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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine perle.
Roman von Robort Waldmüller (Ld, Duboc), (Fortsetzung,)

s ist heraus, sagte der Alte in etwas milderen: Tone; sei es damit
genug; setze dich, schlage das Buch wieder auf und lies weiter.

Es ist heraus, wiederholte Florida tonlos, indem sie traurig
niederblickte; der vergiftete Pfeil ist ans dem Köcher heraus, und
sein Widerhaken steckt mir im Herzen.

Der Greis zuckte die Achseln.

Ihr werft mir vor, Vater, fuhr Florida fort, das Wappen unsers Hauses
in den Staub getreten, Euer greises Haupt mit Schimpf und Schande bedeckt
zu haben. Ist dem wirklich so? Nie zuvor ist man Eurer Tochter mit solcher
Ehrfurcht begegnet wie seit dem Tage, der sie zum Witwenschleier verurteilte.
In der Kirche macht mir Alt und Jung Platz, auf dem Wege dahin darf ich
nicht aufblicken, ohne daß Hoch und Niedrig, Vornehm und Gering eine teil¬
nehmende Miene, einen mitfühlenden Gruß für mich in Bereitschaft haben, ohne
daß alles in dem Bemühen, mir meine Schmerzensbürde tragen zu helfen, wett¬
eifert. Erst heute noch hat es mich beschämt, der Gegenstand so allseitiger Anteil-
bezengungen zu sein; ich hatte, um beim Verlassen der Kirche ans Weihbecken
zu gelangen, gleich vielen andern einige Augenblicke warten müssen, da boten
mir drei Hände gleichzeitig Weihwasser an -- ein ganz gewöhnlicher Liebes¬
dienst, werdet Ihr sagen; gewiß! eine Freundlichkeit, die das Volk sich unter¬
einander täglich erweist; aber wann wagt es sich damit an eine Dame von
Stande heran? Nie früher hat man sich um mein Warten gekümmert. Jetzt
ist es rings um mich her jedem ein inniges Bedürfnis, mir einen Liebesdienst
zu leisten, mir wohlzuthun. Und mein Vater wirft mir vor, sein greises Haupt
mit Schimpf und Schande bedeckt zu haben!

Marcello murmelte unverständliche Worte vor sich hin.


Grmzlwtm III. 1886. 33


Um eine perle.
Roman von Robort Waldmüller (Ld, Duboc), (Fortsetzung,)

s ist heraus, sagte der Alte in etwas milderen: Tone; sei es damit
genug; setze dich, schlage das Buch wieder auf und lies weiter.

Es ist heraus, wiederholte Florida tonlos, indem sie traurig
niederblickte; der vergiftete Pfeil ist ans dem Köcher heraus, und
sein Widerhaken steckt mir im Herzen.

Der Greis zuckte die Achseln.

Ihr werft mir vor, Vater, fuhr Florida fort, das Wappen unsers Hauses
in den Staub getreten, Euer greises Haupt mit Schimpf und Schande bedeckt
zu haben. Ist dem wirklich so? Nie zuvor ist man Eurer Tochter mit solcher
Ehrfurcht begegnet wie seit dem Tage, der sie zum Witwenschleier verurteilte.
In der Kirche macht mir Alt und Jung Platz, auf dem Wege dahin darf ich
nicht aufblicken, ohne daß Hoch und Niedrig, Vornehm und Gering eine teil¬
nehmende Miene, einen mitfühlenden Gruß für mich in Bereitschaft haben, ohne
daß alles in dem Bemühen, mir meine Schmerzensbürde tragen zu helfen, wett¬
eifert. Erst heute noch hat es mich beschämt, der Gegenstand so allseitiger Anteil-
bezengungen zu sein; ich hatte, um beim Verlassen der Kirche ans Weihbecken
zu gelangen, gleich vielen andern einige Augenblicke warten müssen, da boten
mir drei Hände gleichzeitig Weihwasser an — ein ganz gewöhnlicher Liebes¬
dienst, werdet Ihr sagen; gewiß! eine Freundlichkeit, die das Volk sich unter¬
einander täglich erweist; aber wann wagt es sich damit an eine Dame von
Stande heran? Nie früher hat man sich um mein Warten gekümmert. Jetzt
ist es rings um mich her jedem ein inniges Bedürfnis, mir einen Liebesdienst
zu leisten, mir wohlzuthun. Und mein Vater wirft mir vor, sein greises Haupt
mit Schimpf und Schande bedeckt zu haben!

Marcello murmelte unverständliche Worte vor sich hin.


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[0425] [Abbildung] Um eine perle. Roman von Robort Waldmüller (Ld, Duboc), (Fortsetzung,) s ist heraus, sagte der Alte in etwas milderen: Tone; sei es damit genug; setze dich, schlage das Buch wieder auf und lies weiter. Es ist heraus, wiederholte Florida tonlos, indem sie traurig niederblickte; der vergiftete Pfeil ist ans dem Köcher heraus, und sein Widerhaken steckt mir im Herzen. Der Greis zuckte die Achseln. Ihr werft mir vor, Vater, fuhr Florida fort, das Wappen unsers Hauses in den Staub getreten, Euer greises Haupt mit Schimpf und Schande bedeckt zu haben. Ist dem wirklich so? Nie zuvor ist man Eurer Tochter mit solcher Ehrfurcht begegnet wie seit dem Tage, der sie zum Witwenschleier verurteilte. In der Kirche macht mir Alt und Jung Platz, auf dem Wege dahin darf ich nicht aufblicken, ohne daß Hoch und Niedrig, Vornehm und Gering eine teil¬ nehmende Miene, einen mitfühlenden Gruß für mich in Bereitschaft haben, ohne daß alles in dem Bemühen, mir meine Schmerzensbürde tragen zu helfen, wett¬ eifert. Erst heute noch hat es mich beschämt, der Gegenstand so allseitiger Anteil- bezengungen zu sein; ich hatte, um beim Verlassen der Kirche ans Weihbecken zu gelangen, gleich vielen andern einige Augenblicke warten müssen, da boten mir drei Hände gleichzeitig Weihwasser an — ein ganz gewöhnlicher Liebes¬ dienst, werdet Ihr sagen; gewiß! eine Freundlichkeit, die das Volk sich unter¬ einander täglich erweist; aber wann wagt es sich damit an eine Dame von Stande heran? Nie früher hat man sich um mein Warten gekümmert. Jetzt ist es rings um mich her jedem ein inniges Bedürfnis, mir einen Liebesdienst zu leisten, mir wohlzuthun. Und mein Vater wirft mir vor, sein greises Haupt mit Schimpf und Schande bedeckt zu haben! Marcello murmelte unverständliche Worte vor sich hin. Grmzlwtm III. 1886. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/425>, abgerufen am 30.04.2024.