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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der deutsche Aivilprozeß in praktischer Bethätigung.

Ungarns zurückzuführen, sich den neuen Ministern, denen man in Berlin und
Wien sympathischer gegenübersteht als den frühern, gefällig zu erweisen. Die
Aussicht auf Gewinnung türkischen Beistandes erwuchs aus der Bereitwilligkeit
der Konservativen, sich mit der Pforte ans freundschaftlicheren Fuß zu stellen.
Aber der Tod des Propheten der Sudanesen ist lediglich ein Stück guten Zufalls
für das neue Kabinet und sollte als solches beurteilt werden. Er beweist nichts
für die Überlegenheit Salisburys über seinen Vorgänger, aber er kann jenem
auch bei den Wahlen nützen. Das englische Volk liebt wie andre Völker Staats¬
männer, die Glück haben, besonders wenn sie Verstand, Geschick und Energie
genug besitzen, die Gelegenheit zu benutzen, die der Zufall ihnen bietet, Vorteile
für ihr Land daraus zu prägen. Salisbury hat jetzt Gelegenheit, im Ein¬
vernehmen mit den beiden Verbündeten Großmächten Mitteleuropas und auf der
Basis der unbestreitbaren Rechte des Sultans das Interesse Englands am Nil
in maßvoller Weise wahrzunehmen und zu sichern. Jene Rechte, auf die Bis-
marck schon einmal hindeutete, sind für England so nützlich, daß, wenn sie nicht
schon vorhanden wären, es rätlich sein würde, sie zu erfinden.




Der deutsche Zivilprozeß in praktischer Bethätigung.

meer diesem Titel hat der frühere Rcichsgerichtsrat Dr. Baldr eine
Schrift veröffentlicht (Jena, Fischer, 1885; 96 S,), die von
keinem Sachkundigeren hätte verfaßt werden können, da der
Autor eine in Theorie und Praxis echt bewährte, hochbedeutende
Kraft ist und überdies als Reichstagsabgeordneter Gelegenheit
gehabt hat, an den großen Justizreformwcrken mit thätig zu sein.

Das Buch wendet sich zwar in erster Linie an die Fachgenossen, aber
or. Bähr versteht es, so lebendig zu schildern, so plastisch zu gestalten, so klar
zu schreiben, daß jeder Gebildete, der ein Interesse am öffentlichen Leben hat,
diese Schrift mit Genuß und stets wachsender Teilnahme lesen wird. Eben
wegen dieser allgemeineren Bedeutung halten wir es für unsre Pflicht, auf den
Gegenstand näher einzugehen.

Um es gleich vorweg zu sagen, mit einer kleinen Ausnahme unterschreiben
wir jedes Wort, und wenn es zulässig wäre, unter den Juristen eine Abstimmung
herbeizuführen, so siud wir der Überzeugung, daß jeder, welchem das Wohl
des Ganzen am Herzen liegt, sich zu der Kritik Bahrs bekennen wird.


Der deutsche Aivilprozeß in praktischer Bethätigung.

Ungarns zurückzuführen, sich den neuen Ministern, denen man in Berlin und
Wien sympathischer gegenübersteht als den frühern, gefällig zu erweisen. Die
Aussicht auf Gewinnung türkischen Beistandes erwuchs aus der Bereitwilligkeit
der Konservativen, sich mit der Pforte ans freundschaftlicheren Fuß zu stellen.
Aber der Tod des Propheten der Sudanesen ist lediglich ein Stück guten Zufalls
für das neue Kabinet und sollte als solches beurteilt werden. Er beweist nichts
für die Überlegenheit Salisburys über seinen Vorgänger, aber er kann jenem
auch bei den Wahlen nützen. Das englische Volk liebt wie andre Völker Staats¬
männer, die Glück haben, besonders wenn sie Verstand, Geschick und Energie
genug besitzen, die Gelegenheit zu benutzen, die der Zufall ihnen bietet, Vorteile
für ihr Land daraus zu prägen. Salisbury hat jetzt Gelegenheit, im Ein¬
vernehmen mit den beiden Verbündeten Großmächten Mitteleuropas und auf der
Basis der unbestreitbaren Rechte des Sultans das Interesse Englands am Nil
in maßvoller Weise wahrzunehmen und zu sichern. Jene Rechte, auf die Bis-
marck schon einmal hindeutete, sind für England so nützlich, daß, wenn sie nicht
schon vorhanden wären, es rätlich sein würde, sie zu erfinden.




