerzhaft zusammen, und eine geraume Zeit verstrich, ohne daß auf ihre Fragen, wie ihm sei, eine Antwort erfolgte. Angstvoll kniete sie neben seinem Bette, den Blick auf den vor Schmerz Verstummten gerichtet, in ihren Händen den Rosenkranz. Draußen zitterte von Zeit zu Zeit der dumpfe, ferne Glockenton. Der Tumult auf den Treppen und Gängen des Schlosses starb bald ab, bald wuchs er zu sturiuartigem Brause-,. Giaeiuta lauschte mit klopfenden Pulsen. Obinrö! seufzte sie, und kann ich ihn denn jetzt verlassen? Es geht mit ihm zu Ende! NiLeriooräm, v vio! ni80rise>ran! Äebenrmddreißigstes Aapitel. Was war inzwischen vorgegangen? Als Herzog Francesco den Nachfolger Vitalianos durch das Fläschchen mit dem Weißen Pulver auf die Probe blinden Gehorsams gestellt hatte, war er befriedigt zu einer Arbeit zurückgekehrt, die mit dem gestern eingetretenen Wechsel seines Regieruugssystems zusammenhing. Es handelte sich nur ein langes, sür seinen Bruder Fernando bestimmtes Memorandum, in welchem er, eingedenk des Uubestcmdes aller irdischen Dinge, für den Fall seines Todes Ver¬ fügungen traf, vor allem solche, welche dem kleinen Lodovico und dessen Schwester zu statten kommen sollten, nicht minder der Mutter dieser zwei Kinder Fran¬ ceseos, der Herzogin Margareta, Wie schon erwähnt worden ist, hatte Fer¬ nando — Francescos nächstältester Bruder —, der im Alter von fünf Jahren be¬ reits mit der Würde eiues Johanniterorden-Priors von Barletta bekleidet worden war und seit seinem zwanzigsten Jahre den Kardinalshut trug, vor Jahresfrist, beim Tode des Herzogs Vincenzo, dem geistlichen Stande entsagt, ein im Hin¬ blick auf Fraueeseos schwache Gesundheit durch die Staatsraison gebotener Schritt; Fernando weilte aber immer noch in Rom, wo ihn der Wunsch festhielt, die Gunst jener Camilla Fa de Bruno zu gewinnen, von deren spätern, durch das Gericht wieder gelösten Ehe mit Fernando bereits die Rede gewesen ist. An diesen Bruder also war das Memorandum Francesevs gerichtet. Warum ihn die Abfassung desselben mit Befriedigung erfüllte, obschon der Arbeit eine Art Vorgefühl nahen Abgerufenwerdenö von dieser Erdenbühne zugrunde lag? Weil der gestrige Tag eine tiefgehende innere Wandlung in ihm zuwege ge¬ bracht hatte. Äußerlich war er der nämliche mißtrauisch blickende, polternde und auch wieder geschmeidig einlenkende Mann geblieben, der Mann der unstät

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/147>, abgerufen am 30.04.2024.