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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Reisebriefo aus Italien vom Jahre ^83,2.

Damit hätten wir das Gemütsleben Leutholds nach seinen wesentlichen
Zügen umschrieben. Noch enthält sein Buch ein Epos "Pcnthcsileia," Rhapso¬
dien aus einem unvollendeten Zyklus "Hannibal," Übertragungen aus dem
Griechischen, Arabischen, Altdeutschen, Englischen, Ungarischen und Italienischen,
auf die wir nur hiermit verweisen; das Bild des Dichters beeinflussen sie nicht
weiter. Den Liebhabern "guter Sachen," um mit Gottfried Keller zu reden,
seien diese formvollendeten Übersetzungen besonders empfohlen.


Moritz Reck er.


Reisebriefe aus Italien vom Jahre
Aus dem Nachlasse von !V. Roß manu. (Fortsetzung.)

^ier Weg führt wieder durch Marino, Albano, dann an mancher
Ruine aus alten und mittelalterlichen Zeiten vorbei. Gebirge rechts
und links. Davor überall vortrefflich knltivirtes Land. Monte
Cassino höchst imposant ans steiler Hohe. Capra. Die Terra ti
Lnvoro mit reichem Wein- und Gemüsebau. Aber leider hatte es
bald zu regnen begonnen, und unter grausten Himmel fuhren
wir in Neapel ein.

Und früh regnete es weiter. Ein gar zu betrübter Eindruck, nachdem ich
während meines ersten, monatelangen Aufenthaltes nicht einen Regentag gehabt.
Mit all meinen Beschreibungen stand ich kompromittirt da, und wie habe ich so
den Wert und die Bedeutung des Sonnenlichtes gefühlt. Es blieb uns zunächst
das Museum, und diese herrliche Sammlung entschädigt denn freilich für vieles.
In den Sälen der Bronzen ist seit meinem- ersten Aufenthalte manches hinzu¬
gekommen: köstliche Porträtbüsten und ein kleiner Faun, ein Seitenstück zu dein
berühmten tanzenden. Dann einige bemalte Marmorsigureu, über die ich noch Ge¬
naueres aufzeichnen werde.

Unter den neu hinzugekommenen Wandgemälden findet sich sehr Interessantes
und stofflich Bedeutendes: ein Bacchant am Fuße des Vesuvs, der ganz mit großen
Weinbeeren bekleidet ist und von fern wie eine Traube aussieht; schlafende Bacchantin
und Faun; Herkules, der den Centauren tötet; eine musikalische Konversation von
feinster Ausführung; der Raub der Enropa, wie es scheint von demselben Künstler;
Europa hat sich eben auf den Stier gesetzt, den eine ihrer Gespielinnen liebkost;
Pyramus und Thisbe: er ist bereits tot, sie ersticht sich; Iphigenie, von einigen


Reisebriefo aus Italien vom Jahre ^83,2.

Damit hätten wir das Gemütsleben Leutholds nach seinen wesentlichen
Zügen umschrieben. Noch enthält sein Buch ein Epos „Pcnthcsileia," Rhapso¬
dien aus einem unvollendeten Zyklus „Hannibal," Übertragungen aus dem
Griechischen, Arabischen, Altdeutschen, Englischen, Ungarischen und Italienischen,
auf die wir nur hiermit verweisen; das Bild des Dichters beeinflussen sie nicht
weiter. Den Liebhabern „guter Sachen," um mit Gottfried Keller zu reden,
seien diese formvollendeten Übersetzungen besonders empfohlen.


Moritz Reck er.


Reisebriefe aus Italien vom Jahre
Aus dem Nachlasse von !V. Roß manu. (Fortsetzung.)

^ier Weg führt wieder durch Marino, Albano, dann an mancher
Ruine aus alten und mittelalterlichen Zeiten vorbei. Gebirge rechts
und links. Davor überall vortrefflich knltivirtes Land. Monte
Cassino höchst imposant ans steiler Hohe. Capra. Die Terra ti
Lnvoro mit reichem Wein- und Gemüsebau. Aber leider hatte es
bald zu regnen begonnen, und unter grausten Himmel fuhren
wir in Neapel ein.