Der deutsche Zivilprozeß in praktischer Bethätigung.

meer diesem Titel hat der frühere Rcichsgerichtsrat Dr. Baldr eine
Schrift veröffentlicht (Jena, Fischer, 1885; 96 S,), die von
keinem Sachkundigeren hätte verfaßt werden können, da der
Autor eine in Theorie und Praxis echt bewährte, hochbedeutende
Kraft ist und überdies als Reichstagsabgeordneter Gelegenheit
gehabt hat, an den großen Justizreformwcrken mit thätig zu sein.

Das Buch wendet sich zwar in erster Linie an die Fachgenossen, aber
or. Bähr versteht es, so lebendig zu schildern, so plastisch zu gestalten, so klar
zu schreiben, daß jeder Gebildete, der ein Interesse am öffentlichen Leben hat,
diese Schrift mit Genuß und stets wachsender Teilnahme lesen wird. Eben
wegen dieser allgemeineren Bedeutung halten wir es für unsre Pflicht, auf den
Gegenstand näher einzugehen.

Um es gleich vorweg zu sagen, mit einer kleinen Ausnahme unterschreiben
wir jedes Wort, und wenn es zulässig wäre, unter den Juristen eine Abstimmung
herbeizuführen, so siud wir der Überzeugung, daß jeder, welchem das Wohl
des Ganzen am Herzen liegt, sich zu der Kritik Bahrs bekennen wird.


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[0303] Der deutsche Aivilprozeß in praktischer Bethätigung. Ungarns zurückzuführen, sich den neuen Ministern, denen man in Berlin und Wien sympathischer gegenübersteht als den frühern, gefällig zu erweisen. Die Aussicht auf Gewinnung türkischen Beistandes erwuchs aus der Bereitwilligkeit der Konservativen, sich mit der Pforte ans freundschaftlicheren Fuß zu stellen. Aber der Tod des Propheten der Sudanesen ist lediglich ein Stück guten Zufalls für das neue Kabinet und sollte als solches beurteilt werden. Er beweist nichts für die Überlegenheit Salisburys über seinen Vorgänger, aber er kann jenem auch bei den Wahlen nützen. Das englische Volk liebt wie andre Völker Staats¬ männer, die Glück haben, besonders wenn sie Verstand, Geschick und Energie genug besitzen, die Gelegenheit zu benutzen, die der Zufall ihnen bietet, Vorteile für ihr Land daraus zu prägen. Salisbury hat jetzt Gelegenheit, im Ein¬ vernehmen mit den beiden Verbündeten Großmächten Mitteleuropas und auf der Basis der unbestreitbaren Rechte des Sultans das Interesse Englands am Nil in maßvoller Weise wahrzunehmen und zu sichern. Jene Rechte, auf die Bis- marck schon einmal hindeutete, sind für England so nützlich, daß, wenn sie nicht schon vorhanden wären, es rätlich sein würde, sie zu erfinden. Der deutsche Zivilprozeß in praktischer Bethätigung. meer diesem Titel hat der frühere Rcichsgerichtsrat Dr. Baldr eine Schrift veröffentlicht (Jena, Fischer, 1885; 96 S,), die von keinem Sachkundigeren hätte verfaßt werden können, da der Autor eine in Theorie und Praxis echt bewährte, hochbedeutende Kraft ist und überdies als Reichstagsabgeordneter Gelegenheit gehabt hat, an den großen Justizreformwcrken mit thätig zu sein. Das Buch wendet sich zwar in erster Linie an die Fachgenossen, aber or. Bähr versteht es, so lebendig zu schildern, so plastisch zu gestalten, so klar zu schreiben, daß jeder Gebildete, der ein Interesse am öffentlichen Leben hat, diese Schrift mit Genuß und stets wachsender Teilnahme lesen wird. Eben wegen dieser allgemeineren Bedeutung halten wir es für unsre Pflicht, auf den Gegenstand näher einzugehen. Um es gleich vorweg zu sagen, mit einer kleinen Ausnahme unterschreiben wir jedes Wort, und wenn es zulässig wäre, unter den Juristen eine Abstimmung herbeizuführen, so siud wir der Überzeugung, daß jeder, welchem das Wohl des Ganzen am Herzen liegt, sich zu der Kritik Bahrs bekennen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/303>, abgerufen am 30.04.2024.