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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Nordamerikanische LisenbahnzustLnde.

süchtiger und grausamer Despot und infolge dessen bei seinem Volke äußerst
unbeliebt ist, kaum Widerstand gegen eine Annexion leisten. Er thut nichts
gegen die räuberischen Tekinzen auf den Steppen seines Landes die von hier
aus nach wie vor gelegentlich Razzias nach Gegenden jenseits der russischen
Grenze unternehmen und die Karawanenstraße zwischen Krasnowodsk und Chiwa
sehr unsicher machen. Erst vor zehn Monaten beraubten sie einen großen
Transport russischer Waaren bei Knngrad, sodaß die Nüsse" dort für die Zu¬
kunft einen Kosakenposten aufstellten. Es fehlt also auch nicht an Anlässen,
hier wieder eine Lücke zu schließen und einem unbequemen Nachbar das Lebens¬
licht aufzublasen, das ohnedies seit dem letzten Kriege mit Rußland nur noch
flackerte, und da England auch hier rechtlich nichts dreinzureden hat, so wird
das keine große Mühe verursachen. Rußland aber wird dann in Mittelasien
in recht befriedigender Weise abgerundet sein.




Nordamerikanische Gisenbahnzustände.

^"in einem vor etwa fünfundzwanzig Jahren veröffentlichten Lehr¬
buche der Finanzwissenschaft stellte Umpfenbach die Behauptung
auf, daß ein Verkehrs- und kultnrfvrdcmdes Element von so
großer Tragweite wie das Eisenbahnwesen nur dann in voller
Ausdehnung Früchte tragen könne, wenn es als Staatseinrichtung
behandelt würde. Er bezeichnete es einfach als Pflicht des Staates, als
Staatszweck schlechthin, alle Eisenbahnen des Landes zu übernehmen. Lauge
genug hat es gedauert, bis dieser Gedanke allgemeine Anerkennung gefunden
hat, und selbst heute, wo er in der Theorie mehr als je befürwortet wird, hat
er noch verhältnismäßig selten praktische Ausführung gefunden. Meist sind es
die territorial kleinern Länder gewesen, die dem guten Beispiele, welches Belgien
schon seit 1834 mit dem Ausbau eines Staatsbahnnetzes gab, gefolgt sind, Baden,
Hannover, Württemberg, später auch Baiern und Sachsen, während Preußen
erst in neuerer Zeit dazu geschritten ist, die vorhandnen Privatbahnen anzu-
kaufen. Außerhalb des deutschen Reiches scheint man noch geringere Neigung
zu verspüren, die Staatsverwaltung um dieses kolossale Verkehrsgebiet zu er¬
weitern, oder hält es da, wo vielleicht Lust dazu entstanden ist, wegen des
ansehnlichen Kapitals, das für den Ankauf erforderlich ist, zur Zeit nicht für
möglich, derselben Raum zu geben.


Nordamerikanische LisenbahnzustLnde.

süchtiger und grausamer Despot und infolge dessen bei seinem Volke äußerst
unbeliebt ist, kaum Widerstand gegen eine Annexion leisten. Er thut nichts
gegen die räuberischen Tekinzen auf den Steppen seines Landes die von hier
aus nach wie vor gelegentlich Razzias nach Gegenden jenseits der russischen
Grenze unternehmen und die Karawanenstraße zwischen Krasnowodsk und Chiwa
sehr unsicher machen. Erst vor zehn Monaten beraubten sie einen großen
Transport russischer Waaren bei Knngrad, sodaß die Nüsse» dort für die Zu¬
kunft einen Kosakenposten aufstellten. Es fehlt also auch nicht an Anlässen,
hier wieder eine Lücke zu schließen und einem unbequemen Nachbar das Lebens¬
licht aufzublasen, das ohnedies seit dem letzten Kriege mit Rußland nur noch
flackerte, und da England auch hier rechtlich nichts dreinzureden hat, so wird
das keine große Mühe verursachen. Rußland aber wird dann in Mittelasien
in recht befriedigender Weise abgerundet sein.




Nordamerikanische Gisenbahnzustände.

^»in einem vor etwa fünfundzwanzig Jahren veröffentlichten Lehr¬
buche der Finanzwissenschaft stellte Umpfenbach die Behauptung
auf, daß ein Verkehrs- und kultnrfvrdcmdes Element von so
großer Tragweite wie das Eisenbahnwesen nur dann in voller
Ausdehnung Früchte tragen könne, wenn es als Staatseinrichtung
behandelt würde. Er bezeichnete es einfach als Pflicht des Staates, als
Staatszweck schlechthin, alle Eisenbahnen des Landes zu übernehmen. Lauge
genug hat es gedauert, bis dieser Gedanke allgemeine Anerkennung gefunden
hat, und selbst heute, wo er in der Theorie mehr als je befürwortet wird, hat
er noch verhältnismäßig selten praktische Ausführung gefunden. Meist sind es
die territorial kleinern Länder gewesen, die dem guten Beispiele, welches Belgien
schon seit 1834 mit dem Ausbau eines Staatsbahnnetzes gab, gefolgt sind, Baden,
Hannover, Württemberg, später auch Baiern und Sachsen, während Preußen
erst in neuerer Zeit dazu geschritten ist, die vorhandnen Privatbahnen anzu-
kaufen. Außerhalb des deutschen Reiches scheint man noch geringere Neigung
zu verspüren, die Staatsverwaltung um dieses kolossale Verkehrsgebiet zu er¬
weitern, oder hält es da, wo vielleicht Lust dazu entstanden ist, wegen des
ansehnlichen Kapitals, das für den Ankauf erforderlich ist, zur Zeit nicht für
möglich, derselben Raum zu geben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/498>, abgerufen am 30.04.2024.