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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Das Wachstum Berlins und der Manrerstreik.

solcher Beziehungen zu verbürgen geeignet waren, die Nachbarn dem russischen
Einflüsse zugänglich machten und den Handelsverkehr zu fördern versprachen.
Es kamen mit andern Worten nach 1870 verschiedne Konventionen zum Ab¬
schlüsse, durch welche freier Verkehr der russische" und bucharischen Kaufleute,
das Halten diplomatischer Agenten in Buchara und Kvkand, und andrerseits
bncharischer und kokandischcr in Taschkend, der nunmehrigen Hauptstadt Turke-
stans, gewährleistet, der Zoll auf dritthalb Prozent des wirklichen Wertes der
Waaren festgesetzt und den russischen Geschäftsleuten die Erlaubnis zum Durch¬
zug durch Buchara und Kokand erteilt wurde. Der Erfolg dieser Übereinkünfte
war nicht unbedeutend, 1879 gingen, wie Jawvrski berichtet, rassische Waaren
schon in ziemlicher Menge nach Buchara und bis ans die Märkte Afghanistans.




Das Wachstum Berlins und der Maurerstreik.

u der Schule haben wir (Ende der vierziger und Anfang der
fünfziger Jahre) gelernt, Berlin habe 240 000 Einwohner; gegen¬
wärtig zählt es gegen 1 300 000, und sicherlich wird das Jahrzehnt
nicht zu Ende gehen, ohne die Einwohnerzahl von 1'/-z Millionen
überschritten zu sehen. Soweit ist Berlin schon jetzt hinsichtlich
des Verhältnisses seiner Einwohnerzahl zu der des dentschen Reiches auf dem
Punkte angekommen, ans dein Paris zur Zeit der großen Revolution stand.
Ob es in gleichem Verhältnisse fortschreiten, ob es allmählich einen ähnlichen
geistigen und wirtschaftlichen Einfluß auf Deutschland in sich ausbilden wird,
wie Paris ihn damals schon auf Frankreich übte und seitdem zu immer größerer
Entwicklung gebracht hat -- das mögen offne Fragen sein. Aber zweierlei
wird man sich klar machen müssen: daß, wesentliche Fortdauer der heutigen
politische!, und wirtschaftlichen Zustände vorausgesetzt,' in absehbarer Zeit kein
Grund vorliegt, weshalb das Wachstum Berlins aufhören oder in ein lang¬
sameres Tempo verfallen sollte; und daß alle gemütliche Abgeneigtheit gegen
Berlin, die Berliner und das Berliner Wesen nichts an der innern Notwendigkeit
einer Entwicklung ändert, welche Berlin in nächster Zeit noch weit mehr als
bisher zur geistigen, wissenschaftlichen, künstlerischem politischen, industriellen und
kommerziellen Hauptstadt Deutschlands machen und die Stadt an der Spree in
immer steigendem Maße in den Punkt verwandeln wird, über den alles, was
niiser Volk bewegt, seinen Weg nehmen muß.


Das Wachstum Berlins und der Manrerstreik.

solcher Beziehungen zu verbürgen geeignet waren, die Nachbarn dem russischen
Einflüsse zugänglich machten und den Handelsverkehr zu fördern versprachen.
Es kamen mit andern Worten nach 1870 verschiedne Konventionen zum Ab¬
schlüsse, durch welche freier Verkehr der russische» und bucharischen Kaufleute,
das Halten diplomatischer Agenten in Buchara und Kvkand, und andrerseits
bncharischer und kokandischcr in Taschkend, der nunmehrigen Hauptstadt Turke-
stans, gewährleistet, der Zoll auf dritthalb Prozent des wirklichen Wertes der
Waaren festgesetzt und den russischen Geschäftsleuten die Erlaubnis zum Durch¬
zug durch Buchara und Kokand erteilt wurde. Der Erfolg dieser Übereinkünfte
war nicht unbedeutend, 1879 gingen, wie Jawvrski berichtet, rassische Waaren
schon in ziemlicher Menge nach Buchara und bis ans die Märkte Afghanistans.




