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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine j)erke.

Oder er ist der Seuche schon erlegen, vollendete Florida mit einem Frost¬
schauder.

Alle drei lauschten.

Kein Laut vernehmbar.

Jetzt endlich höre ich ihn, sagte Florida.

Es ist das Gurren der Schloßtauben, berichtigte sie der Pater.

So tretet beide zurück, sagte Florida und machte sich von dem in ihrem
Arm ruhenden Arme des Paters los, wenn Antonio Maria noch der Rede fähig
ist, so werde ich sein Geheimnis auch ohne Eure Hilfe aus ihm herauszubringen
wissen; tretet ganz zurück; gehe ich hier in die Höhle des schwarzen Todes, so
wird mir eine gnadenreiche Fürsprecherin droben nicht fehlen.

Sie öffnete die Thür, trotzdem Eufemia ihre Herrin mit Gewalt zurückhielt.

Aber keine von beiden überschritt die Schwelle. Starr blickten sie hinein.
Dann warf Eufemia sich auf die Kniee und jammerte: Durch meine Schuld!
Nissrg, ins! Intölies unz! ^.n! ^ni! ^.Iiinrö!

Sie klagte sich an, ihn durch ihre Unfreundlichkeit, durch ihre Härte, durch
ihre Grausamkeit in den Tod getrieben zu haben. Heiraten, nein, heiraten
Hütte ich ihn nicht können, rief sie, er hatte so ein eignes Wesen, und wenn er
die Augen so zukniff -- nein, es ging nicht, trotzdem daß ich nie etwas Böses von
ihm gesehen oder gehört habe. Aber wozu brauchte ich ihn das letztemal so bündig
abzuweisen? Na,i! ist ein großes Wort! ^diinv! Alle Hoffnung ihm

so zu rauben! Wozu brauchte ich: nie und nimmer! zu sagen. Jetzt hat er sich
erhängt! An dem nämlichen Fenster, Signvrita, auf dessen Bret er damals
die blühende Myrte gestellt hatte, als ich nicht über die Schwelle gewollt habe --
auch eine Hartherzigkeit! Was konnte mir geschehen! ^.K! ^.ti! ^Inraö!

Der Pater war in das Zimmer getreten. Ein sehr langjähriger Kirchen-
dienst hatte ihn gegen den Anblick Entseelter abgehärtet, aber sein Amt machte
es ihm auch zur Pflicht, an einem aus dem Leben Geschiedenen nicht ohne eins
der herkömmlichen Gebete vorüberzugehen.

Er schloß die Thüre hinter sich, überzeugte sich zunächst, daß der letzte
Atem aus dem unglücklichen Selbstmörder entflohen war, verrichtete ein stilles
Gebet und wollte sich dann wieder hinausbegeben, als sein Blick auf el" be¬
schriebenes Stück Papier fiel, das am Boden lag.

Er bückte sich darnach, hob es auf, zog seine Brille hervor und las:

Wenn Giuseppe Gonzaga das Gift, wie ich annehmen muß, getrunken hat,
so wird er jetzt hinüber sein; ich habe gethan, was ich thun sollte; hüte sich
ein jeder, welcher dies liest, vor dem Dienste hoher Herren.




Dreiundvierzigstes Kapitel.

Pater Vigilio schüttelte traurig den Kopf. Man traute dem Herzog viel
übles zu. Viel übles geschah ja auch an andern Orten. Venedig, Florenz,


Um eine j)erke.

Oder er ist der Seuche schon erlegen, vollendete Florida mit einem Frost¬
schauder.

Alle drei lauschten.

Kein Laut vernehmbar.

Jetzt endlich höre ich ihn, sagte Florida.

Es ist das Gurren der Schloßtauben, berichtigte sie der Pater.

So tretet beide zurück, sagte Florida und machte sich von dem in ihrem
Arm ruhenden Arme des Paters los, wenn Antonio Maria noch der Rede fähig
ist, so werde ich sein Geheimnis auch ohne Eure Hilfe aus ihm herauszubringen
wissen; tretet ganz zurück; gehe ich hier in die Höhle des schwarzen Todes, so
wird mir eine gnadenreiche Fürsprecherin droben nicht fehlen.

Sie öffnete die Thür, trotzdem Eufemia ihre Herrin mit Gewalt zurückhielt.

Aber keine von beiden überschritt die Schwelle. Starr blickten sie hinein.
Dann warf Eufemia sich auf die Kniee und jammerte: Durch meine Schuld!
Nissrg, ins! Intölies unz! ^.n! ^ni! ^.Iiinrö!

Sie klagte sich an, ihn durch ihre Unfreundlichkeit, durch ihre Härte, durch
ihre Grausamkeit in den Tod getrieben zu haben. Heiraten, nein, heiraten
Hütte ich ihn nicht können, rief sie, er hatte so ein eignes Wesen, und wenn er
die Augen so zukniff — nein, es ging nicht, trotzdem daß ich nie etwas Böses von
ihm gesehen oder gehört habe. Aber wozu brauchte ich ihn das letztemal so bündig
abzuweisen? Na,i! ist ein großes Wort! ^diinv! Alle Hoffnung ihm

so zu rauben! Wozu brauchte ich: nie und nimmer! zu sagen. Jetzt hat er sich
erhängt! An dem nämlichen Fenster, Signvrita, auf dessen Bret er damals
die blühende Myrte gestellt hatte, als ich nicht über die Schwelle gewollt habe —
auch eine Hartherzigkeit! Was konnte mir geschehen! ^.K! ^.ti! ^Inraö!

