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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Notiz.

null die arglose" Tierchen mit leisem Pfiff heran, wie er sie gewöhnt hatte,
nach jeder feiner frugalen Mahlzeiten sich um die nachgelassenen Brosamen seiner
Tafel zu bewerben.

Sie waren bald ohne große Milbe eins nach dem andern überlistet und
mit ihrem Fähnchen am Halse wieder entlassen, und gleich darauf bewies dein
gespannt ihrem Fluge Lauschenden ein unstätes Flügelrauschen, daß sich das
ganze um den Springbrunnen versammelt gewesene Taubeiwölkchen aus seiner
Ruhe hatte aufschrecken lassen. Nach allen Richtungen hin war es entflohen,
als gälte es, einem halben Dutzend Habichte ans dem Wege zu kommen.'

Giuseppes Augen blitzten. Er lächelte. Er hatte Botschaft hinausgesandt
aus seinem Kerker. Er vertraute seinem guten Stern. Es war unmöglich,
daß nicht wenigstens eine der Tauben, die mit der langen Schleppe dahin-
flatterten, beobachtet wurde. Es mußte die Stunde seiner Erlösung nahe sein!

Aber die Brust schmerzte ihm heftig, und er sank erschöpft auf sein Lager
zurück. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Nochmals Bismarck und die Sonntagsruhe. Aus der meinen Aus¬
führungen im vorigen Hefte hinzugefügten Anmerkung der geehrten Redaktion ent¬
nehme ich, daß ich mißverstanden worden sein muß. Ich erlaube mir deshalb meine An¬
schauungen über den Begriff der Sonntagsruhe noch einmal dahin zu Präzisiren, daß
ich darunter zweierlei verstehe und allerdings ebenso wie die geehrte Redaktion und
Herr F. A. eine äußere und eine innere Sonntagsruhe unterscheide. Jene, die
äußere, welche ich als die Polizeiliche bezeichnen möchte, hat einen lediglich prohibi-
tiven Charakter, denn sie ist darauf gerichtet, alle Unruhe zu verhindern, durch
welche die sonntägliche Stille beeinträchtigt werden könnte. Diesen Ausschreitungen
kann die Polizeibehörde mit den ihr gegebenen gesetzlichen Mitteln ans Grund des
^ 366 Ur. 10 des Neichsstrafgesetzbuches entgegentreten, und es ist dabei ganz
gleichgiltig, ob der Lärm auf der freien Straße verursacht wird oder ob er ans
den Häusern herausschallt. Es ist also nicht zutreffend, wenn die geehrte Redaktion
behauptet, "die Polizei habe nicht das Recht, in das Innere des Hauses zu dringen."

Die andre innere oder subjektive Sonntagsruhe ist aber nicht polizeilicher,
sondern religiöser Natur und beruht auf dem alttestamentlichen Bibelwortc: "Und
also vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhete am
siebenten Tage von allen seinen Werken, die er machte." (1. Mos. 2, 2). Diese
göttliche, auf die innere Sammlung gerichtete Sonntagsruhe fällt durchaus zusammen
mit dem Begriffe der Sountagsheiligung, zu welcher niemand durch das weltliche
Gesetz gezwungen werden kann, welche aber auch niemandem unmöglich gemacht
werden sollte. Nur in letzterer Beziehung kann die Gesetzgebung einschreiten, d. h.
sie kann vorschreiben, daß kein Arbeiter gezwungen werden soll, wider seine religiöse
Ueberzeugung am Sonntage zu arbeiten.

Hieraus folgt, daß sich eilt gesetzliches Arbeitsverbot niemals direkt gegen den
Arbeiter, sondern nur gegen den Arbeitgeber richten darf, wie dies ja auch die
Redaktion in der obengedachten Anmerkung andeutet.


Notiz.

null die arglose» Tierchen mit leisem Pfiff heran, wie er sie gewöhnt hatte,
nach jeder feiner frugalen Mahlzeiten sich um die nachgelassenen Brosamen seiner
Tafel zu bewerben.

Sie waren bald ohne große Milbe eins nach dem andern überlistet und
mit ihrem Fähnchen am Halse wieder entlassen, und gleich darauf bewies dein
gespannt ihrem Fluge Lauschenden ein unstätes Flügelrauschen, daß sich das
ganze um den Springbrunnen versammelt gewesene Taubeiwölkchen aus seiner
Ruhe hatte aufschrecken lassen. Nach allen Richtungen hin war es entflohen,
als gälte es, einem halben Dutzend Habichte ans dem Wege zu kommen.'

Giuseppes Augen blitzten. Er lächelte. Er hatte Botschaft hinausgesandt
aus seinem Kerker. Er vertraute seinem guten Stern. Es war unmöglich,
daß nicht wenigstens eine der Tauben, die mit der langen Schleppe dahin-
flatterten, beobachtet wurde. Es mußte die Stunde seiner Erlösung nahe sein!

Aber die Brust schmerzte ihm heftig, und er sank erschöpft auf sein Lager
zurück. (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Nochmals Bismarck und die Sonntagsruhe. Aus der meinen Aus¬
führungen im vorigen Hefte hinzugefügten Anmerkung der geehrten Redaktion ent¬
nehme ich, daß ich mißverstanden worden sein muß. Ich erlaube mir deshalb meine An¬
schauungen über den Begriff der Sonntagsruhe noch einmal dahin zu Präzisiren, daß
ich darunter zweierlei verstehe und allerdings ebenso wie die geehrte Redaktion und
Herr F. A. eine äußere und eine innere Sonntagsruhe unterscheide. Jene, die
äußere, welche ich als die Polizeiliche bezeichnen möchte, hat einen lediglich prohibi-
tiven Charakter, denn sie ist darauf gerichtet, alle Unruhe zu verhindern, durch
welche die sonntägliche Stille beeinträchtigt werden könnte. Diesen Ausschreitungen
kann die Polizeibehörde mit den ihr gegebenen gesetzlichen Mitteln ans Grund des
^ 366 Ur. 10 des Neichsstrafgesetzbuches entgegentreten, und es ist dabei ganz
gleichgiltig, ob der Lärm auf der freien Straße verursacht wird oder ob er ans
den Häusern herausschallt. Es ist also nicht zutreffend, wenn die geehrte Redaktion
behauptet, „die Polizei habe nicht das Recht, in das Innere des Hauses zu dringen."

Die andre innere oder subjektive Sonntagsruhe ist aber nicht polizeilicher,
sondern religiöser Natur und beruht auf dem alttestamentlichen Bibelwortc: „Und
also vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhete am
siebenten Tage von allen seinen Werken, die er machte." (1. Mos. 2, 2). Diese
göttliche, auf die innere Sammlung gerichtete Sonntagsruhe fällt durchaus zusammen
mit dem Begriffe der Sountagsheiligung, zu welcher niemand durch das weltliche
Gesetz gezwungen werden kann, welche aber auch niemandem unmöglich gemacht
werden sollte. Nur in letzterer Beziehung kann die Gesetzgebung einschreiten, d. h.
sie kann vorschreiben, daß kein Arbeiter gezwungen werden soll, wider seine religiöse
Ueberzeugung am Sonntage zu arbeiten.

Hieraus folgt, daß sich eilt gesetzliches Arbeitsverbot niemals direkt gegen den
Arbeiter, sondern nur gegen den Arbeitgeber richten darf, wie dies ja auch die
Redaktion in der obengedachten Anmerkung andeutet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/53>, abgerufen am 30.04.2024.