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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine perle.
Roman von Robert Zvaldmüller (Ed. Duboc), (Fortsetzung,)

ein Sohn, begann dann der Pater in bewegtem Tone, du wirst
nicht von hinnen scheiden wollen, ohne zu bereuen, was du als
fleischlich Geborener an Fehlern nicht auszutilgen, an guten Vor¬
sätzen nicht zur That werden zu lassen vermocht hast. Ist dir
von Menschen Leid bereitet worden, so lösche es in dieser feier¬
lichen Stunde aus deinem Gedächtnis. Hast du ihnen weh gethan, so laß heute
deinen Blick einzig auf die ihnen bereiteten Schmerzen gerichtet sein, nicht auf
die Unbill, dnrch welche sie dich zuvor gekränkt oder gereizt hatten. Schließe
Frieden mit allem, was dich bekriegte, was du bekriegt hast, und öffne ein
williges Ohr den Trostworten, mit welchen ich als geweihter Priester dir die
Vergebung deiner Sünden und ein seliges Eingehen in das bessere Jenseits zu
verheißen berufen bin.

Er hatte, indem er sich so zum Ablesen der vorgeschriebnen Formeln an¬
schickte, von Satz zu Satz dem sprachlos Daliegenden zu einem Blicke oder
einem Kopfnicken beistimmenden Verständnisses Zeit gelassen, und so oft Florida
mit tropfender Wimper nach einem solchen Zeichen Giuseppes aufschaute, hatte
der Sterbende ihr mit einem schmerzlichen Lächeln um die blässer und immer
blässer werdenden Lippen gewillfahrt.

Als aber Pater Vigilio zu Ende war und sich zurückziehen wollte, bemäch¬
tigte sich Giuseppes eine Unruhe, welche zu verraten schien, daß er, von ganz
andern Gedanken erfüllt, deu troftspendenden Zuspruch des Greises kaum wirk¬
lich in sich aufgenommen hatte.

Bleibt, ehrwürdiger Vater, bat Florida, und zu Giuseppe gewandt, sagte
sie: Pater Vigilio harrt bei uns aus. Er liebt dich ja auch, armer Freund.




Um eine perle.
Roman von Robert Zvaldmüller (Ed. Duboc), (Fortsetzung,)

ein Sohn, begann dann der Pater in bewegtem Tone, du wirst
nicht von hinnen scheiden wollen, ohne zu bereuen, was du als
fleischlich Geborener an Fehlern nicht auszutilgen, an guten Vor¬
sätzen nicht zur That werden zu lassen vermocht hast. Ist dir
von Menschen Leid bereitet worden, so lösche es in dieser feier¬
lichen Stunde aus deinem Gedächtnis. Hast du ihnen weh gethan, so laß heute
deinen Blick einzig auf die ihnen bereiteten Schmerzen gerichtet sein, nicht auf
die Unbill, dnrch welche sie dich zuvor gekränkt oder gereizt hatten. Schließe
Frieden mit allem, was dich bekriegte, was du bekriegt hast, und öffne ein
williges Ohr den Trostworten, mit welchen ich als geweihter Priester dir die
Vergebung deiner Sünden und ein seliges Eingehen in das bessere Jenseits zu
verheißen berufen bin.

Er hatte, indem er sich so zum Ablesen der vorgeschriebnen Formeln an¬
schickte, von Satz zu Satz dem sprachlos Daliegenden zu einem Blicke oder
einem Kopfnicken beistimmenden Verständnisses Zeit gelassen, und so oft Florida
mit tropfender Wimper nach einem solchen Zeichen Giuseppes aufschaute, hatte
der Sterbende ihr mit einem schmerzlichen Lächeln um die blässer und immer
blässer werdenden Lippen gewillfahrt.

Als aber Pater Vigilio zu Ende war und sich zurückziehen wollte, bemäch¬
tigte sich Giuseppes eine Unruhe, welche zu verraten schien, daß er, von ganz
andern Gedanken erfüllt, deu troftspendenden Zuspruch des Greises kaum wirk¬
lich in sich aufgenommen hatte.

Bleibt, ehrwürdiger Vater, bat Florida, und zu Giuseppe gewandt, sagte
sie: Pater Vigilio harrt bei uns aus. Er liebt dich ja auch, armer Freund.


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[0384] [Abbildung] Um eine perle. Roman von Robert Zvaldmüller (Ed. Duboc), (Fortsetzung,) ein Sohn, begann dann der Pater in bewegtem Tone, du wirst nicht von hinnen scheiden wollen, ohne zu bereuen, was du als fleischlich Geborener an Fehlern nicht auszutilgen, an guten Vor¬ sätzen nicht zur That werden zu lassen vermocht hast. Ist dir von Menschen Leid bereitet worden, so lösche es in dieser feier¬ lichen Stunde aus deinem Gedächtnis. Hast du ihnen weh gethan, so laß heute deinen Blick einzig auf die ihnen bereiteten Schmerzen gerichtet sein, nicht auf die Unbill, dnrch welche sie dich zuvor gekränkt oder gereizt hatten. Schließe Frieden mit allem, was dich bekriegte, was du bekriegt hast, und öffne ein williges Ohr den Trostworten, mit welchen ich als geweihter Priester dir die Vergebung deiner Sünden und ein seliges Eingehen in das bessere Jenseits zu verheißen berufen bin. Er hatte, indem er sich so zum Ablesen der vorgeschriebnen Formeln an¬ schickte, von Satz zu Satz dem sprachlos Daliegenden zu einem Blicke oder einem Kopfnicken beistimmenden Verständnisses Zeit gelassen, und so oft Florida mit tropfender Wimper nach einem solchen Zeichen Giuseppes aufschaute, hatte der Sterbende ihr mit einem schmerzlichen Lächeln um die blässer und immer blässer werdenden Lippen gewillfahrt. Als aber Pater Vigilio zu Ende war und sich zurückziehen wollte, bemäch¬ tigte sich Giuseppes eine Unruhe, welche zu verraten schien, daß er, von ganz andern Gedanken erfüllt, deu troftspendenden Zuspruch des Greises kaum wirk¬ lich in sich aufgenommen hatte. Bleibt, ehrwürdiger Vater, bat Florida, und zu Giuseppe gewandt, sagte sie: Pater Vigilio harrt bei uns aus. Er liebt dich ja auch, armer Freund.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/384>, abgerufen am 30.04.2024.