Der Pater war in das Zimmer getreten. Ein sehr langjähriger Kirchen-
dienst hatte ihn gegen den Anblick Entseelter abgehärtet, aber sein Amt machte
es ihm auch zur Pflicht, an einem aus dem Leben Geschiedenen nicht ohne eins
der herkömmlichen Gebete vorüberzugehen.

Er schloß die Thüre hinter sich, überzeugte sich zunächst, daß der letzte
Atem aus dem unglücklichen Selbstmörder entflohen war, verrichtete ein stilles
Gebet und wollte sich dann wieder hinausbegeben, als sein Blick auf el» be¬
schriebenes Stück Papier fiel, das am Boden lag.

Er bückte sich darnach, hob es auf, zog seine Brille hervor und las:

Wenn Giuseppe Gonzaga das Gift, wie ich annehmen muß, getrunken hat,
so wird er jetzt hinüber sein; ich habe gethan, was ich thun sollte; hüte sich
ein jeder, welcher dies liest, vor dem Dienste hoher Herren.




Dreiundvierzigstes Kapitel.

Pater Vigilio schüttelte traurig den Kopf. Man traute dem Herzog viel
übles zu. Viel übles geschah ja auch an andern Orten. Venedig, Florenz,


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[0340] Um eine j)erke. Oder er ist der Seuche schon erlegen, vollendete Florida mit einem Frost¬ schauder. Alle drei lauschten. Kein Laut vernehmbar. Jetzt endlich höre ich ihn, sagte Florida. Es ist das Gurren der Schloßtauben, berichtigte sie der Pater. So tretet beide zurück, sagte Florida und machte sich von dem in ihrem Arm ruhenden Arme des Paters los, wenn Antonio Maria noch der Rede fähig ist, so werde ich sein Geheimnis auch ohne Eure Hilfe aus ihm herauszubringen wissen; tretet ganz zurück; gehe ich hier in die Höhle des schwarzen Todes, so wird mir eine gnadenreiche Fürsprecherin droben nicht fehlen. Sie öffnete die Thür, trotzdem Eufemia ihre Herrin mit Gewalt zurückhielt. Aber keine von beiden überschritt die Schwelle. Starr blickten sie hinein. Dann warf Eufemia sich auf die Kniee und jammerte: Durch meine Schuld! Nissrg, ins! Intölies unz! ^.n! ^ni! ^.Iiinrö! Sie klagte sich an, ihn durch ihre Unfreundlichkeit, durch ihre Härte, durch ihre Grausamkeit in den Tod getrieben zu haben. Heiraten, nein, heiraten Hütte ich ihn nicht können, rief sie, er hatte so ein eignes Wesen, und wenn er die Augen so zukniff — nein, es ging nicht, trotzdem daß ich nie etwas Böses von ihm gesehen oder gehört habe. Aber wozu brauchte ich ihn das letztemal so bündig abzuweisen? Na,i! ist ein großes Wort! ^diinv! Alle Hoffnung ihm so zu rauben! Wozu brauchte ich: nie und nimmer! zu sagen. Jetzt hat er sich erhängt! An dem nämlichen Fenster, Signvrita, auf dessen Bret er damals die blühende Myrte gestellt hatte, als ich nicht über die Schwelle gewollt habe — auch eine Hartherzigkeit! Was konnte mir geschehen! ^.K! ^.ti! ^Inraö! Der Pater war in das Zimmer getreten. Ein sehr langjähriger Kirchen- dienst hatte ihn gegen den Anblick Entseelter abgehärtet, aber sein Amt machte es ihm auch zur Pflicht, an einem aus dem Leben Geschiedenen nicht ohne eins der herkömmlichen Gebete vorüberzugehen. Er schloß die Thüre hinter sich, überzeugte sich zunächst, daß der letzte Atem aus dem unglücklichen Selbstmörder entflohen war, verrichtete ein stilles Gebet und wollte sich dann wieder hinausbegeben, als sein Blick auf el» be¬ schriebenes Stück Papier fiel, das am Boden lag. Er bückte sich darnach, hob es auf, zog seine Brille hervor und las: Wenn Giuseppe Gonzaga das Gift, wie ich annehmen muß, getrunken hat, so wird er jetzt hinüber sein; ich habe gethan, was ich thun sollte; hüte sich ein jeder, welcher dies liest, vor dem Dienste hoher Herren. Dreiundvierzigstes Kapitel. Pater Vigilio schüttelte traurig den Kopf. Man traute dem Herzog viel übles zu. Viel übles geschah ja auch an andern Orten. Venedig, Florenz,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/340>, abgerufen am 30.04.2024.