Und früh regnete es weiter. Ein gar zu betrübter Eindruck, nachdem ich
während meines ersten, monatelangen Aufenthaltes nicht einen Regentag gehabt.
Mit all meinen Beschreibungen stand ich kompromittirt da, und wie habe ich so
den Wert und die Bedeutung des Sonnenlichtes gefühlt. Es blieb uns zunächst
das Museum, und diese herrliche Sammlung entschädigt denn freilich für vieles.
In den Sälen der Bronzen ist seit meinem- ersten Aufenthalte manches hinzu¬
gekommen: köstliche Porträtbüsten und ein kleiner Faun, ein Seitenstück zu dein
berühmten tanzenden. Dann einige bemalte Marmorsigureu, über die ich noch Ge¬
naueres aufzeichnen werde.

Unter den neu hinzugekommenen Wandgemälden findet sich sehr Interessantes
und stofflich Bedeutendes: ein Bacchant am Fuße des Vesuvs, der ganz mit großen
Weinbeeren bekleidet ist und von fern wie eine Traube aussieht; schlafende Bacchantin
und Faun; Herkules, der den Centauren tötet; eine musikalische Konversation von
feinster Ausführung; der Raub der Enropa, wie es scheint von demselben Künstler;
Europa hat sich eben auf den Stier gesetzt, den eine ihrer Gespielinnen liebkost;
Pyramus und Thisbe: er ist bereits tot, sie ersticht sich; Iphigenie, von einigen


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[0231] Reisebriefo aus Italien vom Jahre ^83,2. Damit hätten wir das Gemütsleben Leutholds nach seinen wesentlichen Zügen umschrieben. Noch enthält sein Buch ein Epos „Pcnthcsileia," Rhapso¬ dien aus einem unvollendeten Zyklus „Hannibal," Übertragungen aus dem Griechischen, Arabischen, Altdeutschen, Englischen, Ungarischen und Italienischen, auf die wir nur hiermit verweisen; das Bild des Dichters beeinflussen sie nicht weiter. Den Liebhabern „guter Sachen," um mit Gottfried Keller zu reden, seien diese formvollendeten Übersetzungen besonders empfohlen. Moritz Reck er. Reisebriefe aus Italien vom Jahre Aus dem Nachlasse von !V. Roß manu. (Fortsetzung.) ^ier Weg führt wieder durch Marino, Albano, dann an mancher Ruine aus alten und mittelalterlichen Zeiten vorbei. Gebirge rechts und links. Davor überall vortrefflich knltivirtes Land. Monte Cassino höchst imposant ans steiler Hohe. Capra. Die Terra ti Lnvoro mit reichem Wein- und Gemüsebau. Aber leider hatte es bald zu regnen begonnen, und unter grausten Himmel fuhren wir in Neapel ein. Und früh regnete es weiter. Ein gar zu betrübter Eindruck, nachdem ich während meines ersten, monatelangen Aufenthaltes nicht einen Regentag gehabt. Mit all meinen Beschreibungen stand ich kompromittirt da, und wie habe ich so den Wert und die Bedeutung des Sonnenlichtes gefühlt. Es blieb uns zunächst das Museum, und diese herrliche Sammlung entschädigt denn freilich für vieles. In den Sälen der Bronzen ist seit meinem- ersten Aufenthalte manches hinzu¬ gekommen: köstliche Porträtbüsten und ein kleiner Faun, ein Seitenstück zu dein berühmten tanzenden. Dann einige bemalte Marmorsigureu, über die ich noch Ge¬ naueres aufzeichnen werde. Unter den neu hinzugekommenen Wandgemälden findet sich sehr Interessantes und stofflich Bedeutendes: ein Bacchant am Fuße des Vesuvs, der ganz mit großen Weinbeeren bekleidet ist und von fern wie eine Traube aussieht; schlafende Bacchantin und Faun; Herkules, der den Centauren tötet; eine musikalische Konversation von feinster Ausführung; der Raub der Enropa, wie es scheint von demselben Künstler; Europa hat sich eben auf den Stier gesetzt, den eine ihrer Gespielinnen liebkost; Pyramus und Thisbe: er ist bereits tot, sie ersticht sich; Iphigenie, von einigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/231>, abgerufen am 30.04.2024.