Das Wachstum Berlins und der Maurerstreik.

u der Schule haben wir (Ende der vierziger und Anfang der
fünfziger Jahre) gelernt, Berlin habe 240 000 Einwohner; gegen¬
wärtig zählt es gegen 1 300 000, und sicherlich wird das Jahrzehnt
nicht zu Ende gehen, ohne die Einwohnerzahl von 1'/-z Millionen
überschritten zu sehen. Soweit ist Berlin schon jetzt hinsichtlich
des Verhältnisses seiner Einwohnerzahl zu der des dentschen Reiches auf dem
Punkte angekommen, ans dein Paris zur Zeit der großen Revolution stand.
Ob es in gleichem Verhältnisse fortschreiten, ob es allmählich einen ähnlichen
geistigen und wirtschaftlichen Einfluß auf Deutschland in sich ausbilden wird,
wie Paris ihn damals schon auf Frankreich übte und seitdem zu immer größerer
Entwicklung gebracht hat — das mögen offne Fragen sein. Aber zweierlei
wird man sich klar machen müssen: daß, wesentliche Fortdauer der heutigen
politische!, und wirtschaftlichen Zustände vorausgesetzt,' in absehbarer Zeit kein
Grund vorliegt, weshalb das Wachstum Berlins aufhören oder in ein lang¬
sameres Tempo verfallen sollte; und daß alle gemütliche Abgeneigtheit gegen
Berlin, die Berliner und das Berliner Wesen nichts an der innern Notwendigkeit
einer Entwicklung ändert, welche Berlin in nächster Zeit noch weit mehr als
bisher zur geistigen, wissenschaftlichen, künstlerischem politischen, industriellen und
kommerziellen Hauptstadt Deutschlands machen und die Stadt an der Spree in
immer steigendem Maße in den Punkt verwandeln wird, über den alles, was
niiser Volk bewegt, seinen Weg nehmen muß.


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[0210] Das Wachstum Berlins und der Manrerstreik. solcher Beziehungen zu verbürgen geeignet waren, die Nachbarn dem russischen Einflüsse zugänglich machten und den Handelsverkehr zu fördern versprachen. Es kamen mit andern Worten nach 1870 verschiedne Konventionen zum Ab¬ schlüsse, durch welche freier Verkehr der russische» und bucharischen Kaufleute, das Halten diplomatischer Agenten in Buchara und Kvkand, und andrerseits bncharischer und kokandischcr in Taschkend, der nunmehrigen Hauptstadt Turke- stans, gewährleistet, der Zoll auf dritthalb Prozent des wirklichen Wertes der Waaren festgesetzt und den russischen Geschäftsleuten die Erlaubnis zum Durch¬ zug durch Buchara und Kokand erteilt wurde. Der Erfolg dieser Übereinkünfte war nicht unbedeutend, 1879 gingen, wie Jawvrski berichtet, rassische Waaren schon in ziemlicher Menge nach Buchara und bis ans die Märkte Afghanistans. Das Wachstum Berlins und der Maurerstreik. u der Schule haben wir (Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre) gelernt, Berlin habe 240 000 Einwohner; gegen¬ wärtig zählt es gegen 1 300 000, und sicherlich wird das Jahrzehnt nicht zu Ende gehen, ohne die Einwohnerzahl von 1'/-z Millionen überschritten zu sehen. Soweit ist Berlin schon jetzt hinsichtlich des Verhältnisses seiner Einwohnerzahl zu der des dentschen Reiches auf dem Punkte angekommen, ans dein Paris zur Zeit der großen Revolution stand. Ob es in gleichem Verhältnisse fortschreiten, ob es allmählich einen ähnlichen geistigen und wirtschaftlichen Einfluß auf Deutschland in sich ausbilden wird, wie Paris ihn damals schon auf Frankreich übte und seitdem zu immer größerer Entwicklung gebracht hat — das mögen offne Fragen sein. Aber zweierlei wird man sich klar machen müssen: daß, wesentliche Fortdauer der heutigen politische!, und wirtschaftlichen Zustände vorausgesetzt,' in absehbarer Zeit kein Grund vorliegt, weshalb das Wachstum Berlins aufhören oder in ein lang¬ sameres Tempo verfallen sollte; und daß alle gemütliche Abgeneigtheit gegen Berlin, die Berliner und das Berliner Wesen nichts an der innern Notwendigkeit einer Entwicklung ändert, welche Berlin in nächster Zeit noch weit mehr als bisher zur geistigen, wissenschaftlichen, künstlerischem politischen, industriellen und kommerziellen Hauptstadt Deutschlands machen und die Stadt an der Spree in immer steigendem Maße in den Punkt verwandeln wird, über den alles, was niiser Volk bewegt, seinen Weg nehmen muß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/210>, abgerufen am 30.04.2024.